2016 sorgte Regisseur Barry Jenkins mit seinem ersten abendfüllenden Kinofilm "Moonlight" für allerlei Aufsehen. Der Film schnappte sich sogleich den Oscar für den besten Film des Jahres (in einem wahren Academy-Skandal, bei welchem zuvor das Musical "La La Land" fälschlicherweise als Sieger ausgerufen worden war) und noch heute wird über ihn geredet, diskutiert und philosophiert. Ganz so große Kreise zog sein geistiger Nachfolger "Beale Street" Ende 2018 nicht, auch wenn dieser ebenfalls bei den Oscars mitmischte und die Kritiker erneut begeisterte. Im Kino habe ich Jenkins' Drama damals leider verpasst, nun konnte ich ihn über Amazon Video nachholen... und habe mich, obwohl ich verliebt war in seinen einnehmenden Stil, mit diversen Erzählmustern doch etwas schwer getan.
IF BEALE STREET COULD TALK
Harlem, 70er Jahre: Alonzo Hunt (Stephan James), von seinen Nächsten meist nur "Fonny" genannt, lebt gemeinsam mit seiner Freundin Tish (KiKi Layne). Kurz darauf wird er beschuldigt, eine unschuldige Frau sexuell missbraucht zu haben und landet in Untersuchungshaft. Aufgrund des gewaltigen Rassismus im Amerika dieser Zeit befürchten Tish, ihre Familie und Fonnys Eltern, dass ihm kein gerechter Prozess gemacht und die Zeit im Gefängnis für ihn die reinste Qual werden wird. Während Tish von ihrem Freund ein Kind erwartet, setzt sie alles daran, eben diesen aus dem Knast freizupauken und holt sich dafür die Hilfe von Anwälten und Freunden ein... auch hier steht ihr der Rassismus jedoch immer wieder im Weg.
Zu Zeiten der Produktion von "Moonlight" war Barry Jenkins noch ein kleiner Independent-Filmemacher, von dem noch niemand Notiz genommen hatte. Anderthalb Jahre später hatte er den Oscar in der Hand und konnte sich für sein Nachfolgewerk, dem nun ebenfalls große Aufmerksamkeit zuteil werden sollte, ein üppigeres Budget und auch eine namhaftere Starbesetzung sichern. Erneut gab es dafür auch einen Darstelleroscar, der diesmal an "Ray"-Star Regina King ging und somit noch einmal ihre förmlich elektrisierende und entblätternde Performance auszeichnet, die diese hier darbietet - absolut großartig und trotz wenig Screentime absolut meisterhaft gespielt. Jenkins entpuppt sich hier erneut als Regisseur, der seine Schauspieler absolut gekonnt zu führen weiß und mit ihnen persönliche Geschichten erzählt, die vor Herz beinahe zu explodieren drohen... und all das ohne in seltsame Kitschmuster abzudriften.
"Beale Street" bleibt stets menschlich, auch wenn er in einigen überinszenierten Momenten gerade diesen Aspekt zu verlieren droht... und selbst in diesen Aussetzern spielt Jenkins' Liebe zu den Figuren, die er in leisen und fein austarierten Dialogszenen atmet, durchweg. Manch ein Mainstream-Zuschauer mag das als feine Langeweile bezeichnen und es ist auch nicht einfach wegzureden, dass sich die zwei Stunden Laufzeit hin und wieder etwas zäh anfühlen können, wenn man sich nicht auf die eigenwilligen Erzählmuster und die langsamen Plotstrukturen des Films einlassen möchte. Die sind hier dann, obwohl kreativ und angenehm stilsicher, auch das größte Problem, denn Jenkins gelingt hier nicht immer ein rundes Bild aus dramatischem Justiz-Krimi und leiser Liebesgeschichte vor dem Hintergrund wahrer, historischer Fakten.
Beide Plots sind für sich genommen sehr gut, sie bewegen und packen trotz der sehr ruhigen Erzählung und gewichten sich besonders in prägnanten Einzelszenen. Das Gesamtbild als solches bleibt dennoch etwas unstimmig, wenn sich Jenkins in der zweiten Hälfte zu sehr in den verschiedenen Eigenschaften der Vergangenheits- und Gegenwartshandlung verrennt und hin und wieder gar ein wenig den Fokus verliert. Etwas verhängnisvoll ebenfalls, dass er mit den subtilen Mitteln seiner Erzählung bald bricht - die Message, die er hier vermittelt, ist wesentlich elektrisierender und gewichtiger, wenn er sie leise erzählt, so zum Beispiel durch den Fakt, dass die afroamerikanische Gesellschaft sich mit dem lebensgefährdenden Rassismus trotz Kampfeswillen förmlich abfinden und diesen in ihren Alltag integrieren muss.
Da bräuchte es eigentlich keine Szene mehr, in denen die Protagonisten von einem klischeehaften, stierenden Polizisten zu Unrecht drangsaliert wird, denn diese wirkt herausgenommen und für sich schon etwas zu gewollt. Nichts desto trotz gelingt Regisseur Jenkins ein Film, der noch nachwirkt und das weniger durch das, was er erzählt, sondern wie er es tut. Er macht es sich selbst und auch seinen Zuschauern nicht leicht, weswegen ihm diesmal verständlicherweise kein allzu großes Publikum vergönnt war. Wichtig und richtig ist "Beale Street" dennoch, auch wenn er nicht die gleiche Schlagkraft besitzt wie der ebenfalls nicht perfekte, in sich aber stimmigere "Moonlight".
Fazit: Die Erzählmuster, die Barry Jenkins hier anstrebt, sind kreativ und mutig, werden einige Zuschauer durch ihre sperrige Inszenierung jedoch verschrecken. Es ist kein rundes Werk, welches sich nicht immer für eine klare Struktur entscheiden kann, inszenatorisch aber mit viel Ruhe und Liebe zum Detail glänzt.
Note: 3
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