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Cruella

Sie verlor ihre Mutter in jungen Jahren und schlägt sich seitdem, unterstützt von ihren Freunden Horace (Paul Walter Hauser) und Jasper (Joel Fry) als Gaunerin durch: Estella (Emma Stone) wurde durch ihre Vergangenheit gezeichnet. Ihre Kumpanen glauben jedoch, dass sie zu Höherem bestimmt ist und mit einigen Tricks verschaffen sie Estella somit eine Anstellung in einer Modeboutique. Dieser Job bringt sie schließlich in den Dunstkreis der ebenso bewunderten wie gefürchteten Modedesignerin Baroness von Hellman (Emma Thompson). Was sich erst wie ein großer Schritt auf der Karriereleiter anfühlt ist letztendlich jedoch noch mehr. Denn durch die Anstellung bei der Baroness könnte Estelle auch die Chance erhalten, ihre Vergangenheit aufzuräumen. Um dies zu schaffen, holt sie sich der Hilfe ihrer wahren Persönlichkeit, die sie aufgrund ihrer aggressiven und frechen Art stets verschlossen gehalten hat - Cruella...

Zuallererst muss man hier größtes Lob an Craig Gillespie zollen. Der Regisseur, der bereits einen ziemlich einzigartigen Stil im oscarprämierten Drama "I,Tonya" vorweisen konnte, bietet in dem Disney-Prequel "Cruella" eine schiere Bandbreite aus großartigen Inszenierungen, fantastischen Bildern und brillant gestaffelter Szenenfolge an. Mit einem wahnwitzigen Tempo und einer schier unbändigen Energie erschafft er einen wahren Rausch von einem Film, der handlungstechnisch bisweilen oberflächlich anmutet, aber durch seine Optik und dem herrlichen Filmstil nur so strotzt vor kreativen Ideen. Ein brillantes Gespür für Musik, wo jeder Song und jede Melodie wie die Faust aufs Auge passt; ein schlichtweg erhellendes Kostümdesign (welches wohl auch bei der nächsten Oscarverleihung eine Rolle spielen dürfte) und ein pfiffiges Händchen für Comedy- und Dialogszenen ergeben somit ein Werk, welches ich in dieser Form nicht erwartet hatte. Tatsächlich toppt "Cruella" in der Ära der Disney-Realverfilmungen (ja, es ist kein Remake, aber schlägt als Prequel zu einem klassischen Original dennoch in eine ähnliche Kerbe) sogar noch den wunderbaren "Aladdin" und ist somit deutlich besser als ich es zuvor erwartet habe.
Neben Gillespies fantastischer Regiearbeit ist dies ganz besonders den beiden Damen im Ring zu verdanken. Dass "La La Land"-Star Emma Stone in der Titelrolle absolut großartig sein würde, daran hatte wohl niemand ernsthaft Zweifel - wie die Oscarpreisträgerin hier aber mit brüllender Energie, mit Stil, Eleganz und frecher Schnauze alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, das ist schlichtweg ganz große Schauspielkunst. Sicherlich nicht leise, aber der Figur absolut angemessen, wobei Stone auch in den wenigen leiseren Momenten ganz und gar passend agiert. Ihr gegenüber steht Emma Thompson, die im direkten Vergleich die einseitigere, aber nicht weniger faszinierende Person gibt. Da sitzt tatsächlich jede kleine Geste, jeder winzige Augenschlag, jeder Blick. Allein Thompsons erster Auftritt, wenn sie vor ihren Angestellten einen auf sie zugeschnittenen Zeitungsartikel zitiert, ist Gold wert. Und wenn Stone und Thompson dann in gemeinsamen Dialogfeuerwerken gegeneinander antreten (und zum Glück besitzt der Film die Weisheit, sie öfters aufeinander loszulassen), ist man schlichtweg gebannt von diesem Marathon an Fiesheiten. Natürlich fallen diese im direkten Vergleich wesentlich harmloser aus, schließlich befinden wir uns hier immer noch in einem Disney-Film. Trotzdem gelingt dem Trio aus Regisseur, Haupt- und Nebendarstellerin hier ein solcher Schwung, wie man ihn in vielen Realfilmen des Mausstudios zuvor vermisst hat.
Und es ist genau diesem Schwung zu verdanken, dass die einzelnen Teile des Films, obwohl sie eigentlich nicht zueinander passen, dennoch so sinnig wirken. Ein wenig "Der Teufel trägt Prada" hier, da ein bisschen "Ocean's 8", Familiendramen, Slapstick-Comedy (die jüngeren Zuschauer, die sonst eher überfordert sein dürften, müssen schließlich auch irgendwo abgeholt werden) und große, visuell eindrucksvolle Modenschauen. Nein, das greift tatsächlich nicht immer ineinander, weswegen "Cruella" in diversen Momenten etwas sprunghaft wirkt. Und trotzdem funktioniert sie, die Geschichte der finsteren Antagonistin aus dem klassischen "101 Dalmatiner"-Streifen, da man ihr sowohl die freche und oftmals gar bösartige Ader lässt, aber auch Raum für menschliche Momente findet. Ob es darüber hinaus noch eine ziemlich unglaubwürdige, weil recht faserig geschriebene Familiengeschichte gebraucht hätte, die im letzten Drittel für einige eher banale Wendungen sorgt, das darf diskutiert werden. Anderenfalls wäre uns aber ein turbulentes Finale entgangen, welches ich so nicht missen will. Und ganz zum Schluss klatscht "Cruella" gar noch ebenso elegant wie trickreich das Zeichentrick-Original ab, dass man auf die bereits angekündigte Fortsetzung bereits sehr gespannt sein darf. Wenn diese nur halb so stilvoll, wild und witzig wird wie der erste Teil, dürfte uns erneut ein großer Spaß ins Hause stehen.

Fazit: "Cruella" ist eine optisch brillante, herausragende inszenierte und stilvolle Vorgeschichte der bösen Disney-Antagonistin, die mit Witz, Charme und kreativen Einfällen überzeugt. Trotz einiger etwas ungelenker Holperer im Drehbuch versprühen Stone und Thompson in den Hauptrollen so viel Energie, dass man sich kaum an ihnen sattsehen kann.

Note: 2





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