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Isle of Dogs - Ataris Reise

Vor einigen Wochen sah ich "Darjeeling Limited" - mein zweiter Film von Wes Anderson, der mich mit seinem 2014 erschienenen "Grand Budapest Hotel" nachhaltig beeindruckte. Anderson ist bekannt dafür, nicht jährlich einen neuen Film rauszufeuern, sondern sich für seine Herzensprojekte die benötigte Zeit zu lassen... mal ganz davon ab, dass es für ihn angesichts seiner durchgehend unkonventionellen Stoffe sicherlich auch nicht immer einfach ist, Studios zu finden, die das finanzielle Risiko tragen. Mit dem mittlerweile zu Disney gehörenden 20th Century Fox scheint er aber einen Partner gefunden zu haben, der ihm vertraut, denn die unterstützten ihn auch bei seinem 2018 erschienenen "Isle of Dogs", der dabei in direkter Konkurrenz zum größten Blockbuster des Jahres "Avengers: Infinity War", lief...

ISLE OF DOGS


In 20 Jahren hat sich das Schnauzenfieber, eine Hundegrippe, ausgebreitet, die mittlerweile durch die Übertragung von Flöhen und Zecken auch die Menschheit gefährdet. Während seines Wahlkampfes befürwortet Bürgermeister Kobayashi daher, alle Hunde auf eine unbewohnte, vermüllte Insel zu bringen, wo sie ihr Leben fristen und möglichst verhundern sollen. Er findet Gehör und deportiert seinen Wachhund Spots als ersten Hund zur Insel - ihm folgen etliche weitere. Eines Tages landet Atari, der zwölfjährige Sohn Kobayashis, mit einem Flugzeug auf der Hundeinsel, um seinen geliebten Freund Spots zu suchen. Dabei hilft ihm ein fünfköpfiges Rudel, welches es bislang geschafft hat, auf der Insel zu überleben...

Letztes Jahr habe ich "Isle of Dogs" im Kino verpasst, war mir aber auch nicht sicher, ob er mir wirklich zusagen würde. Dass man sich bei einem Film von Wes Anderson, selbst wenn es im weitesten Bereich ein Animationsfilm ist, der irgendwo auch Kinder ansprechen könnte (auch wenn er definitiv für Erwachsene, die den skurillen Humor zu schätzen wissen, besser geeignet ist), aber nicht auf konventionelle Erzählungen und Inszenierungen einstellen muss, ist klar. Dementsprechend gerät allein die schon von ihrer Grundidee herrlich kreative Geschichte auch recht speziell, zumindest in diversen Bereichen. 
Wo Mainstream-Regisseure Plotpoints wie Roboterhunde, einen Aufstand gegen die Intoleranz oder die als Kern fungierende Reise von Atari und den fünf Hunden, die sich auf die Suche nach dem verloren gegangenen Spots machen, sicherlich ein Effektefeuerwerk mit albernen Witzchen, ein wenig Herz und kurzweiliger Action zugeschoben hätten, macht Anderson das genaue Gegenteil: Er inszeniert es als Stop-Motion, konzentriert sich auf doppelbödige Charaktere und leisen Humor, vergisst dabei aber auch das Herz und eine wichtige Grundmessage nicht. Das ist vor allem in der ersten Stunde durchgehend wunderbare Unterhaltung, wenn Anderson seine Protagonisten auf eine ebenso dreckige wie spannende Reise schickt und Mainstream-Klischees mit trockenem Humor zu umschiffen vermag. Da sitzt dann zwar nicht jeder Gag und zu Beginn braucht man auch ein paar Minuten, um sich erneut in Andersons eigenwillige Inszenierung einzufügen. Ist diese Gewöhnungsphase jedoch vorbei, erwarten den offenen Zuschauer zumindest sechzig Minuten voller Unterhaltung, vollgepackt mit enormem Charme, liebenswürdigen, dabei aber keinesfalls glattgeschliffenen Charakteren und wunderbaren Bildern. 
Die tierischen Protagonisten werden dabei kaum vermenschlicht - sogar Mimik und Gestik sind eins zu eins echten Hunden nachempfunden, niemand wird hier für die Masse cartoonesk versimpelt. Sprechen tun sie aber natürlich doch, wie eine humoristische Warntafel zu Beginn des Films anpreist, und dafür hat Anderson gleich einen ganzen Packen namhafter Sprecher im Gepäck, die bereits zuvor mehrfach für ihn vor der Kamera standen. Edward Norton, "Aloha"-Star Bill Murray, Jeff Goldblum und Bryan "Walter White" Cranston in der tierischen Hauptrolle werden dabei zu Großteilen von ihren bekannten deutschen Synchronsprechern für die deutsche Version vertont, es wurde zum Glück also nicht auf Promis zurückgegriffen, um die Säle ein wenig mehr zu füllen. 
Es ist also, auch dank der überbordenden, aber nie Überhand nehmenden Kreativität seitens Anderson, der sich nicht einfach nur auf seiner Grundidee ausruht, sondern immer wieder auch spannende Abzweigungen nimmt, ein rundes Ding geworden. Erst in der letzten halben Stunde geht dem Werk ein wenig die Puste aus - der "Grand Budapest Hotel"-Regisseur geht hier letztendlich doch etwas zu brav raus und kann in seinem finalen Showdown nicht mehr umhin, auch ein paar Klischees zu bedienen, was etwas schade ist.

Fazit: Es ist kein neues Meisterwerk von Wes Anderson, aber dennoch ein sehr kreativer, sich dem Mainstream verweigernder, charmanter Stop-Motion-Film geworden. Trockener Humor, tolle Bilder, ein fantastischer Soundtrack und viel Herz verbinden sich dabei zu guter Unterhaltung, der nur gegen Ende während eines zu braven Showdowns zu früh die Puste ausgeht.

Note: 2-




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