Direkt zum Hauptbereich

Anatomie

Die junge Medizinstudentin Paula (Franka Potente) belegt im Sommer einen angesehenen Anatomiekurs bei dem bekannten Arzt Professor Grombek (Traugott Buhre) in Heidelberg. Mit dieser Chance will Paula eine große Karriere anstreben und aus dem Schatten ihres Vaters (Rüdiger Vogler) treten, dessen festgefahrene Arbeit in einer Hausarztpraxis von ihr als Verschwendung angesehen wird. Schon früh ist Paula von den grenzwertigen Methoden der Mediziner in der Universität in Heidelberg erschrocken und macht sich mit eigenen Untersuchungen an einer Leiche keine Freude. Bald kommt sie auf die Idee, dass die dortigen Ärzte bewusst Grenzen überschreiten und womöglich nicht einmal vor Mord zurückschrecken, um ihre medizinischen Fortschritte zu erlangen. Als Paula versteht, was wirklich gespielt wird, scheint es jedoch bereits zu spät zu sein...

"Anatomie", der im Jahr 2000 als der erste wirklich seriöse Horrorfilm aus deutschen Landen beworben wurde, stellt im Prinzip ein paar sehr intelligente und diskussionswürdige Fragen. Wie weit darf die Medizin gehen bei der Jagd auf das Ziel nach Fortschritt - dürfen einige wenige dafür gar geopfert werden, um in den nächsten Jahren mit neuen Verständnissen tausende zu retten? Auch gelingt "Cold Blood"-Regisseur Stefan Ruzowitzky in der ersten Hälfte seines Films eine spannende Atmosphäre, die von einigen saftigen Schockern und einzelnen spannenden Szenen getragen wird. Das Mysterium innerhalb der trostlosen Mauern der Heidelberger Universität lädt zum Mitdenken ein und Ruzowitzky erschafft schon früh ein permanentes Gefühl der Bedrohung. Dieses steht leider im herben Kontrast zu einer sinnigen Charakterisierung seiner Figuren: Die Universität ist von snobistischen und dauergeilen Unsympathen bewohnt, an die man sich nicht festklammern mag und auch die namhaften Schauspieler überzeugen in ihren Rollen nur selten. Gerade Franka Potente zeigt sich bisweilen so unbeeindruckt von dem kranken Schrecken, der alsbald auf sie lauert, dass man sich fragt, ob sie diesen nicht glaubwürdig transportieren konnte oder ob das Drehbuch sie einfach nicht gelassen hat.
Dieses wird nämlich immer schlechter je weiter der Film voranschreitet. Dass sich "Anatomie" alsbald von seinen unbequemen Fragen abwendet und diese absolut überzeichnet "beantwortet", um sich in der zweiten Hälfte in einen ziemlich stupiden Psycho-Slasher zu verwandeln, kann man dem Werk noch ansatzweise verzeihen - schließlich sollte auch ein Mainstream-Publikum angelockt werden, welches kaum zufrieden ist, wenn die zuvor eingeführten Protagonisten nicht doch noch einer nach dem anderen weggeschlitzt werden. Viel schwerer wiegt die Tatsache, dass sich diese finsteren Hintergründe, mit deren Auflösung sich Paula zu Beginn noch auf spannender Ebene beschäftigt, als absolut gaga herausstellen. Auf unfreiwillig komischer Ebene verbindet sich die Auflösung der wahren Hintergründe mit einem Psycho-Trip, bei dem weder der Darsteller des letztendlichen Antagonisten (der hier natürlich nicht verraten wird) noch der zu diesem Zeitpunkt bereits völlig zu Bruch gegangene Thriller-Plot noch irgendwie überzeugen kann. 
Auf der Haben-Seite stehen einige Schockerszenen, die man in einem deutschen Film wie diesem, mit moderatem Budget, nicht erwartet hätte. Tatsächlich werden die einzelnen Slasher- und Obduktionsszenen mit aller Detailfreude ausgespielt und die Macher finden immer neue Ideen, um den armen Schweinen auf dem Seziertisch noch eine weitere Qual anzulasten. Das ist grafisch, findet aber auch immer wieder Suspense-Momente, die einen mitfiebern lassen. Diese Spannung kann bis zum völlig aus dem Ruder gelaufenen Finale, welches nach bester Slasher-Tradition gleich alle US-Klischees aufbietet, die einem zu diesem Genre einfallen, aufbietet, nicht gehalten werden. Obwohl sich auch hier Ideen finden, die dem Splatterfan eindeutig gefallen dürften, ist der Plot bereits auf so abgedrehte und löchrige Art und Weise zersplintert, dass man lieber lacht als noch zu versuchen, davon irgendwie gepackt zu werden. Ein wirklicher Spannungsaufbau ist aber auch hier kaum noch möglich, da sämtliche Akteure (sowohl die Fieslinge als auch die "Sympathieträger") in jedweder Situation vollkommen bescheuert handeln, sich mit den einfallslosesten Tricks aufs Glatteis führen lassen und immer wieder ins offene Messer laufen, obwohl sie es besser wissen müssten. In einem Standard-Slasher gehört sowas irgendwie dazu... "Anatomie" wollte jedoch intelligenter sein, weswegen solche Ausfälle umso ärgerlicher sind.

Fazit: Zu Beginn erschafft dieser deutsche Horror-Thriller noch eine aufregende Atmosphäre, mixt kranke Ideen und einen Hauch Mystery mit unbequemen Fragen. Später gerät der Plot jedoch so aus dem Ruder, dass der Wandel zum unoriginellen und löchrigen Standard-Slasher noch das geringste Problem darstellt.

Note: 4+





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Der große Crash - Margin Call

Es gehört schon einiges an Talent dazu, einen Film über eine Schar Anzugträger, die in dialoglastiger Manier das eventuelle, schockierende Ende ihrer Firma aufdecken. Wenn man es falsch angeht, könnte der Stoff arg trocken werden, mal ganz davon abgesehen, dass der Otto-Normal-Zuschauer mit den finanziellen Zusammenbrüchen und all den Zahlen nicht unbedingt umgehen kann. Eine Riege großer Stars kann da schon helfen, die Zuschauer anzulocken, so beweist es zumindest der angenehm ruhige Thriller "Margin Call"... DER GROSSE CRASH - MARGIN CALL Kurz vor der Finanzkrise 2007: In der Wertpapierhandelsabteilung einer großen New Yorker Bank werden etliche Mitarbeiter entlassen, unter ihnen ist auch Risikomanager Eric Dale (Stanley Tucci), der zuvor jedoch noch eine schockierende Entdeckung macht. Seine Arbeit hinterlässt er dem übriggebliebenen Mitarbeiter Peter Sullivan (Zachary Quinto), der die Zahlen überprüft... und dadurch entdeckt, dass der ganze Konzern auf wackligen Fü...

Eraser

Arnold Schwarzenegger, wohl neben Sylvester Stallone die Action-Ikone der 80er und 90er Jahre schlechthin, ist endlich zurück. Nachdem er sein Amt als Gouverneur von Kalifornien niedergelegt hat, dürfen wir ihn seit einiger Zeit endlich wieder in genügend rauen, spaßigen Actionfilmen wiedersehen. Auch wenn in der heutigen Zeit ganz klar Statham, Diesel und Co. die Actionhelden sind, macht es aber dennoch Spaß, den "Terminator"-Star wiederzusehen. Und natürlich auch seine vergangenen Filme, von denen ich bislang kaum einen gesehen habe und die ich nun mal nachholen möchte. Angefangen habe ich nun mit "Eraser" aus dem Jahr 1996... ERASER US-Marshall John Kruger (Arnold Schwarzenegger) arbeitet in einer geheimen Vereinigung der USA im Zeugenschutzprogramm. Darin beschützt er die Leben von Kronzeugen, welche vor Gericht Aussagen tätigen sollen und verschafft ihnen eine neue Identität, um sie vor dem Tod zu bewahren. Sein neuester Job ist eine junge Mitarbeiterin bei...