Direkt zum Hauptbereich

Der Baader Meinhof Komplex

Im Deutschland der 60er-Jahre protestieren mehrheitlich junge Studenten gegen den von den USA ausgeführten Vietnamkrieg. Während einer zuvor noch friedlichen Demonstration kommt es jedoch zum gewalttätigen Eklat, wobei ein junger Protestler von einem Polizisten erschossen wird. Für die politische Bewegung Grund genug, gegen den Staat vorzugehen und nun selbst ein Zeichen der Gewalt zu setzen. Andreas Baader (Moritz Bleibtreu) und Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek) sind die Köpfe hinter gleich mehreren brutalen Anschlägen, wobei Bomben in Einkaufszentren und Pressestellen gezündet werden. Während die Polizei die Attentäter mit Hochdruck sucht, bekommt die Bewegung Baaders und Ensslins immer mehr Zulauf... aus ihnen soll sich schließlich die berüchtigte RAF bilden, eine Terrorgruppe in deutschem Raum, die das ganze Land mit Angst durchzog.

Bernd Eichinger sagte über sein zweites Herzensprojekt nach "Der Untergang" mehrfach, dass es ihm wichtig war, die realen Ereignisse rund um die Bildung, das Erstarken und den letztendlichen Fall der RAF so authentisch und echt wie möglich einzufangen. Über das genaue Nachempfinden von Dialogen bis hin zu Kostümen, KfZ-Schildern und der abgegebenen Anzahl von Pistolenschüssen haben Eichinger und Regisseur Uli Edel hier ein Bild einer vergangenen Zeit abgeliefert wie man es noch exakter und echter kaum hinbekommen könnte. Nur in wenigen Momenten nehmen sie sich aufgrund der künstlerischen Freiheit und zur dramaturgischen Verdichtung eigene Einfälle heraus, ansonsten verfolgt "Der Baader Meinhof Komplex" eine ganz klare Linie - er will ungeschönt und absolut faktisch aufzeigen, was in diesen zehn Jahren geschah und macht dabei keine Gefangenen. Der Film soll schockieren, soll die Zuschauer aber auch sensibilisieren. Dabei ist die Faktentreue, die den Film dazu zwingt, quasi durch seine Checkpoints zu hecheln, aber auch ein Problem.
Rein inszenatorisch kann man "Der Baader Meinhof Komplex" wenig vorwerfen. In seinem Dürsten nach absolutem Realismus erschüttern die hier brachial aufgezeigten Gewalttaten, werden aber auch nicht zu simplen Schockern degradiert. Insbesondere eine vollkommen aus dem Ruder gelaufene Demonstration, denen die Polizei ohne Vorwarnung mit Knüppeln, Wasserwerfern und Schusswaffen ein Ende setzt, ist so intensiv inszeniert, dass man beinahe das Gefühl hätte, man würde inmitten der angsterfüllten jungen Menschen um sein Leben rennen. Dabei gereicht es dem Film aber eben auch nur zu solch brillanten Einzelszenen, während er aufgrund der enormen Faktentreue über zweieinhalb Stunden gar keinen Rythmus finden kann. Da so unglaublich viel auf dem Zettel steht, muss er durch die wichtigsten Eckpunkte in zehn Jahren deutscher Geschichte hetzen, um möglichst alles noch mitzunehmen. Dass dabei trotzdem jede Menge zurückbleibt, ist klar - doch auch die Szenen, die dann noch drinblieben, können aufgrund des enormen Tempos und der oftmals wild aneinandergereihten Momentreihenfolge nur überschaubare Wirkung entfalten. Da hilft es dann auch wenig, dass sich innerhalb der RAF (selbstverständlich) keinerlei Figuren befinden, an denen sich der Zuschauer irgendwie festhalten mag, weswegen er zweieinhalb Stunden einem bemerkenswert akkuraten, aber letztendlich auch arg festgefahrenen Sammelsurium aus wichtigen Stationen zusieht, ohne dass diese dramaturgisch clever miteinander verbunden wären.
"Der Baader Meinhof Komplex" ist ein Film, der aufgrund seiner eigenen Dichte gar nicht atmen kann. Beinahe wirkt es so, als würde der Film einfach nur die wichtigsten Eckpunkte, die brutalsten Taten und die bekanntesten Zitate aneinanderreihen, eins nach dem anderen abhaken und so schließlich zum abrupten Ende laufen... und genauso ist es dann auch. Ein roter Faden ist auszumachen, aber auch immer wieder zu verlieren, da keine echte Spannungskurve vorhanden ist. Denn selbst wer mit der Historie der RAF nicht vertraut ist, wird mit den Terroristen (und die Geschichte wird nun mal beinahe ausschließlich aus ihrem Blickwinkel erzählt) nicht mitfiebern wollen. Anders als "Der Untergang", der ein Kammerspiel in einer überschauberen Zeitepisode anbot, muss "Der Baader Meinhof Komplex" gigantische zehn Jahre abdecken. Dass ein solches Vorhaben ein schwieriges ist, versteht jeder - eine Serie wäre dem Thema also durchaus angemessener als ein Kinofilm, der auch bei all dem Herz, dass deutlicherweise in ihm steckt, überhaupt nicht dazu in der Lage ist, all das noch mitzunehmen und dennoch eine packende Geschichte zu erzählen, die über die Faktenlage hinausgeht. 

Fazit: Packend inszeniert und teils von grausamer Authentizität kann "Der Baader Meinhof Komplex" in seinem rasanten Tempo leider nicht mehr tun, als die bekanntesten und wichtigsten Stationen der RAF-Historie atemlos abzuhecheln. Dramaturgisch dementsprechend sehr schwach, dabei aber akkurat und ungeschönt in seiner brachialen Inszenierung.

Note: 3-







Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se