Man kann von Keira Knightleys Filmografie sicherlich nicht sagen, dass sie in irgendeiner Form einseitig ist. Sie konnte sich sowohl für große Blockbuster wie die "Fluch der Karibik"-Reihe oder zuletzt, ebenfalls unter Disney, dem Wintermärchen "Der Nussknacker und die vier Reiche" begeistern, spielte in tragischen Komödien, großen Abenteuerfilmen wie "Everest" oder Thrillern und Krimis. Ihr Herz schien jedoch seit jeher für den Kostümfilm zu schlagen und obwohl ich dem Genre nie wirklich zugetan war, habe ich Knightley darin immer gern gesehen. Sie scheint darin aufzugehen, als würden die aufwendigen Sets, die schweren Kostüme, die zeitgenössische Sprache irgendetwas mit ihrem Spiel anstellen. Im Januar 2019 kam "Colette" in die deutschen Kinos, erneut ein Kostümfilm mit Knightley in der Hauptrolle... und erneut ist es eine Freude, ihr darin zuzusehen.
COLETTE
Paris, Ende des 19. Jahrhunderts: Der Theaterkritiker und Schriftsteller Willy (Dominic West) und seine Ehefrau Colette (Keira Knightley) befinden sich in einer finanziellen Krise - Willy kann die Autoren, die er zum Schreiben eines Romans unter seinem Namen beauftragt hat, nicht bezahlen. Deswegen schlägt er seiner Frau, die vormals seine Briefe schrieb, vor, es mit dem Schreiben zu versuchen... und die stellt sich auf einmal als Naturtalent heraus. Unter Willys Namen veröffentlichen sie den von Colette geschriebenen Liebesroman rund um die fiktive "Claudine", der sogleich ein absoluter Beststeller wird. Willy lässt sich feiern und auch Colette genießt den Ruhm, der eigentlich ihrer ist und nun etappenweise zu ihr herüberschwappt. Mit der Zeit erfasst die Ungerechtigkeit jedoch Besitz von ihr und sie beginnt einen Kampf um Claudine und die Bücher, den sie letztendlich aufgrund Willys eindeutiger Rückschläge zu verlieren droht...
"Colette" ist nicht die Art von Kostümfilm, die sich viele Fans des Genres oder auch von Keira Knightley in gewohnter Manier erhoffen werden. Hier wird nicht geschmachtet, es gibt nicht mal eine wirkliche Liebesgeschichte. Stattdessen wird die Ehe hier hinter den geschlossenen Türen als wahre Farce beschrieben und der Film erzählt wesentlich stärker die Geschichte einer starken Frau, die sich gegen die Widrigkeiten ihrer Zeit durchsetzt - dieser Weg beruht übrigens auf der Lebensgeschichte der wahren Colette, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Paris schrieb und letztendlich zu einer der größten Autorinnen der europäischen Literaturgeschichte aufstieg. Demenstprechend war eine Verfilmung der Lebensabschnitte, die sie berühmt und letztendlich auch berüchtigt machte, lange überfällig... vor allem weil die Thematik auch zur heutigen Zeit, wo MeToo endlich nach oben gekommen ist, wieder Brisanz hat.
Und das ist es dann auch, neben dem feurigen Spiel von "Stolz und Vorurteil"-Star Keira Knightley, was diesen Film über den reinen Kostümschinken heraushebt. Das Genre, welches sonst bekannt ist für gerne ausladende Schmachtereien und wenig aufregende, oft eben auch recht gleich ablaufende Romanzen, findet hier einen Ansatz, der nicht nur für ein älteres Publikum (die ja oft die Zielgruppe darstellen) ansprechend sein dürften. Tatsächlich dürfte sich diese Geschichte auch an junge Frauen richten, die sich doch bitte etwas von dieser gerne aufmüpfigen und stolzen, weitestgehend aber ungemein mutigen und ihrer Zeit vorauslaufenden Autorin abschneiden sollen. Colette war definitiv eine Vordenkerin und obwohl der Film es nicht durchweg schafft, diesem bunten Leben gerecht zu werden, findet er einen stimmigen Ton. Er ist nicht zu plakativ und wagt es hin und wieder auch, seine Titelfigur in Szenen zu zeigen, in denen sie eben nicht alles richtig gemacht hat. Sie wird in dieser Hinsicht also nicht überlebensgroß auf ein Podest gestellt, fungiert aber gerade wegen kleiner Fehler und wegen ihres unerschütterlichen Handelns hervorragend als Identifikationsfigur.
Keira Knightley verleiht dieser jungen Frau, eingesperrt in ihrer Ehe, Kraft und Durchhaltevermögen - ihre Colette ist gerade aufgrund ihrer schnippischen Kommentare so herrlich anders, so viel kraftvoller als andere Figuren des Genres. Man darf hier auch mal herzhaft lachen und im nächsten Moment wieder, auch mal erstaunt, den Konflikt zwischen Mann und Frau begutachten, in dessen Zentrum die Habe um eine fiktive Frauenfigur steht, mit der sich eben richtig viel Geld machen lässt. In seinen besten Momenten ist "Colette" daher regelrecht biestig, ohne aber Gefahr zu laufen, solcherlei Momente zu überzeichnen. Auch ist er für einen Film dieses Genres angenehm aktuell und in seinen erotischen Momenten gar nicht mal so prüde, wie es viele seiner Kollegen sind.
Das hilft im Großen und Ganzen dann zwar nicht, einige Längen auszumerzen und auch den etwas schwerfälligen Beginn der Geschichte hätte man in dieser Hinsicht bereits etwas feuriger gestalten können. Optisch gibt es an dem Film aber selbstredend nichts zu beanstanden - er sieht fantastisch aus, Sets und Kostüme sind eine Pracht für die Augen und Regisseur Wash Westmoreland beweist ein starkes Gespür für Bilder, die im Kopf bleiben. Herausheben muss man auch den wunderbaren Soundtrack von Thomas Ades, der besonders in den flotten Szenenkompositionen, in denen mehrere Momente schnell aufeinanderfolgen, förmlich aufblüht.
Fazit: "Colette" ist kein typischer Kostümfilm, was ihm zum Vorteil gereicht. Er ist spitzzüngig, aktuell, flott und mutig, braucht keine Liebesgeschichte, sondern nur eine starke Hauptfigur, gespielt von einer brillanten Keira Knightley. Einige Längen sowie einen etwas schleppenden ersten Akt muss man aber hinnehmen.
Note: 3+
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