Bei einigen Filmen weiß man vorab einfach, dass sie gut werden. Man hat irgendwie einfach ein gutes Gefühl, spürt förmlich, dass man zwei Stunden lang sehr gut unterhalten werden wird, sobald man sich für diese eine, bestimmte Sichtung entscheidet. Natürlich kann einen ein solches Gefühl auch trügen: Ich habe in den Jahren, seit ich zum Filmfan wurde, bereits etliche Streifen gesehen, an die ich hohe Erwartungen hegte und die mich dann dennoch haltlos enttäuschten. Aber wie gesagt, manchmal hat man eben einfach so ein Gefühl und das mus dann weder an einem überzeugenden Trailer oder einer spannenden Ausgangssituation liegen. So ging es mir auch bei Sydney Pollacks "Die Dolmetscherin": Ich wusste kaum, um was es dabei ging, nur, in welchem Genre sich der Film verankern würde. Ich wusste, wer die beiden Hauptrollen bekleidet, aber hatte keinen Trailer gesehen. Und dennoch ahnte ich, dass mir der Film liegen würde. Und tatsächlich tat er das auch.
DIE DOLMETSCHERIN
Silvia Broome (Nicole Kidman) arbeitet als Dolmetscherin und hört im großen Sitzungssaal, als alle Menschen anscheinend bereits gegangen sind, in ihrer Kabine zufällig ein Gespräch von zwei unbekannten Männern mit an. Dabei schnappt sie die Information auf, dass Edmond Zuwanie (Earl Cameron), umstrittener Staatschef des südafrikanischen Matobo, ermordet werden soll, wenn er in wenigen Tagen seine Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen halten soll. Da Silvia von den Hintermännern gesehen wird, flüchtet sie zur Polizei und die kontaktieren den Geheimdienst in Form von Tobin Keller (Sean Penn) und seiner Partnerin Dot Woods (Catherine Keener), die sich um den Personenschutz von bedrohten Politikern kümmern. Keller will Broome nicht so recht glauben, forscht aber dennoch nach... und entdeckt schon bald, dass ein gigantischer Rattenschwanz an dieser so undurchsichtigen Geschichte hängt.
In einer kleinen, aber feinen Szene wird Agent Tobin Keller von seinem Vorgesetzten gefragt, ob diese Dolmetscherin, von der plötzlich alle sprechen, schwarz oder weiß sei. Keller missversteht die Frage und denkt, ihm würde ein Kaffee angeboten, weswegen er mit einem einfachen "Nein, danke" antwortet, bevor sein Chef ihn aufklärt. Eine wunderbar schnippische Szene, beinahe nebenbei inszeniert, in welcher der großartige Sydney Pollack einen kleinen, politischen Hau einbaut und Hautfarben für nichtig erklärt. Dieses Thema wird er in den folgenden zwei Stunden noch öfters ansprechen und eben diesen wie auch andere Konflikte oftmals mit diesen kleinen Spitzen versehen, die viele Zuschauer wahrscheinlich gar nicht als Stellungnahme ansehen werden, da sie sie überhören oder als reinen "Dialogballast" bemerken werden. Und genau solcherlei Spitzfindigkeiten in einer ohnehin sehr politisch motivierten Handlung machen aus "Die Dolmetscherin" weit mehr als nur einen Thriller.
Das ist etwas, was man von Sydney Pollack, Regisseur solch klassischer Filme wie "Die Firma" oder "Die drei Tage des Condor" durchaus erwarten durfte und der zeigt hier wenige Jahre vor seinem Tod im Jahr 2008 noch einmal, was er kann. Es ist der letzte abendfüllende Kinofilm, den Pollack als Regisseur inszenierte und er wird definitiv in Erinnerung bleiben: Pollack inszeniert mit ungemein cleveren, dynamischen und temporeichen Spannungsspitzen und bringt uns so besonders eine Observationsszene in einem Bus, bei der wir vor lauter Intensität förmlich im Sitz versinken. Er nimmt aber auch immer wieder gekonnt das Tempo raus, wird beinahe positiv-altmodisch, wenn er "Die Dolmetscherin" über den Fokus des (vielleicht) geplanten Mordattentats heraus als Charakterdrama, Politdiskussion und Gesellschaftskritik inszeniert.
Sicher, die politisch motivierten Nebenstränge hätte er vielleicht noch etwas kräftiger ausarbeiten können, denn gerade gegen Ende bleibt davon nicht mehr viel übrig. Und auch die persönlichen Dramen seiner Hauptfiguren sind zwar an und für sich sehr packend, oftmals schreibt sich Pollack solcherlei Zusammenhänge aber auch etwas zu dürftig aneinander - gerade die Ausgangssituation, dass ausgerechnet eben die Dolmetscherin, die die gesprochene Sprache versteht, ein solches Gespräch zufällig mit anhört, ist schon recht weit hergeholt. Angesichts der spannenden und durchdachten Handlung, die im weiteren Verlauf immer vertrackter wird und immer wieder interessante, aber nur selten zu effekthascherische Wendungen aus dem Hut zaubert, nimmt man solcherlei Fehltritte aber absolut in Kauf und erlebt somit einen Film, der über zwei Stunden hinweg packt, aufrüttelt und trotz kleinerer Mankos im Bereich Subplots wirklich bewegt.
Bewegend kann man dabei auch die Leistungen der Schauspieler benennen: Nicole Kidman und "Mystic River"-Star Sean Penn brillieren ja fast immer, hier zeigen sie aber vor allem in ihren gemeinsamen Szenen, was sie können. Die Dialogszenen zwischen Penn und Kidman sind dabei nicht nur fantastisch gespielt, sondern auch absolut grandios geschrieben und gehen weit über das hinaus, was uns das Genre sonst so präsentiert. Eine Extrabetonung verdient sich auch "Sicario"-Star Catherine Keener, der man die getriebene Agentin eben deswegen so leichtfertig abkauft, weil sie, obwohl ihr der Plot weniger zu tun gibt, selbst in kleinsten Gesten einfach so aussieht und sich so verhält, wie es eine solche Agentin wohl tun würde - sie ist auch abseits ihrer Leistung also ohnehin schon eine Idealbesetzung, für die man nur applaudieren kann.
Fazit: In Sachen politischer Relevanz und seinen manchmal etwas zu engstirnigen Charakterdramen ist "Die Dolmetscherin" hin und wieder etwas zu effekthascherisch. Dennoch ist Sydney Pollacks letzter Film ein enorm spannender, wendungsreicher, cleverer und hervorragend gespielter Thriller, der packt, bewegt und uns nachdenklich stimmen kann.
Note: 2-
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