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Die Wolke

Kernkraftwerke sind zurecht umstritten. Ich kann und möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, verstehe ich von der Thematik, den eindeutigen Gefahren und dem auch nicht wegzulegenden Nutzen viel zu wenig, um dabei Positives und Negatives abzuwägen, eine eindeutige Stellung zu beziehen. Doch auch wenn man sich mit dem Thema bislang wenig bis gar nicht auseinandergesetzt hat, wird das 2006 erschienene deutsche Drama "Die Wolke" den ein oder anderen sicherlich nachdenken lassen. Der Film beruht nicht auf einer wahren Begebenheit, versteht sich jedoch als klare Warnung: Das könnte passieren und ihr wollt sicher nicht Schuld sein, wenn es denn passiert, oder? Das mag manch einer als dick aufgetragen empfinden, doch obwohl Regisseur Gregor Schnitzler nicht immer den richtigen Ton trifft, weiß er, wie er seine Zuschauer treffen muss...

DIE WOLKE


Die junge Schülerin Hannah Meinecke (Paula Kalenberg) hat gerade mit ihrem schüchternen Mitschüler Elmar Koch (Franz Dinda) angebandelt, als ein Alarm in der Schule ertönt. Im nahen Kernkraftwerk ist ein verheerender Störfall aufgetreten und eine Giftwolke zieht herauf. Die Bevölkerung wird angewiesen, die nahegelegegen Städte sofort zu räumen. Als Hannah sich aufmacht, um ihren kleinen Bruder Uli (Hans-Laurin Beyerling) zuhause abzufangen, wird sie von Elmar getrennt. Sie macht sich gemeinsam mit Uli auf den Weg, doch durch die Flucht tausender Menschen geraten sie in Gefahr... bis sich die Wolke genau über der kleinen Stadt befindet und plötzlich alle Hoffnung dahin scheint.

Den Holzhammer, mit dem Regisseur Gregor Schnitzler hier zu Werke geht, muss man nicht suchen, denn er ist quasi von Anfang an sichtbar: Kernkraftwerke sind böse, scheint er zu schreien, und er zeigt uns die Auswirkungen eines solch dramatischen und tödlichen Störfalls aus den verschiedensten Perspektiven. Das hat durchaus Intensität, ganz gleich, ob wir einer kreischenden Meute dabei zusehen, wie sie mit aller Macht versucht, in den abgesperrten Hauptbahnhof einzudringen und dabei zu Boden gefallene Menschen überrannt werden oder ob Schnitzler sich den Nachwirkungen des Falls hingibt und aufzeigt, wie viele Unschuldige dabei gewaltige Schäden davontragen. Hin und wieder übertreibt Schnitzler es jedoch und man hat das Gefühl, dass er sich gar in dem furchtbaren Drama suhlt.
Über einige grausame Zwischenfälle und Verluste, so intensiv sie auch inszeniert sind, rutscht er zu schnell hinweg, um hinter der nächsten Ecke gleich mit dem nächsten Thema weiterzumachen - dies beinhaltet dann oft das nächste Drama oder eine weitere emotionale Wendung. In den zu knapp bemessenen 100 Minuten nimmt sich Schnitzler dabei im Kern einfach zu viel vor: Er will eine Liebesgeschichte, ein Familiendrama, einen Katastrophenfilm und eine schmerzhafte Nachbearbeitung der Ereignisse konstruieren und sich dabei gleich um mehrere Charaktere kümmern, ihnen Leben und Glaubwürdigkeit einhauchen. Das funktioniert immer wieder erstaunlich gut und ist gerade für deutsche Verhältnisse ungemein treffsicher inszeniert, aber die Zeit reicht natürlich hinten und vorne nicht. Viele zuvor eingeführte Figuren und ihre eigenen Dramen fallen schon bald über den Tellerrand, werden schier hinfortgedrückt, sodass nicht jeder potenzielle Konflikt genug Luft findet, um ausreichend zu atmen.
Noch dazu hat Schnitzler sich für ein Hauptdarsteller-Pärchen entschieden, welches diesem Thema nicht ganz gewachsen ist: Franz Dinda, heute unter anderem bekannt aus "Der Medicus", bleibt zu fahrig, zu hölzern. Ihm gegenüber müht sich "Kokowääh"-Star Paula Kalenberg redlich und beweist Mut fürs Extreme, dennoch wirkt sie mit der enorm herausfordernden Performance oftmals etwas überfordert - sie ist gut, aber schlichtweg nicht gut genug. Das alles klingt nun aber schlimmer, als es letztendlich ist, denn in seinem hohen Tempo entwirft Schnitzler ein in Ansätzen komplexes, durchgehend spannendes und immer wieder erbarmungslos in die Magengrube abzielendes Geflecht aus Drama und Katastrophenthriller.
Dabei agiert er durchaus auf internationalem Niveau, was Kamera, Ausstattung und die visuelle Brillanz angeht und das Drehbuch ist zumindest so gut, wie es unter diesen Umständen sein könnte. Ein wirklicher Stoff wäre es wohl heutzutage für eine Miniserie, wo man den einzelnen Figuren und Plots dann wesentlich gerechter werden könnte und das könnte dann tatsächlich mal ein interessantes Ding werden. Wahrscheinlich wird es dazu aber nicht kommen, weswegen "Die Wolke" ein guter, aber insgesamt unter seinen Möglichkeiten bleibender Film ist. Das ist für deutsche Verhältnisse in diesem Genre aber durchaus ein Schritt nach vorne.

Fazit: Da sich Regisseur Schnitzler etwas zu viel auflädt, kann er in den 100 Minuten längst nicht allen Dramen und Charakteren gerecht werden. Alle Beteiligten mühen sich redlich und erschaffen eine schneidende Atmosphäre, was zu einem packenden Film reicht, der in die Magengrube trifft, aber zu viele Fässer öffnet.

Note: 3+





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