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Flight (2012)

Denzel Washington ist einer dieser Schauspieler, die ich eigentlich immer sehr gerne sehe, der aber auch recht konkret zwischen bärenstarken und schwachen Darstellungen tänzelt. So überzeichnet er hin und wieder, auch in kleineren Dramen, etwas zu sehr, was ihm von vielen Kritikern auch schon desöfteren vorgeworfen wurde. Nichts desto trotz will ich Washingtons Talent keinesfalls kleinreden - was der Mann gerade in grandiosen Performances in "Training Day", "Fences" oder "Philadelphia" abgeliefert hat, ist Schauspielergeschichte. Für den 2012 erschienenen "Flight" war er ebenfalls für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert, unterlag allerdings Daniel Day-Lewis. Hier hätte ich, obwohl Day-Lewis einer der Lichtblicke in dem ansonsten arg trockenen "Lincoln" war, aber tatsächlich lieber Washington gesehen, denn seine Performance in dem auf wahren Vorfällen basierenden Drama ist schlichtweg faszinierend.

FLIGHT


William Whitaker (Denzel Washington) trinkt gern mal ein paar Gläser zu viel, zieht sich diverse Substanzen durch die Nase und verbringt die Nächte mit schönen Frauen in Hotelzimmern. Das wäre alles halb so wild, hätte er nicht einen solch wichtigen Job: Tagtäglich steigt er als Pilot in ein Flugzeug und übernimmt am Steuer des Gefährts die Verantwortung für hunderte Menschenleben. Als er eines Tages betrunken zum Dienst erscheint, passiert ein Unglück an Bord - der Flieger rast gen Boden und nur durch Whitakers Handeln können beinahe alle Menschen gerettet werden. Dennoch bleibt Whitakers Zustand am Tag des Fluges, abgesehen von seiner unglaublichen Heldentat, nicht lange unbekannt und das Gericht stellt sich die Frage, ob das Flugzeug seinetwegen abgestürzt ist... oder es trotz seines Zustandes noch Überlebende zu vermelden gab.

"Flight" hat die schier gewaltige Aufgabe, einen Film um ein unglaubliches Unglück zu stricken, welches aufgrund der realen Geschichte und der Dramaturgie aber eben schon nach rund zwanzig Minuten abgefrühstückt sein muss. Es ist dieser eine Crash, mit schier unmöglichen Manövern und einer ungemein packenden Actionsequenz, die hier das Hauptaugenmerk darstellt und dennoch eben bereits früh erledigt ist... keine leichte Aufgabe also, wenn ein Film anschließend noch über anderthalb Stunden lang weitermachen und packend sein muss, während der Eye Catcher, für den sich sicherlich viele Filmfreunde interessiert und deswegen zu einer Sichtung von "Flight" gegriffen haben, bereits verflogen ist. 
Dieser Flugzeugcrash, den "The Walk"-Regisseur Robert Zemeckis hier in ungemeiner Detailliebe und mit einem schier nervenzerfetztenden Spannungsbogen inszeniert, gehört dann auch zum Eindrucksvollsten, was wir in dieser Klasse bislang im Kino gesehen haben. Nicht nur mit (brillanten) Spezialeffekten, sondern auch mit perfektem Schnitt, minutiös angezogenen Daumenschrauben und hoher, niemals überzeichneter Dramatik gelingt Zemeckis hier ein Actionpiece, dass so dermaßen nervenaufreibend ist, dass man beinahe traurig ist, wenn dieses mit einem Schlag auf dem Feldboden endet und sich anschließend der menschliche, dialoglastige Teil des Films ankündigt. Traurig muss man deswegen aber wirklich nicht sein, denn auch dieser gelingt über weite Strecken ganz ausgezeichnet, auch wenn man mit ein paar kleinen Mankos in diversen Nebenhandlungen leben muss. 
So wirkt die Figur des hier von John Goodman gespielten Dealers doch etwas zu clownesk, auch wenn er die Lacher auf seiner Seite hat, und die Geschichte rund um die drogensüchtige Nicole, gespielt von "Sherlock Holmes"-Star Kelly Reilly, die sich etwas zu fahrig mit der Story rund um Pilot Whitaker verwebt, hat leider auch keinen richtigen Dampf. Darüber hinaus weiß Zemeckis aber mit seinem im Fokus stehenden Gerichtsplot, der sich langsam, später aber um so wirkungsvoller anbahnt, auf ganzer Linie zu überzeugen. Bis zum dramatischen Finale verzichtet man auf sensible Geschichtchen, lässt Washingtons Whitaker sogar immer wieder als gar unsympathischen, ziemlich selbstzerstörerischen Draufgänger auftreten. Das hat hin und wieder, auf etwas morbide und so nicht zu erwartende Art und Weise, gar Humor... vor allem wenn Whitaker auf seinen ihm zugeteilten Anwalt, gespielt von "L.A. Crash"-Star Don Cheadle, trifft. Dieser will seinen Mandanten eigentlich nur aus der Sache rausboxen, doch Whitaker, der so sehr auf sein Recht pocht, geht gegen ihn an, was zu einigen herrlichen Dialogsalven führt. 
In den Zwischentönen verhapert man sich indes hin und wieder, hätte an einigen Stellen auch noch etwas kürzen können - "Flight" hätte gerade im Mittelteil etwas Zug gebrauchen können und eine Laufzeit jenseits der zwei Stunden war hier sicherlich nicht nötig. Und trotzdem langweilt man sich angesichts der brillanten Performance des Hauptdarstellers, der hier alle Stricke zieht, zu keiner Sekunde, kann eine hervorragende Actionsequenz, leisen Humor und schließlich ein emotional treffsicheres Finale genießen. Das ist nicht perfekt, aber sehr unterhaltsam und spannend... und dementsprechend nah dran an einem Volltreffer.

Fazit: "Flight" glänzt durch einen hochspannenden Auftakt und macht dann, auf menschlicher Ebene getaktet, noch sehr gut weiter. In einigen Zwischentönen verhebt der Film sich etwas, darüber hinaus wissen ein hervorragender Hauptdarsteller und eine sensible Note ohne Heldenkitsch aber durchaus zu überzeugen.

Note: 2-






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