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Vendetta - Alles was ihm blieb war Rache

Eigentlich ist es müßig, auch bezüglich "Vendetta" noch einmal über die streckenweise dummdreiste Benutzung von deutschen Filmtitlen zu schreiben, aber bei diesem Film fällt es wirklich noch einmal auf. Ja, es geht letztendlich auch um eine Form der Rache, aber genau darauf reitet das Werk eigentlich kaum herum und es entsteht durch den vollkommen brachialen Untertitel eben auch die Vermutung, dass es sich hierbei um den dutzendsten Vertreter der B-Action-Ware handelt, die Superstar und Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger früher so gerne und erfolgreich gedreht hat. Als würde Schwarzenegger eigentlich nichts anderes machen als all diese Ballerfilme - und deswegen musste selbst ein Film, der eigentlich ein intensives und sehr ruhiges Drama ist, solch einen deutschen Untertitel erhalten. Darüber mag man streiten, es wird "Vendetta" als Werk aber nicht gerecht, denn der dürfte etliche Zuschauer, die sich auf Arnie mit Wumme im Anschlag gefreut haben, absolut überraschen...

VENDETTA


Während einer fatalen Kollision zweier Flugzeuge über dem nahen Flughafen sterben über zweihundert Menschen. Der Bauarbeiter Roman (Arnold Schwarzenegger) verliert dabei Ehefrau und Tochter und fällt in ein seelisches Loch. Währenddessen macht sich der diensthabende Fluglotse Jacob (Scoot McNairy), der zur Zeit des Unglücks im Tower saß und technische Schwierigkeiten zu umschiffen hatte, schwere Vorwürfe. Von der zivilen Bevölkerung wird er als Mörder beschrieen und die Beziehung zu seiner Frau Christina (Maggie Grace) und dem gemeinsamen Sohn Samuel (Judah Nelson) leidet darunter. Roman beschließt, Nachforschungen zu dem Unglück anzustellen und kommt dabei Jacob, der untergetaucht ist, immer näher...

Angelehnt ist diese Geschichte tatsächlich an wahren Begebenheiten: 2002 starben während einer Flugzeugkollision in Überlingen einundsiebzig Menschen. Auch die Nachwirkungen des Unglücks finden sich in diesem Film wieder, allerdings wurde der Handlungsort in die USA verlegt und auch bezüglich Details gibt es weitreichende Änderungen - man hat sich von den wahren, schockierenden Geschehnissen also tatsächlich mehr oder weniger nur inspirieren lassen. Mit Arnold Schwarzenegger konnte man zudem einen echten Hollywood-Superstar engagieren, den man mit solch einer Thematik erst einmal nicht in Verbindung bringen würde und das brachte wohl auch die Marketing-Chefs vor eine Herausforderung. Denn die wollten "Vendetta" offensichtlich als echten Thriller vermarkten und den Film somit in ein Genre schieben, in welchem er sich gar nicht heimisch fühlt. 
So entsteht durch den deutschen Titel und auch durch den rasant geschnittenen Trailer (der durch schnelle Schnitte und brachiale Lines darüber hinwegtäuschen will, dass es eben keinerlei Action zu sehen gibt) der Eindruck, es würde sich um einen Rache-Thriller handeln... bricht man den Film allerdings darauf herunter, wird man ihm wirklich nicht gerecht. Man kann also schon irgendwie verstehen, dass "Vendetta" bezüglich der Zuschauer-Reviews gar nicht so gut wegkam, da diese von vornherein etwas ganz anderes erwartet haben als das, was der Film letztendlich geworden ist: Ein ruhiges, düsteres und beklemmendes Drama, welches sich weitestgehend mit den Nachwirkungen eines grausamen Unglücks beschäftigt und erzählt, wie Hinterbliebene der Opfer damit umgehen. Hin und wieder trägt Regisseur Elliott Lester dabei auch etwas zu dick auf und gerade die letzte halbe Stunde, in welcher der Film eine Art neuen Drive erfährt, passt nicht so richtig in den Ton. Generell ist es etwas schade, dass "Vendetta" sehr stimmig damit spielt, dass es bei solch einem Unglück keine Täter, sondern ausschließlich Opfer gibt, eben diese Prämisse aber zugunsten einer ziemlich eindeutigen Message aufgibt. 
So richtig will man sich am Ende zwar nicht positionieren, aber die Hand schlägt zu einer Seite aus und das wirkt beinahe etwas fadenscheinig und wird somit auch den weitestgehend gut geschriebenen Figuren nicht gerecht. In diesen positioniert sich auch "Maggie"-Star Arnold Schwarzenegger mehr als solide: Er war nie ein Über-Schauspieler, wie er hier als gealterter und trauernder Familienmensch aber durchweg brodelnd durch die Einöde seines zerstörten Lebens zieht, das ist schon beeindruckend und der ehemalige Gouverneur Kaliforniens zeigt hier auch eine neue, wesentlich gewichtigere Seite seines schauspielerischen Könnens, die über die reine Physis seiner Statur hinausgeht. Da muss sogar "Argo"-Star Scoot McNairy zurückstecken, der seinen Part wesentlich lauter angeht und dabei nicht immer den richtigen Ton trifft. 
Das trifft so dann auch auf den Film zu, der in der ersten Hälfte ein intensives Drama entwirft, welches er später mit viel zu eindeutigen und effekthascherischen Momenten zwar nicht einreißt, aber dennoch unsittlich angreift. Einen schlechten Film sehen wir daher definitiv nicht, aber eben auch einen, der sich etwas zu genau positioniert und der besser damit gefahren wäre, dieses unaufdringliche und ungemein beklemmende Drama weiter fortzusetzen. Denn so bleibt am Ende doch nur gehobener Durchschnitt, wertig inszeniert und mit Mut und Ruhe... aber eben leider nicht rund und zufriedenstellend.

Fazit: In der ersten Hälfte entwirft Elliott Lester ein beklemmendes und stimmiges Drama, düster und erdrückend und mit einem überraschend überzeugenden Arnold Schwarzenegger. Im letzten Drittel entwickelt sich "Vendetta" leider etwas zu effekthascherisch und eindeutig in eine falsche Richtung.

Note: 3





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