Ganz so erfolgsverwöhnt kann Michael Bay nicht mehr sein, denn sein letzter Mega-Hit ist bereits fünf Jahre her. Die nachfolgenden "13 Hours" und "Transformers 5" kratzten nah an finanziellen Flops und zeigten, dass das Massenpublikum eben doch nicht in jeden Blockbuster strömt, nur weil Bay hier gewohnt alles in die Luft sprengt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Nun landet Bays nächster Actionfilm also direkt beim Streaming-Giganten Netflix und der hat nur wenige Wochen nach dem Mafia-Thriller "The Irishman" schon wieder ein dickes Pferd gesattelt: 150 Millionen Dollar verschlang die Produktion des Actioners "6 Underground" und gehört so zu den teuersten Eigenproduktionen des Streaming-Dienstes. Und das Budget ist dann auch durchweg auf dem Bildschirm zu sehen, was aber für Bay-Filme ja schon lange kein Qualitätsmerkmal mehr darstellt...
6 UNDERGROUND
Sie enthalten sich ihre Namen und sämtliche persönlichen Daten vor, um sich bloß nicht anzunähern oder irgendwelche Gefühle zueinander zu entwickeln: Eins (Ryan Reynolds) ist der Anführer einer supergeheimen Spezialeinheit namens "6 Underground", die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Bösesten der Bösen aufzutreiben und dingfest zu machen... selbstverständlich mit Waffengewalt. Die erste große Mission in Italien geht aber gehörig schief und endet mit dem Tod eines Mitglieds, weswegen Eins die Weichen anders stellt. Um die weiteren Ziele auszuschalten, werden die Pläne konkretisiert und mit Sieben (Corey Hawkins) ein neuer Teammember wilkommen geheißen. Zu sechst machen sie sich daran, einen finsteren Büromagnaten aus seinem Tower zu schleusen und ihn der Gerechtigkeit des hungernden Volkes nachzuführen...
Worum es in einem Bay-Film geht, ist zumeist recht egal und dieser Gewohnheit fröhnt der "Bad Boys"-Regisseur auch heute noch. Fans, die also auch sein aktuelles Werk noch immer abfeiern (warum auch immer), kommen hier durchweg auf ihre Kosten, denn alles, was man von einem neuen Actionfilm aus seiner Feder erwartet, ist drin. Bay inszenierte erneut ein hochstilisiertes, temporeiches, pubertäres und plottechnisch vollkommen absurdes Werk, welches einzig und allein über seine Actionszenen definiert werden wird - wer hier nur eine Sekunde über dieses Klappergerüst an Schwachsinnshandlung nachdenken sollte, bekommt ohnehin gleich die Quittung. Und Action, das kann der Herr Bay tatsächlich immer noch: Sein Film sieht, von einigen ziemlich vermurksten Schnitten mal abgesehen, hervorragend aus und die drei zentralen Mega-Action-Setpieces hat er gewohnt gut im Griff.
Im Gegensatz zu seinen beiden letzten "Transformers"-Filmen geht hier auf dem menschlicheren Rahmen auch die Übersicht nicht flöten und er übertreibt es im direkten Vergleich zumindest nicht ganz so extrem in Sachen Zerstörungswut. Das heißt nicht, dass hier nicht eine Menge kaputtgehen würde und besonders im großen Finale dreht Bay dann noch einmal so richtig auf, aber insgesamt beläuft sich der Schaden doch auf einen kleineren Rahmen. Spektakulär ist das durchweg und einzelne Szenen, in denen sich zum Beispiel ein beladener Stahlträger auf die fahrenden Autos auf der Straße ergießt, verdienen zumindest in ihrer inszenatorischen Wucht durchaus mal Szenenapplaus. In anderen Momenten übertreibt es Bay wie gewohnt mit seinen konstanten Superzeitlupen, die er auch für skurill-blutige Momente nutzt - da muss jeder selbst entscheiden, ob er diese Art von "Humor" teilt.
Keinerlei Diskussion gibt es allerdings in einer Art der Menschenverachtung, die Bay bereits seit "Bad Boys 2" innehat und wo er selbst das Überfahren eines unschuldigen Zivilisten von Heldenseite aus noch zu einem Gaga-Witzchen verklärt. Aber auch das kennen wir von seiner Seite, zumindest abseits der absoluten PG-13-Mainstream-Werke und dementsprechend zuckt man hier zumindest nur kurz, wenn es anschließend wieder ans Zerstören von Bauwerken und Autos geht. Wie gewohnt hängt der hauchdünne Plot im Mittelteil auch wieder durch, wenn Bay unnötig verästelt seine Protagonisten auf verschiedene Standpunkte bringen will, bevor er dann endlich wieder hochexplosiv zur Sache schreitet.
Und wie gewohnt wird es auch mal wieder regelrecht peinlich, wenn der Regisseur versucht, seiner bunten Truppe irgendwelche charakteristischen Tiefen auf den Leib zu schneidern - man kann sich aber zumeist drauf verlassen, dass er diese pathetische Schwurbelei schnell wieder mit dem nächsten Sexwitzchen bricht. Insgesamt fühlt sich "6 Underground" so recht flott an und taugt durchaus für einen müden Abend auf der heimischen Couch. Optisch gibt es wenig zu bemängeln und den Bay schon immer anhaftenden Sexismus und die Gewaltverherrlichung mag man ihm noch immer vorwerfen. Darüber hinaus macht der Film hin und wieder Spaß, übersättigt recht schnell und hat ansonsten gegenüber dem Genre-Standard weniger zu bieten als gehofft. War okay. Mehr nicht.
Fazit: Ein Bay-Streifen, wie er im Buche steht. Action ohne Ende, mit kleineren Hängern im Mittelteil, farblosen Charakteren, einer absolut nichtigen Handlung, viel Gewalt und pubertären Witzchen. Fans kommen auf ihre Kosten, die Gegner erhalten ein neues Hassobjekt.
Note: 3-
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