Direkt zum Hauptbereich

Feuer im Kopf

Susannah Cahalan (Chloe Grace Moretz) ist einundzwanzig Jahre alt und führt das Leben ihrer Träume. Sie hat einen spannenden Job als Journalistin bei der New York Post, ihre Beziehung zu dem Musiker Stephen (Thomas Mann) funktioniert und auch mit ihrer Familie und ihren Kollegen kommt sie gut klar. Eines Tages beginnt Susannah sich jedoch plötzlich schwummrig zu fühlen, es folgen Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, ein Taubheitsgefühl im linken Arm und schließlich gar Orientierungslosigkeit. Die Ärzte diagnostizieren ihr ein stressiges Leben und zu viel Konsum von Alkohol, woraufhin Susannah versucht, auf die Bremse zu treten. Doch ihre Symptome werden schlimmer und richten sogar Chaos in der Zeitung an. Susannahs Eltern Tom (Richard Armitage) und Rhona (Carrie-Anne Moss) fragen bei weiteren Ärzten nach... und nach und nach werden deren Diagnosen immer schwerwiegender.

Die Verkörperung einer Person, die eine plötzliche und schwere Krankheit bekämpfen muss, die sie unvermittelt aus dem gewohnten Leben reißt, bietet für eine Schauspielerin zumeist die Gelegenheit für eine Lebensleistung. Eddie Redmayne beispielsweise nahm für seine Darstellung als Stephen Hawking in "Die Entdeckung der Unendlichkeit" gleich den Oscar mit nach Hause. Es droht aber auch immer die Gefahr, dass man bei solch einer Thematik, welche der Künstler in dieser Form selbst nie spüren musste, etwas zu hoch ansetzt und eben dieses menschliche Drama mit einem Maß an Overacting verschludert - gerade bei einer Geschichte, die auf realen Begebenheiten basiert, ein schwieriger Drahtseilakt. Die hochbegabte Jungschauspielerin Chloe Grace Moretz, bekannt aus Dramen wie "Wenn ich bleibe" oder auch den beiden schrillen "Kick-Ass"-Abenteuern, ist natürlich viel zu talentiert, um sich auch bei solch einer Rolle irgendeine Blöße zu geben. Dementsprechend gibt sie hier erwartungsgemäß eine wahnsinnig intensive Vorstellung, bei der sie fast immer glaubhaft den körperlichen und geistigen Verfall ihrer Protagonistin skizzieren kann und sich dabei mit fortschreitender Laufzeit zu immer größeren Punches aufschwingt.
Das Problem dieses Films ist indes also nicht die starke Leistung seiner Hauptdarstellerin, sondern die Skizzierung der Figur, die sie verkörpert. Mit nur neunundachtzig Minuten Laufzeit ist "Feuer im Kopf" ohnehin ziemlich kurz geraten, weswegen hier der so wichtige Teil einer richtigen Vorstellung der Protagonistin fehlt. Wir erfahren von dieser offensichtlich lebhaften Susannah so nur die Basisdaten: Sie arbeitet in einer Zeitung, hat einen Freund, liebevolle Eltern und ist offensichtlich kreativ veranlagt. Das wars. Wenn Susannah im späteren Verlauf mit den furchtbaren Symptomen ihrer mysteriösen Krankheit konfrontiert wird, macht uns der Film mit seinem recht klischeehaften Sound- und Bilddesign zwar überdeutlich, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt... da wir die "echte" Suannah zuvor aber eigentlich kaum kennenlernen durften, fällt es uns schwer zu sagen, wie weit sie sich durch diese Vorfälle verändert. Natürlich, die Ausbrüche werden immer gravierender und spätestens wenn Susannah eines Tages auf den Schreibtisch des Büros steigt, um über alle Anwesenden hinweg ihren strengen Chef anzuschreien, dann weiß man, dass dies sicherlich nicht ihr normales Verhalten ist.
"Feuer im Kopf" muss in diesen Momenten aber leider auf eine Überzeichnung setzen und statt gerade die ersten, feinen Symptome, die eine erste Beunruhigung auslösen sollten, leise anzuteasern, fahren die Macher hier direkt mit vollster Wucht. Viel mehr als das stetige Anschwellen der Musik und das typische Fiepen auf der Tonebene, wenn sich ein erneuter Anfall ankündigt, ist den Machern aber leider nicht eingefallen, um diese Krankheit greifbar zu machen. Dementsprechend bleibt der Löwenanteil der Bebilderung dieser Krankheit an Chloe Moretz hängen, die ihre Sache absolut großartig macht. Es bleibt allerdings recht mystisch, warum die Menschen um sie herum erst wirklich eingreifen, als Susannah zum ersten Mal katatonisch zusammenbricht - ihr voriges Verhalten hätte zumindest von den sympathischen Kollegen dazu aufgerufen, nachzuforschen, um Schlimmeres für die Zukunft möglicherweise zu verhindern. Aber gut, vielleicht ist diese Bebilderung der (ansonsten reichlich blass gezeichneten) Nebenfiguren in ihrem Interesse, gleichsam aber auch ihrer Egomanie, eine recht genaue Zeichnung unserer Gesellschaft: Sie glotzen alle und nehmen jedes Detail auf, aber eingegriffen wird erst, wenn es beinahe zu spät ist.

Fazit: "Feuer im Kopf" steht und fällt mit einer starken Leistung von Chloe Grace Moretz in der Hauptrolle, die mit ihrer intensiven Darstellung beinahe den ganzen Film rettet. Darüber hinaus ist das Drama trotz bewegender Momente zu oberflächlich geraten, um die Intensität der Geschichte und ihrer wahren Begebenheiten wirklich greifbar zu machen.

Note: 3-





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se