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Long Shot - Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich

Vergangene Woche habe ich es leider nicht ins Kino geschafft, und das, obwohl mit "Tolkien", "Brightburn" und "Long Shot" gleich drei Filme anliefen, die mich sehr interessierten. Die Arbeit und weitere Verpflichtungen gingen diesmal aber wirklich vor, weswegen ich "Tolkien" (der ja eh nur mittelmäßige Kritiken bekommen hat) nicht im Lichtspielhaus sehen werde und die zuletzt genannten nun mit einer Woche Verspätung nachhole. An die neue Komödie mit Seth Rogen und Charlize Theron hegte ich dann ganz besondere Erwartungen, denn obwohl der Trailer nach der üblichen Ulkkomödie aussah, waren die Kritiken insgesamt so gut, dass ich mit einer wahren Überraschung rechnen wollte. Ist "Long Shot" nun also wirklich so stark, wie alle behaupten oder ist dahinter nur heiße Luft wiederzufinden?

LONG SHOT


Fred Flarsky (Seth Rogen) ist ein Journalist mit ehrlichen Ambitionen und hat gerade seinen Job hingeworfen, da seine Redaktion plötzlich unter der Hand eines undurchsichtigen neuen Chefs namens Parker Wembley (Andy Serkis) steht. Kurz darauf trifft Flarsky auf einer Spendengala, zu welcher ihn sein Kumpel Lance (O'Shea Jackson Jr.) mitgeschleppt hat, die Außenministerin der Vereinigten Staaten, Charlotte Field (Charlize Theron). Beide kennen sich von früher und da Charlotte in ihm nicht nur einen ehrlichen Menschen, sondern auch einen hervorragenden Schreiberling sieht, heuert sie ihn an - Flarsky soll ihre trockenen Reden aufpeppen, die ihr eine Kandidatur als Präsidentin ermöglichen sollen. Es dauert nicht lang, bis sich das ungleiche Paar näherkommt... und daraufhin einige Hürden im öffentlichen Raum überwinden muss.

Das klingt tatsächlich irgendwie absurd, was der deutsche Untertitel passenderweise gleich mit aufgreift. Ein tumb wirkender, kiffender und ständig fluchender Journalist mit dichtem Bart, einigen Pfunden zu viel und dazu auch noch tollpatschig, bandelt mit einer attraktiven, erfolgreichen und von aller Welt geradezu geliebten Starpolitikerin an... und das mit Erfolg. Glaubwürdig klang das nicht und genau hier liegt dann auch die große Überraschung, die "Long Shot" unter der Regie von "Mike and Dave need Wedding Dates"-Macher Jonathan Levine vorzuweisen hat. Obwohl der Aufhänger des Plots gewissermaßen... naiv klingt, gelingt es Levine im Grunde von der ersten Minute, dass man an der Beziehung, den Gefühlen der Protagonisten füreinander und auch deren späteren Entwicklungen nicht den geringsten Zweifel hat. Levine findet überraschend gut den schwierigen Spagat zwischen (manchmal etwas zu) alberner Klamotte und leisem Drama, hat ein Gespür für prägnante, romantische Szenen, ohne diese in Kitsch abdriften zu lassen und erreicht scheinbar mühelos einen hohen Humorpegel.
Da sitzt nicht jeder Witz, aber gut zwei Drittel sorgen für ordentliche Lacher, was angesichts des heutigen Comedy-Standards ja beinahe ein grandioser Wert ist. Darüber hinaus gibt es natürlich einiges, was man "Long Shot" ankreiden kann: Er ist mit seinen mehr als zwei Stunden doch etwas zu lang, lässt einige nette Ideen ungenutzt dahinplätschern (was hätte man aus dem Drogenrausch noch alles machen können?) und lotet andere, wesentlich schlechtere Einfälle (die seltsame Besetzung von Andy Serkis, unkenntlich gemacht durch eine ziemlich komische Maske) viel zu lange und breit aus. Das sind aber Eckpfeiler und Probleme, die bereits in vielen Mainstream-Komödien aufgetreten sind und da "Long Shot" im direkten Vergleich noch wesentlich spielerischer mit ihnen umgeht und diesen Kontras auch noch jede Menge Pros entgegensetzt, die den Lachpegel wieder in die Höhe treiben, mag man dem Film da nicht so recht böse sein.
Man spürt nämlich in schier jeder Minute, selbst in denen, die sich etwas lang anfühlen, dass da jemand mit Herz und dem Gespür für eine besondere Liebesgeschichte am Werk war. Levine wusste, dass er hier keinen All-Time-Klassiker erschaffen oder das Rad neu erfinden wird... aber das, was er abliefert, das schien er wirklich richtig machen zu wollen. Danken sollte er dabei auch seinen beiden Hauptdarstellern, die in ihrer so auch noch nicht gesehenen Konstellation eine wahre Bravour-Leistung abliefern: Seth Rogen hätte sein wildes Grimassieren in einigen Momenten etwas zurückfahren sollen, bleibt ansonsten aber charmant auf dem Boden und liefert eine ebenso glaubwürdige wie spaßige Performance ab. Übertroffen wird er aber von seinem Co-Star: Dass "Tully"-Star Charlize Theron auch richtig witzig sein kann, hat sie schon mehrfach bewiesen, hier liefert sie aber das beste Pendant aus beiden Welten. Sie ist charmant, unglaublich lustig, dabei aber auch menschlich, mal schwächelnd, clever, taktisch und schlichtweg hinreißend. Theron und Rogen fügen sich zu einem wunderbaren Filmpärchen zusammen, dem man durchweg die Daumen drückt und zwischen beiden sprühen, was man zuvor kaum glauben wollte, tatsächlich so richtig die Funken.

Fazit: "Long Shot" vermeidet nicht jede Länge und ist manchmal etwas zu albern, hat im Kern aber eine ebenso ergreifende wie überraschend glaubwürdige Liebesgeschichte zu bieten, die vor allem von den beiden hervorragend aufspielenden Hauptdarstellern und einem starken Gespür für kitschlose Romantik und clevere Gags getragen wird.

Note: 2-









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