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El Camino: Ein "Breaking Bad"-Film

Nach seiner Befreiung aus den Händen von Onkel Jacks (Michael Bowen) Gang setzt Jesse Pinkman (Aaron Paul) alles daran, sich ein neues Leben aufzubauen. Dies scheint jedoch kaum möglich, da die Polizei den Vorfall in den Drogenlaboren der Gang untersucht und schnell weiß, dass einer der Männer entkommen ist... auch wenn sie sich erst nicht sicher ist, in welchem Zusammenhang Pinkman mit dem mehrfachen Mord auf dem Gelände steht. Jesse kommt bei zwei alten Bekannten unter, befindet sich jedoch bald wieder auf der Flucht - die Gesetzeshüter fahnden unerbittlich nach ihm, insbesondere wegen seiner früheren Partnerschaft mit dem berüchtigten Walter White (Bryan Cranston). Um endlich in Freiheit zu leben, muss Jesse also doch noch ein letztes Mal den Weg in die Kriminalität wagen...

Nur mal kurz die Hand aufs Herz: Niemand hätte eine weitere Fortsetzung von "Breaking Bad" gebraucht, oder? Ganz im Gegenteil: Die Kultserie fand im Jahr 2013 mit der fünften Staffel ein solch rundes und zufriedenstellendes Ende, dass ich vor diesem filmischen Nachklapp richtiggehend Angst hatte und nun beinahe zwei Jahre benötigte, um mich ihm zu widmen. Mut machte mir eigentlich nur die Beteiligung von Vince Gilligan, denn wenn sich schon der Schöpfer der Geschichte rund um Heisenberg, Gus Fring und Co. selbst wieder auf den Regiestuhl schwingt, um noch ein letztes Kapitel aus dieser Welt zu erzählen... dann will man gern glauben, dass da auch wirklich etwas Erzählenswertes dranhängt. Um es direkt zu Beginn zu sagen: Da hängt leider nicht viel dran. "El Camino" zerstört keinesfalls die legendäre Kultserie, fügt ihr aber auch rein gar nichts Essentielles hinzu. Das liegt daran, dass alle Beteiligten wohl Angst hatten, sie könnten ihr eigentlich perfektes Ende irgendwie ruinieren, weswegen sie absolut mutlos und ohne echte Konsequenzen weiterfahren... was letztendlich dazu führt, dass man diesen Film schlichtweg nicht gebraucht hätte.
Sicher, man wollte mit diesem Film, sechs Jahre nach dem Ende der Serie, der letzten Figur noch einen richtigen Abschluss geben, die damals noch eher offen aus der Show gefahren war. Aber dieses wunderbare Bild, als Jesse Pinkman sich nach Monaten der Qualen und der Sklaverei in das Auto seines Feindes setzte, um weinend, jubelnd und brüllend in die Nacht herauszufahren, erzählte eigentlich schon alles. Wir wussten nicht, wohin Jesse aufbrechen würde - aber er war frei, das war sonnenklar. Dass man dahinter nun noch eine Geschichte schieben musste, die erzählt, welche Probleme Pinkman auf dieser Flucht noch haben wird, leuchtet auf rein dramaturgischer Ebene nicht ein. Im Marketingbereich sieht das natürlich ganz anders aus, denn der Name "Breaking Bad" verkauft sich nun mal verflixt gut und man hatte zudem die Gelegenheit, auch noch ein paar bekannte Gesichter zurückzubringen, denen unser guter Jesse auf seinem zweistündigen letzten Abenteuer begegnet. Dieses Wiedersehen mit einigen alten Bekannten macht dann auch Freude, wirklich erzählenswert sind diese aber auch nicht eingebettet und wirken so eher wie Fanservice. Schöner Fanservice, gar keine Frage, aber auch nichts, was man vermisst hätte, wenn es nun nicht dagewesen wäre.
Da "El Camino" nichts wagen kann (oder darf), um die Mutterserie nicht zu beeinflussen, ist die hier erzählte Geschichte dementsprechend dünn. Das langsame Tempo kennen wir aus "Breaking Bad" bereits, doch eskalierte die Serie nach langer Vorlaufzeit aus genau diesem Grund immer wieder so enorm - weil sie sich Zeit nahm, um Aufbau zu leisten. Auch der abschließende Film nimmt sich sehr viel Zeit, findet aber dann zu keiner echten Konklusio mehr. Es gibt zwar auch wieder einen Gegenspieler, der als solcher aber eher blass bleibt und die restlichen Stationen auf der Reise des Jesse Pinkman sind dann eher Haken auf einer Checkliste. Letztendlich passiert nun mal nicht viel und die Dinge, die passieren, sind nicht wirklich aufregend, da "El Camino" aus keiner echten Spannungskurve mehr kratzen kann. Durchaus bezeichnend, dass man rund ein Drittel des Films in Rückblenden verbringt - die sich ausgerechnet auf den Plot beziehen, der aufgrund der doch eher austauschbaren Antagonisten-Gang rund um Michael Bowens Onkel Jack nicht die größte Glanzstunde der Serie war. Der Film will dabei ein paar Lücken schließen, um Jesse's traumatische Zeit als Gefangener zu verdeutlichen, hat dabei aber weder dem Charakter noch der eigentlichen Geschichte irgendeinen Mehrwert beizusteuern. 
Immerhin ist Aaron Paul aber wieder voll in seinem Element - als einer der faszinierendsten Darsteller der Seriengeschichte gibt er auch hier wieder Vollgas und erdet den Film in einer energetischen Performance. Auch darüber hinaus ist der Film bis in die Nebenrollen ansprechend besetzt, wobei man schon staunen mag, wie viele alte Bekannte hier noch einmal für einen Gastauftritt vorbeischauen. In dieser Hinsicht richtet sich "El Camino" natürlich ausschließlich an die Fans der Serie, die über gewisse Zitate und Anspielungen grinsen werden... auch wenn man sich den typischen finsteren Humor der Show hier weitestgehend spart. Den Machern gelingt es indes nicht, das größte, unvermeidliche Problem der Fortsetzung zu kaschieren, denn diese setzt zwar nahtlos ans Ende der Serie an... in unserer realen Zeit sind aber nun mal sechs Jahre ins Land gezogen, die auch an den Schauspielern nicht spurlos vorübergegangen sind. Es entstehen zwar keinerlei Wiedererkennungsprobleme, doch haben sich einige der alten Bekannten optisch merklich verändert, was zumindest kurzzeitig ein wenig verwirrt. Auch der Regiestil hat wenig mit der Mutterserie zu tun - die Bilder wirken klarer und schärfer, der originale Soundtrack wird nicht bespielt und auch das Bildformat ist ein anderes. Nichts Weltbewegendes, aber für einen Film, der so dicht an die Serie anschließen will, wurden dann doch einige Änderungen vorgenommen, die man sich auch hätte verkneifen können.

Fazit: Für die eingefleischten Fans der Serie bietet "El Camino" noch mal einen letzten Ausflug mit bekannten Gesichtern und einigem Fanservice. Da der Nachklapp aber erzählerisch dünn und gleichzeitig enorm ausufernd geworden ist, wäre es auch keinerlei Verlust gewesen, wenn man es einfach bei dem starken Finale der eigentlichen Show belassen hätte.

Note: 4+





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