Seong Gi-hun (Lee Jung-jae) ist hochverschuldet und lebt somit von der Hand in den Mund - mittlerweile trachten die Geldeintreiber sogar nach seinem Leben, weswegen der junge Mann jede Chance ergreift, an kleines Geld zu kommen. Dabei wird ihm schließlich das Angebot unterbreitet, an einer Spielreihe teilzunehmen, wobei dem Gewinner ein beträchtliches Preisgeld winken soll. Mit dem Rücken zur Wand und ohne weitere Alternativen stimmt Gi-hun zu und befindet sich schließlich nach unbekannter Fahrt und einer Betäubung in einer gigantischen Halle - gemeinsam mit 455 anderen Teilnehmern. Erst ist die Stimmung trotz der mysteriösen Vorfälle ausgelassen, doch als es mit dem Beginn des ersten Spiels zu Todesfällen kommt, merken die Teilnehmer, dass diese Spiele keineswegs harmlos sind - wer verliert, muss sterben. Wer gewinnt, kommt eine Runde weiter... und näher an das Preisgeld, welches das verschuldete Leben verändern wird.
Netflix hat mal wieder einen echten Hype ausgelöst - die koranische Thriller-Serie "Squid Game" stieg zur erfolgreichsten Serie in der Geschichte des Streamingriesen auf, wurde wochenlang besprochen und auseinandergepflückt und rief aufgrund seiner Brutalität (natürlich) die Medien auf den Plan. Eine wahnsinnig gute, in jeder Hinsicht nützliche Presse für eine Serie, der man wohl allenfalls eine Nische zugetraut hatte. Und tatsächlich wird die Show ihrem Hype auch weitgehend gerecht, da sie über neun Folgen hinweg mordsspannende, erschreckend morbide und finstere Unterhaltung liefert. Die wahren Highlights, sowohl auf Spannungs- als auch auf Kreativitätsebene stellen dabei natürlich die zentralen Spiele dar, die sich immer wieder in Sachen Brutalität, Suspense und Cleverness überbieten. Mit einer grausigen Bildsprache verstehen sich die Macher darauf, den psychopathischen Schrecken der eigentlich harmlosen Kinderspiele zu waschechtem Terror werden zu lassen. Das erreicht in einigen Momenten ein schlicht wahnwitziges Level von Hochspannung, schnürt einem aufgrund manch einer psychopathischen Wendung und des hohen Blutfaktors aber auch mal die Kehlen zu. Kein Spiel gleicht sich, doch alle sind sie mordgefährlich - die Macher hängen dabei nicht nur die (ebenfalls kreativen) Folterfallen der "Saw"-Reihe meilenweit ab, sondern setzen einen neuen Meilenstein im Genre, der auch optisch mit gewagten Kamerawinkeln und einem schicken Soundtrack zu packen versteht.
Natürlich erzählt "Squid Game" darüber hinaus auch noch eine Geschichte, denn selbst die spannendsten Spiele würden wohl irgendwann ihren Suspense verlieren, wenn das Drumherum nicht stimmen würde. Das tut es zum Glück weitestgehend, da die Macher mit interessanten Wendungen, einfallsreichen Ideen und einigen fiesen Überraschungen aufwarten, die auch abseits der Arenen für Schauer sorgen. Allerdings werden nicht alle Fragen bis zum Ende der neunten Folge zufriedenstellend aufgelöst (was die Gerüchte um eine zweite Staffel, auch wenn sie vom Regisseur recht rigoros zersprengt wurden, angesichts des enormen Erfolges nicht gerade haltlos wirken lässt) und manch ein Subplot wirkt ein wenig klischeehaft. Trotz eines bisweilen recht langsamen, wenn auch niemals langweiligen Erzähltempos, welches sich in den ersten Folgen genug Zeit nimmt, um die wichtigsten Charaktere einzuführen, bleibt das Tempo konstant hoch und das Zusammenspiel der Charaktere weiß zu gefallen. Ein Schwachpunkt bleibt dabei der Hauptprotagonist, der über weite Strecken etwas zu naiv und "heldenhaft" bleibt, obwohl er zu Beginn als ziemlicher Egomane vorgestellt wurde. Andere Figuren, die sich trickhaft Vorteile erspielen oder ihren Mitspielern in den Rücken fallen, wirken im direkten Vergleich nicht sympathischer, aber durchaus spannender, verhalten sich glaubwürdiger.
Mit der Glaubwürdigkeit ist es aber trotzdem so eine Sache - oftmals müssen die Autoren gewisse Spitzen und Falltüren einbauen, die den Helden in die Karten spielen. Das wirkt dann nicht immer wirklich geistreich, hält aber immerhin die Spannung aufrecht. Trotzdem lässt sich nicht wegdiskutieren, dass "Squid Game" nach den ersten Folgen ein wenig an Grausamkeit und Unvorhersehbarkeit einbüßt - die ersten Folgen liefern mit neuem Terrain noch große Schockwerte, womit die späteren Episoden trotz einiger erschreckender Szenen nicht mehr ganz mithalten können. So enttäuscht dann auch das Finale, welches in seiner recht einseitigen Message nicht wirklich zufriedenstellen mag. Letztendlich sind all diese Kritikpunkte aber weitestgehend Kinkerlitzchen, denn auch in den schwächeren Momenten ist "Squid Game" dank seiner treffsicheren Gesellschaftskritik, der kreativen Inszenierung mit seinen bunten Räumen und knalligen Farben sowie den durch die Bank weg überzeugenden Darstellern ein kleines Phänomen. Dass so etwas zumindest im Ansatz Anstößiges und Schwieriges auch über den reinen Splatterwert hinaus noch möglich ist, muss man Netflix zu Gute halten, denn der Streamingdienst scheut sich offensichtlich auch nicht vor schwierigeren Projekten. Und das kann man so nur loben.
Fazit: Trotz einiger Glaubwürdigkeitsprobleme und später nachlassendem Suspense ist "Squid Game" dank seiner harten Inszenierung, den tollen Darstellern und den knackigen Spielen, eingebettet in eine kritische, erwachsene Geschichte, ein Streaming-Event, welches seinem Hype in den meisten Momenten gerecht wird.
Note: 2
Kommentare
Kommentar veröffentlichen