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Knives Out - Mord ist Familiensache

Das Filmjahr 2019 endete durchaus etwas lapidar - "Cats" floppte an den Kinokassen international vollständig und kostete Universal etliche Millionen. Und rein qualitativ wussten die beiden als Über-Blockbuster positionierten "Jumanji: The Next Level" und "Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers" auch nicht zu überzeugen, gerade letzterer spaltete die große Fangemeinde bezüglich seines mutlosen und unkreativen Schlussaktes deutlich. Dafür beginnt das deutsche Kinojahr 2020 und somit auch die neue Kinodekade mit einem echten Highlight - Rian Johnsons Krimi-Thriller "Knives Out" ist nicht nur ein finanzieller Überraschungshit, sondern auch ein ungemein spaßiger und cleverer Ritt durch die modernen Klischees des Genres.

KNIVES OUT


Direkt am Morgen nach seinem 85. Geburtstag wird der berühmte Schriftsteller Harlan Thrombey (Christopher Plummer) in seinem Büro tot aufgefunden. Die Polizei holt sich die Unterstützung von dem auf mysteriösen Umwegen eingeschalteten Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig), der die einzelnen Familienmitglieder, die am vergangenen Abend anwesend waren, ganz genau unter die Lupe nimmt, darunter Harlans Tochter Linda (Jamie Lee Curtis), deren Sohn Ransom (Chris Evans) und Lindas Mann Richard (Don Johnson). Ein besonderes Auge wirft Blanc auch auf Harlans persönliche Assistentin und Krankenschwester Marta (Ana de Armas), welcher er als einzige ein wasserdichtes Alibi bescheinigen kann... doch wie sicher ist dieses Alibi wirklich?

Rian Johnsons Name ist nicht ernsthaft befleckt worden - wer das erwartet hat, weil er eben mit der achten "Star Wars"-Episode die Hardcore-Fans aufgeregt hat, der hat aber wohl auch vergessen, was der Mann zuvor mit "Looper" abgeliefert hat. Und erneut lässt er sich nun auch nicht auf ein Genre festlegen, rennt von der düsteren Sci-Fi-Version, hin zum Weltraum-Blockbuster... und nun in eine süffisante, clevere und ziemlich morbide Krimi-Komödie. "Knives Out" nahm mit seinem geringen Budget nun beinahe 300 Millionen Dollar an den Kinokassen ein und dank der Mundpropaganda, die fast durchgehend mehr als positiv ist, dürfte da auch noch einiges dazukommen. Diesen finanziellen Erfolg, der eventuell auch eine Fortsetzung begünstigen könnte, hat sich der Film aber auch redlich verdient, denn trotz einiger kleiner Schwächen unterhält er absolut großartig.
Zum einen ist das der Verdienst des Drehbuchs, welches Johnson ebenfalls selbst schrieb: Es ist clever und vertrackt und hat etliche Wendungen zu bieten, die den Zuschauer immer wieder in eine neue Richtung schieben. Mehr als einmal denkt man, man hätte das Geheimnis um all die Geschehnisse in dieser blutigen Nacht (tatsächlich geht es bald längst nicht mehr nur um einen Mord), doch das Skript schlägt uns ein Schnippchen. Das geschieht dann nicht auf überkomplexe, verworrene Art, sondern ergibt in seiner durchdachten Klugheit, obwohl am Ende tatsächlich sehr viel Schlag auf Schlag passiert und die unvermeidlichen Erklär-Bär-Szenen etwas müde wirken, absolut Sinn. Johnson gelingt es hier, die skurille Komik, welche die einzelnen Familienmitglieder mitbringen, in einen vertrackten, spannenden und gar nicht mal so dummen Plot zu verweben, der zu gleichen Teilen Thriller, Komödie und Familiendrama ist - Genres, die sich eigentlich gegenseitig auf die Füße treten müssten, dies dank der zielsicheren Charakterisierung aber nicht tun.
Etwas schwerfällig, aber ebenfalls durchaus sinnig, ist nur das erste Viertel dieses mit 130 Minuten gar nicht mal so kurzen Films. Zu Beginn tut man sich noch etwas schwer damit, die einzelnen Figuren und ihre Manirismen in kurzer Schlagabgfolge kennenzulernen und auch die ersten Hinweise, wer denn nun der Täter gewesen sein könnte, wirken hier noch etwas bemüht. Doch auch dies könnte clevere Kalkül sein, denn natürlich weiß Johnson um die Sinnigkeit falscher Fährten und dass er das Publikum zu Beginn dann auch mal auf solche führt, ist klar. Solcherlei Schwächen gleicht er mit sympathischem Humor und einigen wunderbaren Aufnahmen des alten Hauses wieder auf - inszenatorisch hat er sein dialoglastiges Werk also voll im Griff. Im Mittelteil, nach einer einschlagenden Wendung, die es so richtig in sich hat, verliert "Knives Out" erneut kurz seinen Fokus und für kurze Zeit weiß man als Zuschauer nicht mehr, wo es noch hingehen soll, doch ist dieser Durchhänger nicht von langer Verweildauer. Bis zum packenden und grandios durchkomponierten Finale hat sich der Film längst wieder gefangen.
Darstellerisch ist es vor allem die Show von Daniel "Bond" Craig, der hier so süffisant und selbstironisch auftritt, dass man förmlich an seinen kräuselnden Lippen hängt - ganz große, vermehrt stille Comedy-Kunst. Neben ihm wissen besonders Ana de Almas in der Rolle, die den Zuschauer bei der Hand nehmen soll, und besonders "Captain America"-Star Chris Evans zu überzeugen. Wie letzterer sich hier, ganz anders als der strahlende Held mit Schild und Pathos, fluchend und morbide grinsend einen kleinen Wolf spielt, ohne dabei zu überdrehen, das muss man schlicht und einfach gesehen haben. Grandios auch der Kurzauftritt von "Star Wars"-Legende Frank Oz, der hier in einer kleinen, aber feinen Rolle als Anwalt der Familie für herrliche Wortwitze sorgt.

Fazit: "Knives Out" hat zwar hin und wieder seine Hänger, ist darüber hinaus aber ein ungemein cleverer, witziger und perfekt austarierter Thriller im Stil von Agatha Christie. Herrlich starbesetzt, stark inszeniert und grandios geschrieben. Ein echtes Highlight zum Beginn der neuen Kinodekade.

Note: 2




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