Der 13-jährige Theodore Decker (Oakes Fegley) verliert durch einen Bombenanschlag auf ein Museum seine Mutter. Fortan wächst er, da sein leiblicher Vater Larry (Luke Wilson) unauffindbar ist, bei der Familie eines Schulkameraden auf - dessen Mutter Mrs. Barbour (Nicole Kidman) kümmert sich aufopferungsvoll um den traumatisierten Jungen. In den weiteren Jahren seines Lebens, getrieben von seinem schrecklichen Verlust, macht Theodore neue Erfahrungen mit gleichaltrigen Menschen, trifft seinen Vater wieder, schließt Freund- und Liebschaften. Um all diese Treffen dreht sich der Erhalt eines bei dem Bombenanschlag in Mitleidenschaft gezogenen Gemäldes, welches Theodore an das einschneidende Ereignis bindet...
Eigentlich sollte die Verfilmung des mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Bestsellers von Donna Tarrt ein sicherer Hit werden. Im Jahr 2019 ging "Der Distelfink" an den Kinokassen jedoch auf katastrophale Art und Weise baden und wandelte sich zu einem echten Flop. Schuld daran sind zu einem Großteil sicherlich die negativen Kritiken, mit denen das heiß erwartete Drama kurz vor dem Kinostart konfrontiert wurde. Und auch wenn die Romanverfilmung nun keine Bauchlandung darstellt, so wird man bei der Sichtung dieses zweieinhalbstündigen Stücks das Gefühl nicht los, dass hier auch viel Potenzial verschossen wurde... oder Regisseur John Crowley gar nicht wusste, wie er dieses einsetzen soll. Das episodische Format, welches hin und wieder auch die Zeitebenen wechselt, liegt dabei dem Roman zugrunde, wobei es nicht wundert, dass diese Episoden in ihrer Qualität schwanken können. So sticht der Plot rund um Theodores Freundschaft zu dem aufgeweckten und selbst mit einem Familiendrama kämpfenden Boris sehr positiv hervor (nicht zuletzt auch aufgrund der fantastischen Leistung von "Es"-Star Finn Wolfhard), während das letzte Drittel des Films mit einem an einen Thriller angelehnten Raub kaum überzeugt.
Tatsächlich sind die Episoden, die Theodores Erwachsenenleben ergründen, im Kern die weniger sauberen des Films. Zwar fehlt es "Der Distelfink" auch während der Kindesepisoden bisweilen an Tempo und einer echten Fokussierung, die letzte Dreiviertelstunde wirkt in ihren recht mühsam zusammengeschusterten Konflikten und Themen aber sehr unstet und oftmals gar langweilig. Da weiß das tiefe Drama rund um den dreizehnjährigen Theodore, der mit dem Verlust seiner Mutter, seiner eigenen Pubertät und auch mit der Beziehung zu seinem Vater, der selbst kaum mehr im eigenen Leben steht, zurechtkommen muss, deutlich mehr zu überzeugen. Das liegt auch an der bemerkenswerten Energie von Jungstar Oakes Fegley, der dem mit sich hadernden Theodore eine unglaubliche Präsenz verleiht und den Film zu Großteilen auf seinen jungen Schultern tragen kann. Da muss er sich nicht mal hinter einer soliden Nicole Kidman oder dem nuanciert auftretenden Jeffrey Wright verstecken - Fegley hält also bereits mit solch gestandenen Mimen mit und könnte somit eine große Karriere starten. "Baby Driver"-Star Ansel Elgort kann als die ältere Version der Hauptfigur auch überzeugen, leidet aber unter dem zu diesem Zeitpunkt merklich schwächeren Drehbuch.
Inszenatorisch gewinnt der Film besonders durch die eindringlichen Bilder von Kameramann Roger Deakins, die beinahe ihre eigene Magie mitbringen. Regisseur Crowley scheint aber nicht genau zu wissen, was er mit solchen Kunstgriffen anfangen soll, sodass Bild und Musik nie eine stimmige Einheit ergeben. Crowley verpasst es dabei, trotz toller Prämisse, dem Publikum diesen wichtigen emotionalen Punch mitzugeben. Trotz aufstrebender Darsteller, fantastischen Bildern und einer bewegenden Geschichte fühlen wir uns immer mehr nur als Konsumenten dieser Geschichte - Crowleys unfokussierte Sichtweise auf diese hält uns im Zaum. Es ist letztendlich gar nicht so einfach zu sagen, wo die Fehler in dieser Produktion lagen. Mal sind es viel zu abgehackte Schnitte, durch welche wichtige Szenen nicht atmen können, in anderen Momenten hält Crowley zu lange drauf. Verbindungen zwischen einzelnen Figuren wirken zu willkürlich, die Tonalität des Films wechselt auf unangenehme Art und Weise. Oftmals wirkt es gar, als wären ganze Szenen im Schneideraum vergessen worden, sodass "Der Distelfink" auch in seiner episodischen Erzählung nie richtig in Schwung kommt.
Fazit: Regisseur John Crowley findet nur schwer einen Zugang zu dem dramatischen Stoff - intensive Episoden wechseln sich mit schön gefilmter Langeweile, ohne Schwung zu entwickeln. Unter den Darstellern überzeugt besonders der junge Oakes Fegley mit einer reifen Leistung.
Note: 3-
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