Christoph Maria Herbst hat sich mit seiner Rolle als Bernd Stromberg in der gleichnamigen Fernseh-Serie, in welcher er als selbstverliebter und schlichtweg grausam penetranter Chef einer Versicherungsabteilung schlichtweg glänzte. Nach fünf Staffeln und einem sehr zufriedenstellenden Kinofilm zum Abschluss war aber auch Sense... Herbst selbst ist als Schauspieler aber immer noch eine Bank und schaffte es darüber hinaus erstaunlicherweise auch noch, sich nicht nur noch auf den gleichen Rollentypus besetzen zu lassen, weiterhin schauspielerische Qualitäten abseits der Fremdscham-Comedy zu zeigen. In "300 Worte Deutsch", einer deutschen Komödie aus dem Jahr 2015, scheint er allerdings tatsächlich wieder unseren Bernd darzustellen, diesmal eben nur mit Haaren. Das macht Spaß, allerdings ist der Film als Ganzes wesentlich weniger originell und kritisch als er es gerne wäre...
300 WORTE DEUTSCH
Cengiz Demirkan (Vedat Erincin) hat als Vorsitzender einer türkischen Gemeinde in Köln mehrere türkische, ledige Frauen einfliegen lassen - sie sollen die alleinstehenden Männer eben dieser Gemeinde heiraten. Dabei hat er die Rechnung jedoch ohne Dr. Ludwig Sarheimer (Christoph Maria Herbst), den Leiter der zuständigen Ausländerbehörde, gemacht. Der ist nämlich überzeugt davon, dass die "Bräute" illegal hier sind und den Sprachtest, den sie zu absolvieren hatten, gefälscht haben oder gar nicht erst angetreten sind. Demirkan ist sich diesen Betrugs bewusst und um eine Abschiebung der Frauen zu verhindern, wendet er sich an seine in Köln aufgewachsene und perfekt Deutsch sprechende Tochter Lale (Pegah Ferydoni). Diese soll die Frauen unterrichten und sich zugleich an den ebenfalls in der Behörde arbeitenden und zugänglicheren Neffen Sarheimers, Marc Rehmann (Christoph Letkowski) heranmachen, um die Testfragen zu erhaschen und die Bürokratie zu überrumpeln...
Ja, ich hatte meinen Spaß mit "300 Worte Deutsch", denn auf einer oberflächlichen Ebene bietet der film jede Menge Herz und Witz. Die Liebesgeschichte ist charmant, das Aufeinandertreffen zweier Kulturen bietet gleich für mehrere Charaktere ein paar nette "Fish out of Water"-Szenarien und die Schauspieler sind durch die Bank weg super aufgelegt. Tatsächlich ist es aber nicht der im Marketing so groß beworbene Christoph Maria Herbst, der hier als echter Scene Stealer agiert (auch wenn er dies mit seinem unverwechselbaren Spiel und treffsicherem Humor durchaus versucht), sondern "Almanya"-Star Vedat Erincin. Der ist als Vorsitzender der türkischen Gemeinde und als Vater der weiblichen Hauptfigur nicht nur die vielschichtigste und herzlichste Figur, sondern hat mit seiner unnachahmlichen Art auch die meisten Gags auf dem Konto, ohne dabei albern oder überzeichnet zu wirken.
Überzeichnet ist der Film leider auf andere Arten, denn obwohl er ständig von Klischees und "Vorurteilen" spricht, gelingt es ihm nicht, diese letztendlich ironisch zu brechen. Gerade in Hinsicht auf die Kulturen, die er uns hier näher bringen will (ganz gleich ob die deutsche oder die türkische) agiert man arg oberflächlich und bricht dabei Konflikte vom Zaun, die definitiv nicht mehr zeitgemäß sind oder es zumindest nicht sein sollten. Dass uns "300 Worte Deutsch" durchaus intelligente und denkende Charaktere vorstellt, die sich in solcherlei Reißbrett-Streitereien ans Leder wollen, lässt die zuvor angestrebte Cleverness des Streifens recht schnell wieder einsinken. Das ist auf gewisse Art und Weise fast schon ärgerlich, sind die Themen, die der Film hier anspricht, doch wichtig und aktuell - leider benutzt das Werk sie nicht zu mehr als zu unoriginellen und angesichts der hohen Anzahl an wichtigen Figuren auch viel zu überhäuften Konflikten.
Definitiv wäre hierbei mehr drin gewesen und auch wenn Klischees durchaus lustig sind und hier mehr als einmal zum Schmunzeln einladen... wenn sie dann auch noch als ernsthafte Dramaturgie genutzt werden, treten sich Komödie und Drama gegenseitig auf die Füße, da sie beide unpassenderweise aus dem gleichen Fluss trinken. Hier wirkt "300 Worte Deutsch" also ungemein unentschlossen und findet nicht den Weg zu einem wirklich ernsthaften Film, der sich trotz Humor mit diesen Themen auseinandersetzt.
Dass der Film darüber hinaus aber Witz und auch Tempo besitzt, ist nicht von der Hand zu weisen. Die anderthalb Stunden vergehen wie im Flug und es macht einfach Spaß, den Darstellern, die allesamt so spielfreudig agieren, bei ihrer Arbeit zuzusehen. Etwas weniger wäre aber auch hier mehr gewesen, denn um all die Figuren und ihre einzelnen Subplots miteinander zu verweben und letztendlich zu einem zufriedenstellenden Abschluss zu bringen, muss sich der Film ganz schön sputen. Das letzte Drittel zeigt dann auch mit einem ziemlich willkürlichen Showdown, dass dies einfach nicht gelungen ist. Als Kulturstunde sollte man also lieber noch einmal "Almanya" einlegen, der mit viel Witz, aber auch mehr glaubwürdiger Ernsthaftigkeit überzeugt. Das hier ist im Vergleich zwar auch lustig und manchmal herzlich... aber eben wirklich nicht mehr und somit wesentlich weniger, als er sein sollte.
Fazit: Witz und Charme hat der Film und die Schauspieler agieren angenehm spielfreudig. Leider benutzt der Film seine Humor-Klischees auch als dramaturgischen Antrieb und rennt somit an Aufklärung und Kulturverbindung vorbei, was einen etwas faden Beigeschmack hinterlässt.
Note: 3-
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