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Hairspray

Musicals haben beinahe vor allen anderen Filmgenres die Aufgabe, uns in eine andere Welt zu entführen, perfekt zu bewältigen. Ein Musical. welches uns nicht träumen lässt, uns ein Lächeln ins Gesicht zeichnet und mitschunkeln lässt, hat wohl irgendwo sein Ziel verfehlt. Auf der großen Bühne, wenn die Menge tanzt und grandiose Solos geschmettert werden, ist eine Überzeichnung gern gesehen - Emotionen werden groß dargeboten, es darf skurill zugehen und muss mit dem echten Leben so nichts zu tun haben. "Mamma Mia!" bewies zum Beispiel die pure Freude am Kitsch und am feucht-fröhlichen Spaß, "Grease" ließ uns in jedem Song mitwippen, "Sweeney Todd" verband die Emotionen mit skurillem Horror und leisem Drama... all diese Filme schaffen es, ihr Publikum zu packen, indem sie sich bewusst sind, dass das alles nicht echt ist, sondern auf einer Bühne passiert, wobei ihre Messages dabei nicht weniger gewichtig sind. Die "Hairspray"-Verfilmung aus dem Jahr 2007 ist da definitiv problematischer, trifft sie abseits der Musical-Einlagen innerhalb ihres Plots nämlich viel zu oft nicht den richtigen Ton...

HAIRSPRAY


Baltimore im Jahr 1962: Für die füllige Highschool-Schülerin Tracy Turnblad (Nikki Blonsky) gibt es keinen größeren Traum als in der berühmten Nachmittags-Tanzshow von Corny Collins (James Marsden) aufzutreten. In einer Zeit, als Schwarze um ihre Rechte kämpften, funkt die weiße, übergewichtige Tracy dazwischen und möchte sich, als sie beim Vortanzen für eine neue Rolle auffällt, auch politisch einbringen. Der intriganten Velma von Tussle (Michelle Pfeiffer), neben Collins die Chefin der Show, kann sich mit Tracys Optik und ihren Ansichten, die schon bald auch ein Umdenken in der Crew androhen, nicht abfinden und plant gegen sie. Währenddessen macht sich Tracy einen Namen, verliebt sich in ihren Kollegen Link Larkin (Zac Efron)... und gerät sogar in Konflikt mit dem Gesetz.

Inszeniert wurde der Film, der sowohl eine neue Adaption des gleichnamigen Films aus den 80ern als auch der seit 2002 am Broadway laufenden Musical-Version darstellt, tatsächlich von Adam Shankman - dem Mann, der das Publikum seit jeher eher mit leichtverdaulichen Komödien wie "Im Dutzend Billiger" oder "Der Babynator" unterhielt, fünf Jahre nach diesem Musical-Ausflug aber tatsächlich mit "Rock of Ages" noch einmal in dieses Genre zurückkehrte. Zugetraut hätte man ihm dies im Jahr 2007 wohl kaum, in Sachen reiner Inszenierung gleitet ihm das Werk, für welches er auch gleich die beeindruckenden Tanzchoreographien stellte, aber nie. Es ist bunt, es sieht hübsch aus, hat ein paar starke Ohrwürmer, ist fein geschnitten und sehr gut gefilmt - nichts, was absolut aufsehenerregend in diesem Genre wäre, aber alles unterhaltsam und handwerklich vollkommen solide. 
Schwieriger sieht es beim Plot und dessen Aufarbeitung aus, denn offensichtlich konnten sich Shankman und sein Team nicht entscheiden, wie viel Wert sie nun auf diese einzelnen Stränge legen wollen. Sie fassen wichtige Themen an und laden diese, auch innerhalb einiger Songs, mit einer solch enormen Wichtigkeit auf, dass es beinahe an politischer Überzeichnung grenzt. Schön, dass man sich der Wichtigkeit der allgemeinen Toleranz bewusst ist und auch das Thema der Rassentrennung so aufgreift, hier ist es aber hin und wieder etwas zu viel des Guten, wenn über mehrere Minuten lang resümiert wird, warum Schwarze allein aufgrund ihrer Hautfarbe einfach besser sind. Da wird der Ton dann nicht richtig getroffen und es wirkt beinahe schon etwas fehlinterpretiert, immerhin findet Shankman später aber noch den richtigen Schwung. In diesen findet er anfangs nur sehr bemüht hinein: In den ersten rund zwanzig Minuten kommt "Hairspray" nämlich irgendwie nicht richtig in Fahrt und braucht eine ganze Weile, bis er sich und seine Eigenarten passend unter einen Hut bekommt. Dass man es mit der allgemeinen Logik in bunten Musicals nicht zu genau nehmen sollte, ist klar, aber der Film hat tatsächlich so oft mit seiner inneren Logik zu kämpfen und überschreitet die Grenzen von dem, was irgendwie Sinn ergeben sollte, so häufig, dass man doch immer wieder aus der knallbunten Blase herausgerissen wird, die man uns so überzeichnet umkleben will. 
Immerhin ist der Showdown nach gut anderthalb Stunden dann jedoch wieder so klassisch, so dermaßen rund und voller kleiner Magic Moments, dass man beinahe vergisst, dass "Hairspray" zuvor eben doch nicht so dolle war und entlässt uns mit einigen grandiosen Tanzeinlagen, ein paar speziellen Charaktermomenten und ganz viel Herz und Witz in den Abspann... da hat man dann plötzlich wieder richtig gute Laune. Gute Laune versprühen indes auch die Darsteller und gerade bei der namhaften Besetzungsliste gibt es so manch eine Überraschung zu verbuchen. Dass "Born to be Wild"-Star John Travolta hier nicht nur ins Musicalgenre zurückkehrt, sondern unter einer beinahe unkenntlichen Maske und einem Fettanzug die Mutter der Protagonistin spielt, ist der Musical-Vorlage zugrunde gelegt... dass Travolta dann aber mit so viel überdrehtem Spaß bei der Sache ist, auch wenn seine skurille Maskerade sich mehr als einmal mit der Ernsthaftigkeit der Handlung beißt, ist durchaus erfreutlich. 
Wunderbar agiert auch Altstar Christopher Walken - er und "King of Queens"-Star Jerry Stiller tänzeln sich hier in teils kleinen Auftritten mit so viel Charme und Witz hindurch, dass man ihnen schier an den Lippen hängt. Eine Extrabenotung verdient sich indes auch James Marsden, der in seinen wenigen Auftritten breit grinsend und mit unglaublich viel Spielfreude agiert. Nikki Blonsky, die anschließend keine große Karriere mehr in Hollywood machte, macht ihre Sache indes solide, wirkt aber hin und wieder etwas zu angestrengt, während es Zac Efron kurz nach seinem Durchbruch mit "High School Musical" hier bisweilen auch noch an Ausstrahlung und dem gewissen Etwas mangelt... ein Manko, welches er heute, zwölf Jahre später, mit mehr Erfahrung ausgeglichen hat.

Fazit: Leider trifft Adam Shankman in seiner Musical-Adaption längst nicht immer den richtigen Ton, findet nicht die passende Balance zwischen bunter Komödie und ernsthafter, politischer Message. Immerhin sind die Schauspieler aber mit so viel Spielfreude dabei und das Finale ist ein solcher Augen- und Ohrenschmaus, dass man über gewisse Strecken dennoch Spaß hat.

Note: 3-


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