Sebastian Schlencht-Wöhnert (Matthias Schweighöfer) besitzt eine große Leidenschaft: Das Safeknacken. Sechs Jahre bevor sein Talent ihn in die Gefilde einer Zombieapokalypse in Las Vegas führen wird, ist er jedoch mit seinem Nischen-Hobby recht alleine... bis er eines Tages von der mysteriösen, international gesuchten Trickdiebin Gwendolin (Nathalie Emmanuel) für einen großen Coup angeworben wird. Gemeinsam mit drei anderen Verbrechern will sie vier große Safes in Europa knacken, für die Sebastian eine große Leidenschaft hegt - die vier Tresore von Hans Wagner (Christian Steyer), die nach dem großen Opernzyklus Richard Wagners benannt sind und im Grunde nicht zu öffnen sind. Die Lust auf das große Abenteuer überkommt Sebastian ziemlich schnell, doch noch ahnt er kaum, in was für Bredouillen er dabei geraten wird...
Nun lassen wir mal die Füße unterm Tisch: Zack Snyders "Army of the Dead" war ja sicherlich ein origineller und unterhaltsamer Zombie-Actioner, auf dessen Fortsetzung ich mich dahingehend freue. Aber muss auch noch aus diesem Film nun ein ganzes Franchise mit Spin-Off's und Prequels erschaffen werden? Nein, eigentlich nicht, denn obwohl die Protagonistentruppe des Originals aus lauter kernigen und sympathischen Kerlen und Frauen bestand, waren einzelne Filme, die sich auf sie beziehen, jetzt nicht zwingend gefragt. Bei der Rolle des Safeknackers Ludwig Dieter sah die Sache aber anders aus, denn der kam besonders beim amerikanischen Publikum so fabelhaft an, dass Zack Snyder sogleich eine eigene Geschichte für diese Figur entspann... und die bekommen wir jetzt schon, fünf Monate später, als Prequel nachgereicht. Inszeniert wird das Werk dann auch noch von Matthias Schweighöfer selbst, der somit endgültig den Sprung nach Hollywood geschafft haben dürfte. Skepsis bestand dennoch mehr als genüge, doch diese ist weitestgehend unbegründet: Zwar hat man das Prequel wirklich nicht gebraucht, über weite Strecken ist es jedoch ein ziemlich sympathischer, spannender Heistfilm geworden, der sicherlich nicht schlechter ist als seine Genre-Kollegen... zumindest nicht in allen Belangen. Und dass man von einem ultrabrutalen Zombie-Actioner plötzlich einen eher kleinen, feinen Gangsterfilm ableitet, das ist immerhin schon so originell, dass man ohnehin interessiert ist.
Hüben wie drüben ist die Geschichte natürlich mal wieder gaga und das Problem mit diversen Plotholes und hin und wieder fehlendem Tempo teilt sich das Prequel locker mit dem Original. Insbesondere wenn der Film versucht, seinen aus der Klischeekiste stammenden Nebenfiguren weitere Tiefe zu verleihen, hängt "Army of Thieves" ziemlich durch. Umso überraschender dann aber, dass gewisse persönliche Ebenen und eine gar nicht mal so unemotionale Liebesgeschichte durchaus funktionieren und es mit Ruby O. Fee sogar einen echten Scene Stealer zu vermelden gibt - die greift nämlich zuverlässig gelungene Gags ab, trifft aber auch gekonnt ins Herz. Weniger gekonnt dafür die Etablierung der Gegenspieler, denn die hier auftretenden Cops und FBI-Beamten verdienen sich locker das Prädikat "dümmlich" und scheinen fast durchgehend nur im Film zu sein, um die Antihelden noch cooler dastehen zu lassen. Und cool dastehen, das tun sie - zwar erfindet der Film das Genre keinesfalls neu, kann in prägnanten Szenen aber sowohl die Leidenschaft der Safeknackerei glaubwürdig vermitteln als auch im Mittelteil mit den zentralen Coups einige Spannungsspitzen etablieren. Und sogar der Humor, der diesmal typisch deutsch daherkommt, geht in seinen Albernheiten eine funktionierende Symbionte mit der Eleganz der Hollywoodstreifen ein. Eine merkwürdige Mischung, die in dieser Originalität aber tatsächlich aufgeht.
Das Hauptaugenmaß liegt dann aber natürlich auf Matthias Schweighöfer und wir deutschen Filmfans, die den blonden Blödler ja zumeist aus den mauen Romantic-Comedys kennen, die wir stets zu ignorieren versuchen, durften dahingehend besonders gespannt sein. Aber auch hier eine Überraschung: Schweighöfer macht seine Sache sowohl vor als auch hinter der Kamera sehr solide. Natürlich mag man sich unsicher sein, wie sehr Zack Snyder auf dem Produktionsstuhl noch die Hand über die Inszenierung hielt und dort immer wieder nachhalf, doch rein inszenatorisch gelingen ihm und Schweighöfer einige schöne Momente und das große Projekt gleitet ihnen nie aus den Händen - getragen dabei auch von einem grandiosen Soundtrack des meisterhaften Hans Zimmer. Beinahe noch schöner ist es, wie Schweighöfer seinen typisch albernen Humor mit einer gewissen Sympathie, Ernsthaftigkeit und Loyalität gegenüber seiner Leidenschaft verbindet und schauspielerisch fast immer überzeugt. Ja, hiermit hat er sich wirklich die Tore zur großen Filmfabrik in Amerika geöffnet und man spürt förmlich, wie stolz er selbst darauf ist. Und das kann er auch sein, denn auch wenn "Army of Thieves" deutliche Schwächen hat und als solcher Film im Grunde nicht gebraucht wurde, so ist es sein eigenes Sprungbrett und als dieses wirklich solide geraten. Ob man mehr davon braucht, wie es die letzten Minuten des Werks anteasern? Nein, eigentlich nicht. Aber wenn es dann doch soweit ist, Ludwig Dieter wiederzusehen, kann ich mich vielleicht doch nicht entziehen...
Fazit: Die Story ist gaga, steckt aber immer wieder voller interessanter Tricks und Leidenschaft. Die Figuren sind eindimensional, entwickeln aber überraschende Spitzen. Am Ende ist es definitiv ein Siegeszug für unseren Matthias Schweighöfer, der sich mit einem sehr soliden Film endlich nach Hollywood vorarbeitet. Und da scheint er offensichtlich gut aufgehoben, wenn er sowohl vor als auch hinter der Kamera so viel Energie anbietet.
Note: 3
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