Brad Pitt und Leonardo DiCaprio galten in den 90ern als DIE Frauenschwärme Hollywoods schlechthin. Sie brachen schier unzählige Herzen, brachten die Kinokassen zum Klingeln, waren Schwärme etlicher Teenies, die die beiden Stars gefühlvoll anschmachteten. Kein Wunder also, dass sich beide anschließend daran versuchten, auch als Schauspieler ernstgenommen zu werden... und heute gehören beide zu den besten Mimen ihrer Generation. Brad Pitt ließ den Schmachtfetzen "Legenden der Leidenschaft" und "Interview mit einem Vampir" schließlich das Bundle aus "Sieben" und "Twelve Monkeys" folgen, um sein Image aufzupolieren und auch "Sieben Jahre in Tibet", der 1997 erschien, sollte seinen Stand als Schauspielass festigen. Die Kritiker jedenfalls waren begeistert... mich hat der Film, den ich nun zum ersten Mal gesehen habe, jedoch überraschenderweise völlig kaltgelassen.
SIEBEN JAHRE IN TIBET
Heinrich Harrer (Brad Pitt) ist Bergsteiger, Österreicher und Mitglied der NSDAP. Im Jahr 1939 reist er mit einer deutschen Expedition in den Himalaya, wo er gemeinsam mit einer von Peter Aufschnaiter (David Thewlis) angeführten Expedition den gefährlichen Nanga Parbat zu erklimmen. Dabei werden sie jedoch von den Briten als Kriegsgefangene festgenommen - erst nach Jahren gelingt den beiden die Flucht. Gejagt von den feindlichen Truppen schlagen sie sich bis nach Tibet durch, wo sie jedoch auch nicht willkommen zu sein scheinen: Die friedlichen Menschen, die dort leben, fürchten einen drohenden Krieg und wollen ihn nicht zu sich locken. Harrer und Aufschnaiter jedoch fügen sich ein und schon bald wollen beide nicht mehr gehen...
Die Geschichte ist gerade heute nahezu aus allen Ecken und Enden bekannt. Ein Ausländer erscheint in einem friedlichen Dorf und fügt sich dort ein. Anders als in den später erschienenen "Avatar" und "Last Samurai" sind die Menschen, denen Harrer und Aufschnaiter begegnen, aber nicht ihre Feinde, sie wechseln also innerhalb eines drohenden Konflikts nicht plötzlich die Seiten. Dennoch findet bei den beiden Hauptfiguren mit der Zeit ein Sinneswandel statt und von diesem und den politischen Folgen innerhalb von Tibet, die ebenfalls vom großen Krieg nicht verschont blieben, erzählt der Film von Regisseur Jean-Jacques Annaud. Er gilt nicht unbedingt als einer der meisterhaftesten Klassiker aller Zeiten, hat sich aber als großes Epos irgendwie einen Namen in der Filmgeschichte macht. Er wird nicht in einem Atemzug mit den wahren Meisterwerken des Films, wie "Vom Winde verweht" oder "Titanic" genannt, aber dennoch immer wieder als sehr gut berufen... seltsam, dass er mich da irgendwie kaum abholen konnte.
Vielleicht ist es aber auch einfach das Thema, dass mich nicht wirklich emotional packen konnte, auch wenn ich es bei "Last Samurai" noch sehr gerne gekauft habe. Im Vergleich zu dem Kriegsdrama mit Tom Cruise ist "Sieben Jahre in Tibet" deutlich ruhiger und nuancierter erzählt, hat dabei jedoch auch keine packende Dramaturgie vorzuweisen. Die beiden Hauptcharaktere empfand ich von Anfang an als zu glatt, ihre Wandlung nicht glaubwürdig geschildert. Da der Film jedoch auf einer wahren Begebenheit fußt, muss man die Schuld hier vielleicht bei Regie und Autoren suchen, die über wichtige Knackpunkte zu rasch hinweghuschen, den Film darüber hinaus mit etlichen Fußnoten und Randnotizen beladen. Angesichts seines langsamen Tempos hat er zu viel zu erzählen, um zwischendurch mal wirklich auf den Punkt zu kommen und verlässt sich deswegen auf banale Glückskeksweisheiten.
Auch das Tibet, in welchem sich Harrer und Aufschnaiter bewegen, ist ziemlich klischeehaft inszeniert. Gutmütige Menschen laufen durch enge Straßen, Glocken klingeln überall, es gibt einen großen Markt, viele Bräuche und alle sind höflich. Es fehlt insgesamt einfach an Material, an dem man sich stoßen kann, im Kern ist der Film schlichtweg zu glatt. Dennoch ist es Annaud und seinem Kameramann Robert Fraisse gelungen, diese zähe Handlung in wunderschöne, beinahe malerische Bilder einzubetten und wir haben manchmal tatsächlich das Gefühl, das Tor zu einer anderen Welt zu durchschreiten.
Obwohl nicht an den originalen Drehorten gearbeitet werden durfte (Pitt, Annaud und Thewlis haben anschließend, da der Film in China nicht gut ankam, sogar ein lebenslanges Einreiseverbot in der Volksrepublik erhalten), haben die Macher alles darauf gesetzt, die realen Orte so akribisch und detailgetreu wie möglich nachzustellen und diese Arbeit hat sich definitiv ausgezahlt: "Sieben Jahre in Tibet" sieht wunderschön aus. Das hat mir wenig geholfen, in den Film einzutauchen und die eher maue Handlung zu schlucken, aber immerhin konnte ich mich ein wenig verlieren. Aber nein, für Fans der Thematik ist es sicherlich ein sehr schönes Werk... für andere, darunter mich, aber doch eher eine hübsch anzusehende, schauspielerisch solide und detailgetreue Einschlafhilfe.
Fazit: Als eine Art Epos aufgezogen verliert sich "Sieben Jahre in Tibet" in seiner zu glatten, nach Klischees ablaufenden Handlung und vergisst darüber hinaus, eine in sich stimmige Dramaturgie zu entwickeln. Die Figuren sind nicht glaubhaft geschrieben, bleiben zu unförmig... weswegen es dem Werk insgesamt an Ecken und Kanten mangelt.
Note: 4+
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