Filme sind fast immer auch ein Spiegel des jeweiligen Zeitgeists. Natürlich gilt das nicht für alle Streifen, aber in vielen Filmen aus bestimmten Zeiten merkt man auch einen bestimmten Ton. Beispiele lassen sich etliche nennen, ganz gleich, ob es die Aufbereitung der traumatischen Erfahrungen mit dem Kalten Krieg sind oder, ganz aktuell, das Zusammenmischen von Themen wie dem Flüchtlingszustrom, Terrorismus oder der Sexismusdebatte. Gerade nach dem Elften September ist ein enormer Bruch spürbar - Filme sind somit also immer irgendwie ein Spiegel. In den 90ern begann das Computerzeitalter so richtig und das spürt man bis heute. Die Ängste rund um die totale Vernetzung und ständige Überwachung leben noch heute, erwachten aber so richtig in den 90ern und somit ist auch der Computer-Thriller "Das Netz" eine Geburt seiner Zeit... aber eben leider auch eine recht unausgegorene.
DAS NETZ
Angela Bennett (Sandra Bullock) ist eine Computerexpertin, die zwar als Sicherheitsgenie für die Softwarefirma Cathedral arbeitet, diesen Job aber weitestgehend von zuhause aus durchführt, da sie alleine besser arbeiten kann. Als sie endlich in ihren wohlverdienten Urlaub fliegt, nimmt sie dabei eine Diskette mit, welche ihre Firma ihr zuvor noch zusandte - darauf soll sich ein Virus befinden, den Angela knacken soll. Noch weiß sie nicht, was sie dabei in die Finger bekommen hat und muss wenig später feststellen, dass es ein Objekt von großer Bedrohung ist. Plötzlich sind mehrere schwer bewaffnete Menschen hinter ihr her... und dann wird ihre Identität gelöscht, was es für Angela schier unmöglich macht, noch aus diesem Netz aus Lügen, Mord und Korruption zu entkommen.
Es sind generell sehr spannende Fragen, die "Das Netz" aufwirft - auch wenn sie in diesem Kontext heute nicht mehr so aktuell sind, da die Technik in den vergangenen vierundzwanzig Jahren doch enorme Schritte nach vorne gemacht hat. Der Kern bleibt aber der Gleiche: Wer sind wir, wenn wir alle im Internet sind? Was können Fremde über die Daten, die wir dort hinterlassen, herausfinden? Sind wir gar nur noch Zahlen und Buchstaben im Netz? Natürlich beschäftigt sich der Film mit solcherlei Fragen, über die wir sicherlich alle schon mal nachgedacht haben... er geht aber nicht so tief, wie es nötig gewesen wäre. Nach einem sehr atmosphärischen Einstieg wandelt sich "Das Netz" nämlich recht flott in einen zwar temporeichen, darüber hinaus aber auch ziemlich einfältigen Thriller, der wesentlich weniger ist, als es ein solches Thema verdienen würde.
Wirkliche Antworten liefert der Film nämlich nicht und macht es sich stattdessen im Bereich "Eine Frau gegen den Rest der Welt" bequem. Sicherlich gibt es unspannendere Ausgangssituationen und die One-Woman-Show von Sandra Bullock, die ihre Sache hier mal wieder hervorragend macht (ein Jahr nach "Speed" war ihre Karriere bereits vollkommen angelaufen)... aber eigentlich hätte ich doch etwas mehr erwartet. Besonders, weil "Das Netz" den Zuschauer zuvor schon mit wesentlich gewichtigeren Fässern ködert, die später zwar immer wieder thematisiert werden, aber in dem ziemlich kruden Drehbuch eher versacken. Die Macher rund um Regisseur Irwin Winkler scheinen sich mehr für das hohe Tempo, für Verfolgungsjagden und spektakuläre, aber manchmal auch etwas irrwitzige Wendungen zu interessieren als für eine schlüssige und vielleicht gar gesellschaftskritische Geschichte.
Das führt dazu, dass der Film immer wieder einige sehr spannende Szenen hat und rein inszenatorisch auch sehr sauber ist... aber mehr kommt da eben nicht. Da ärgert man sich schon förmlich über die klischeehaften Nebenfiguren und die bösen Hintermänner, die mit gezückter Waffe alles umnieten, was auch nur Gefahr läuft, ein wenig über ihr finsteres Geheimnis zu erfahren. Ein Geheimnis, welches erst zum Schluss wirklich gelüftet wird und das eben auch in einem "Aha"-Moment, der ziemlich stupide daherkommt. Nein, rund ist "Das Netz" keinesfalls und in vielen Momenten, in denen es richtiggehend auf den funktionierenden Plot ankommt, wackelt das Kartenhaus enorm.
So richtig zusammenbrechen tut es aber dennoch nicht, da Winkler seinen Film inszenatorisch nie aus den Fingern gleiten lässt, "Die Vorahnung"-Star Sandra Bullock zu einer Top-Leistung anspornt und zudem das Tempo stets soweit hochhält, dass man sich definitiv nicht langweilt. Ob einem dies angesichts des wesentlich komplexeren (und hier stark versimpelten) Themas genügt, das ist wohl eine reine Geschmacksfrage. Es gibt jedenfalls wesentlich schlechtere Thriller aus den glorreichen 90ern... aber eben auch bessere, weswegen man sich schon fragt, wieso das hier generell einen so soliden Ruf hat.
Fazit: "Das Netz" ist spannend und wird von einer gehetzten und letztendlich kampfeslustigen Sandra Bullock mit viel Power getragen. Angesichts des topaktuellen Themas könnte das Drehbuch aber schon als Verschaukelei durchgehen, denn der reine Plot hat enorm viele Löcher und versimpelt seinen starken Konflikt auf beinahe lächerliche Art und Weise.
Note: 3-
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