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Der Fall 9/11 - Was ist ein Leben wert?

Bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 kommen weit mehr als zweitausend Menschen ums Leben. Der Kongress möchte daraufhin einen Entschädigungsfond für die Hinterbliebenen der Todesopfer ins Leben rufen und ernennt daher den Rechtsanwalt Kenneth Feinberg (Michael Keaton) zum Leiter - er soll mittels Mathematik für jedes Opfer eine passende Entschädigungssumme finden. Schon früh werden kritische Stimmen laut, selbst aus den eigenen Reihen: Man könne Menschenleben nicht mit Geld aufwiegen und eine unterbezahlte Reinigungskraft sei ebenso viel wert wie ein Topverdiener in den Aktiengesellschaften. Feinberg versucht, Empathie aus seiner Arbeit herauszuhalten und vor dem Gesetz fair zu bleiben, bringt dabei aber schnell eben jene Menschen gegen sich auf, denen er eigentlich helfen soll...

Es ist nicht überraschend, dass dieser Film, der in Deutschland nur direkt auf DVD und BluRay erschien und leider keinen regulären Kinostart hatte, uns schon nach wenigen Minuten tief berührt. Da zeigt sich, dass die schrecklichen Nachrichtenbilder von den einstürzenden Türmen des World Trade Centers, von den fassungslosen Gesichtern der Menschen am Boden und den gigantischen Staubwolken noch unser Leben lang nachhallen. Trotzdem sind Filme wie diese (auch Filme, die sich nicht mit der Katastrophe an sich, sondern mit den daraus resultierenden Folgen beschäftigen) immer eine Gefahr, da sie dazu neigen können, ein reales, furchtbares Ereignis rührselig und manipulativ aufzulegen. Ein Lied, welches beispielsweise Oliver Stone mit seinem zu pathetischen 9/11-Drama "World Trade Center" sicherlich gut kennt. In solche Fallen tappt Sara Colangelo nun jedoch nicht oder zumindest kaum: Nur in wenigen Momenten agiert "Der Fall 9/11" ein wenig zu rührselig, wohingegen sich die saubere Inszenierung ansonsten weitestgehend in leiser Zurückhaltung übt und daher sehr realitätsnah und überzeugend herüberkommt.
In Zurückhaltung übt sich auch der Protagonist dieses Films, der schon während seinen ersten Worten, wenn er vor einer Jura-Klasse genau aufzeigt, dass man ein Menschenleben durchaus in Geld aufwiegen kann, aufzeigt, was er für ein Mensch ist. Ein Mensch, der sich gerne auf Zahlen verlässt und dabei, obwohl er durchaus persönlich von den Schicksalen bewegt ist, seine eigenen Gefühle und Meinungen aussperrt. Natürlich wird dieser Kenneth Feinberg im weiteren Verlauf eine gewisse Wandlung durchmachen müssen, aber wie der brillante Michael Keaton diese faszinierende, nicht immer sympathische, aber enorm nachvollziehbar gezeichnete Figur darstellt, geht über solch erwartbare Wendungen hinaus. Keaton nimmt sich ebenso zurück wie Feinberg selbst und passt sich somit haarklein der leisen Inszenierung Colangelo's an. Da sitzt, wie von ihm gewohnt, jede kleine Geste, von Star-Allüren ist da keine Spur. In den wenigen Szenen, die Keaton mit "Spotlight"-Star Stanley Tucci teilt (der ohnehin wie immer absolut grandios ist), könnten förmlich Funken sprühen... doch da beide Stars sich hier so wunderbar zurücknehmen, erfahren wir realistisches Schauspiel, welches in dieser Form so viel angenehmer ist als die nächste große Oscar-Leistung.
Die Message des Films ist von Anfang an eindeutig: Es geht nicht um Geld. Es geht um Fairness. Die Menschen wollen keine dreihunderttausend Dollar für den Tod eines Familienmitgliedes, denn grüne Scheine könnten diese Lücke niemals füllen. Sie wollen, dass ihnen zugehört wird und dass ihre Namen nicht nur zu Nummern umfunktioniert werden, damit sie in das Konzept eines politischen Systems passen. Und die Szenen, in denen diese Menschen tatsächlich erzählen dürfen, wie sie diese furchtbaren Minuten und Stunden in den Türmen oder auch außerhalb davon wahrgenommen haben, gehen tatsächlich unter die Haut. Auch in diesen Szenen bewahrt Sara Colangelo ihre Zurückhaltung, greift nur selten auf einen spürbaren Soundtrack zurück, lässt Szenen langsam auslaufen und lässt sich auch in der reinen Dramaturgie viel Zeit. Diese Zeit spürt man innerhalb der 118 Minuten zwar ab und an, doch sind sämtliche schauspielerischen Leistungen sowie die an und für sich packende Handlung zumeist gut genug, um über kleinere Längen hinwegzutrösten. 

Fazit: Bewegendes 9/11-Drama, welches gerade aufgrund seiner sensiblen Zurückhaltung, was den Plot, die zentrale Message und die Figuren angeht, gewinnt. Trotz kleinerer Längen und einem etwas zu rührseligen letzten Drittel ein Film, der durchaus nachwirkt.

Note: 3+



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