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Legenden der Leidenschaft

Brad Pitt galt in den 90er-Jahren, ähnlich wie der durch "Titanic" zum absoluten Megastar erhobene Leonardo DiCaprio, als Frauenschwarm Hollywoods und wurde durchweg vom Kreischen verzauberter Mädchen begleitet. Schaut man sich Pitts Biografie aber mal rückblickend genauer an, stellt man fest, dass er diesem Teenie-Image schon früh entfliehen wollte - auf jedes "Rendezvous mit Joe Black" oder eben "Legenden der Leidenschaft" folgte gefühlt mindestens ein düsterer Part in mutigen Streifen wie "Fight Club" oder "Sieben". So etablierte sich Pitt auch über romantische Dramen hinaus als gefestigter Charakterdarsteller... und das ist er bis heute geblieben. Der Rückblick auf seine Schnulzenzeit tut hin und wieder aber weh und gilt auch für das 1994 erschienene Drama von Regisseur Edward Zwick.

LEGENDEN DER LEIDENSCHAFT


Die drei Brüder Tristan (Brad Pitt), Alfred (Aidan Quinn) und Samuel Ludlow (Henry Thomas) leben gemeinsam mit ihrem Vater William (Anthony Hopkins) auf einer Ranch in Montana. Der jüngste Samuel hat soeben seine Verlobte Susannah Fincannon (Julia Ormond) mitgebracht, damit sie in die Familie eingegliedert wird - diese scheint sich jedoch ein wenig im Charme des raubeinigen Tristan zu verfangen. Zu dieser Zeit steht der Erste Weltkrieg kurz vor dem Ausbruch und Samuel ist Feuer und Flamme, ebenfalls in den Kampf zu ziehen. Als er gemeinsam mit seinen Brüdern loszieht, bleibt Julia sorgenerfüllt mit William zurück. Nach einem Schicksalsschlag ist die Familie zerrüttet und die Gefühle der Männer und Julia liegen blank...

Einen Oscar gabs in diesem hart umkämpften Jahr (als unter anderem spannende Klassiker wie "Pulp Fiction", "Forrest Gump" und "Der König der Löwen" gegeneinander antraten) für Edward Zwicks tränenlastiges Kriegsdrama für die beste Kamera. Und Tatsache: Der Film sieht wirklich sehr hübsch aus, ist wertig gefilmt und kann besonders in den eindringlichen Kriegsszenen stets den Überblick bewahren. Im direkten Vergleich hätte ich einen der anderen Filme, vielleicht "Die Verurteilten", lieber gesehen, aber fünfundzwanzig Jahre später über diese Oscarverleihung so diskutieren, ist vielleicht auch etwas müßig. Darüber hinaus hätte ein Film wie dieser bei einer solchen Veranstaltung nämlich weniger zu suchen, da er schlicht und einfach viel zu sanft und vorhersehbar anmutet. Bis auf eine so recht schockierende Wendung im letzten Drittel, die das Figurenquartett nicht unbedingt spannend, aber doch noch einmal mit neuem Schwung umwirft, kann man jegliche Szene im Grunde geistig schon abhaken, wenn sie gerade beginnt. 
Edward Zwick inszeniert ein wenig nach Lehrbuch und kann der pompösen Liebesgeschichte, die sich hier als reines Epos entpuppen will, keine echte Dringlichkeit abringen. Im Kern steht eine Frau zwischen drei Männern, wobei zumindest die Gefühle seitens zweien von ihnen eigentlich nur auf der Behauptungsebene funktionieren. Die leisen Töne werden dabei ignoriert, stattdessen werden zum dramatischen Soundtrack von "Sie nennen ihn Radio"-Komponist James Horner schmachtende, tragische Blicke ausgetauscht, Tränen werden vergossen, es wird gebrüllt und gebalzt. Klar, das sieht alles top aus und Brad Pitt agiert, auch wenn er hin und wieder etwas überfordert wirkt, durchaus solide und mit massig Charme. 
Aber es ist eben auch ein wenig redundant, wenn hier ohne echte Glaubwürdigkeit und ohne die Chance auf eine tiefere, finstere Charakterpsychologie einfach nur Bäumchen-wechsel-dich gespielt wird. Und in dieser Form also eigentlich nicht mehr als ein zu einem Kriegsdrama aufgeblasenes Episödchen a la "Traumschiff" und wirkt daher auch durchweg ziemlich soapig. Da können sich junge Frauen nicht entscheiden, welchen Mann sie nun wollen, kämpfen mit Schuldgefühlen, ihren eigenen Empfindungen, Lust, Liebe... und all das übrigens ebenfalls nur auf der Behauptungsebene, weswegen das Skript den Schauspielern solcherlei ekstatische Verwirrungen eben einfach in den Mund gelegt. Und wenn es dann ausgesprochen wird, wird das schon irgendwie stimmen. 
Zu Tränen rühren tut dieser Film, auch wenn das ganz offensichtlich fast durchgehend sein Ziel ist, jedenfalls nicht, denn dafür agiert er viel zu kalkuliert, zu simpel. Dass es dennoch immer wieder spannende Ansätze gibt, ist nicht von der Hand zu weisen. So zum Beispiel der Moment, als sich eine der Hauptfiguren mit einigen Geschäftsmännern anlegt. Das wirkt zwar ebenfalls wie wirr hinzugeschrieben, hat aber zumindest eine gewisse Art der Spannung. Oder einzelne Szenen, die wunderbar komponiert sind und sich mit aufregenden Naturaufnahmen verbinden. Man hat also schon was zu Gucken, es ist aber die Frage, ob man diese einzelnen Komponenten, die sich selten zu einem stimmigen Ganzen verbinden, denn spannend genug findet, um die furchtbar schlecht geschriebene Lovestory zu ertragen.

Fazit: Kitschige Liebesgeschichte vor dem Hintergrund eines vorhersehbaren Kriegsdramas, welches durch eindrückliche Bilder und einen charmanten Brad Pitt gewinnt, darüber hinaus aber ebenso zahm wie oberflächlich abläuft.

Note: 4+




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