Die US-Amerikaner Beckett (John David Washington) und April (Alicia Vikander) machen einen gemeinsamen, romantischen Urlaub in Griechenland. Während einer längeren Autofahrt kommt Beckett jedoch von der Straße ab und baut einen schweren Unfall, der in einem kleinen Haus am Wegesrand endet. Beckett erwacht im Krankenhaus, seine Freundin ist verschwunden und er selbst kann sich mit der örtlichen Polizei nur schleppend verständigen. Als der junge Mann den Unfallort aufsucht, wird plötzlich auf ihn geschossen. Beckett kann sich knapp retten und versucht, die örtliche US-Botschaft zu erreichen. Verfolgt von seinen unbekannten Häschern und dabei nicht einmal wissend, was diese von ihm wollen und wieso sie ihn töten möchten, muss er sich bis nach Athen durchschlagen, um sich dort in Sicherheit zu wissen...
Die ersten fünfzehn Minuten dieses Netflix-Thrillers unter der Regie von Ferdinando Cito Filomarino geraten entschleunigt, förmlich stillstehend. In diesen Minuten erfahren wir das nötigste über die Titelfigur und sehen einige schöne Bilder Griechenlands... bis der Regisseur das Tempo, sobald der erste Schuss auf Beckett abgefeuert wird, mit einem Mal brachial anzieht. Bereits vorher hat Filomarino eine sehr wirkungsvolle Atmosphäre des "Fremden im fremden Land" gezeichnet - die sprachliche Verständigung fällt schwer, Beckett ist scheinbar völlig allein auf weiter Flur. In den späteren Action-Teilen verdichtet sich diese Atmosphäre noch einmal. Es wird eine bemerkenswerte Stimmung der Unsicherheit geschaffen, in welcher sowohl Beckett als auch der Zuschauer, der ihm auf Schritt und Tritt folgt, niemandem vertrauen kann. Weder den Menschen, die der "Held" auf seiner Reise kennenlernt noch den wortlosen Statisten am Bildrand. In einer brachialen, temporeichen und konstant hochgehaltenen Inszenierung lässt Filomarino sowohl seine Titelfigur als auch seinen Film niemals stillstehen und erreicht so zuverlässig einen Spannungsaufbau, der sich immer höher schraubt. Da hilft es, dass auch die wenigen Actionszenen ebenso hart wie gut gemacht sind und sich nicht in ewigen Shootouts oder unglaubwürdigen Megastunts verfestigen... bis zum erstaunlich überzeichneten Showdown jedenfalls.
Zu diesem Zeitpunkt hat "Beckett" allerdings schon ein wenig abgebaut, da er sich ungefähr ab der Halbzeit von einem Paranoia-Thriller der ebenso simplen wie wirkungsvollen Sorte zu einem doch recht abgemauserten und in sich nicht wirklich runden Actioner mausert. Zwar bleibt der Film auch in diesen Momenten aufgrund der elektrisierenden Inszenierung und der immer unter Strom stehenden Hauptfigur noch sehr packend. Je mehr sowohl Beckett als auch die Zuschauer jedoch über die wahren Hintergründe der Gesamtsituation erfahren, desto blasser wird die ganze Nummer. Tatsächlich ist die Auflösung der Geschichte als solche eher banal und auch die Rolle, die die Titelfigur darin spielt, ist letztendlich nicht so aufregend. Das wäre halb so wild, wenn man auf diese Wendungen denn zumindest vertraut und die Hochspannung und den Druck auf den Titelhelden weiter erhöht hätte. Das tut man zwar irgendwie, allerdings müssen sich die Autoren schon einige schale Wendungen und manch ein dummdreistes Verhalten der Antagonisten aus den Fingern saugen, um den Plot irgendwie noch am Laufen zu halten. Unter der packenden Oberfläche der temporeichen Inszenierung verbirgt sich dann leider recht offensichtlich ein maues und abgehalftertes Handlungskonstrukt.
Nicht anlasten kann man solcherlei Schwächen dem Hauptdarsteller, denn obwohl seine Figur bisweilen etwas untercharakterisiert ist (was eben auch an der banalen Rolle liegt, die er in dieser Verschwörung spielen soll), gibt "Tenet"-Star John David Washington eine ebenso menschliche wie kraftvolle Vorstellung. Dass der Zuschauer niemals mehr weiß als Beckett selbst, kommt Washington zugute - wir krallen uns förmlich an diesen Mann, da er der einzige ist, dem wir wirklich trauen können und wollen. Die anderen Figuren sind neben ihm wesentlich funktionaler angelegt und kommen zumeist über den Stand eines Stichwortgebers nicht hinaus. Einzig Boyd Holbrook, bekannt aus der starken Netflix-Show "Narcos", bekommt hier noch einige feine Szenen ab. Auch die Bösewichte wirken, obwohl zumeist stumm und grimmig, zumindest physisch und in ihrer verbissenen Energie, die Titelfigur zu fassen zu bekommen, recht bedrohlich. Leider schustert das Skript auch ihnen einige merkwürdige Momente auf den Leib, die wohl nur dazu dienen sollen, Beckett doch noch einmal entkommen zu lassen. Nach einem solch starken Aufbau fällt der Film aufgrund seiner doch recht mainstreamigen, manchmal gar ärgerlichen Plotholes deutlich ab. Das ist zwar Jammern auf hohem Niveau, da das Werk bis zum Ende und trotz seiner Handlungsschwächen hochspannend bleibt - mit einem etwas besseren Storytelling wäre aber deutlich mehr drin gewesen.
Fazit: Da die Auflösung dieses temporeichen Paranoia-Thrillers eher banal ausfällt, ist man am Ende auch aufgrund einiger plumper Wendungen nicht mehr ganz begeistert. In Sachen sich ständig steigernde, hervorragend inszenierte Spannung ist "Beckett" jedoch definitiv einen Blick wert.
Note: 3+
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