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Madame Mallory und der Duft von Curry

"Papa" Kadam (Om Puri) muss gemeinsam mit seinem Sohn Hassan (Manish Dayal) und seiner restlichen Familie aus Mumbai flüchten - ihre Reise führt sie erst nach London und schließlich nach Frankreich. Dort will Papa, nachdem er sein Restaurant unter einem wütenden Mob verloren hat, ein neues indisches Etablissement eröffnen. In die Quere kommt der Familie dabei jedoch die kühle Madame Mallory (Helen Mirren): Deren mit einem Stern ausgezeichnete französische Restaurant befindet sich direkt auf der anderen Straßenseite des Hauses, welches Papa für sein eigenes erwirbt, sodass beide, trotz gänzlich unterschiedlicher Speisen, in direkte Konkurrenz zueinander treten. Während eines kulinarischen Krieges, bei dem sich beide Parteien gegenseitig auszustechen versuchen, verliebt sich Koch Hassan... und das ausgerechnet in die junge Marguerite (Charlotte Le Bon), die bei Madame Mallory als stellvertretende Küchenchefin arbeitet.

Lasse Hallström hat seit jeher ein feines Fingerspitzengefühl für leise, menschliche Themen und er vermag es dabei auch düsteren Stoffen seinen Schrecken allein dadurch zu nehmen, dass er immer wieder in die kleinen Momente hineinschaut. So hat auch "Madame Mallory und der Duft von Curry" durchaus düstere Szenen zu bieten, wenn besonders der Fremdenhass oder auch der Verlust der Heimat und eines Familienmitgliedes thematisiert werden. Hallström verschweigt solcherlei auch nicht, geht indes aber auch nicht so sehr in die Tiefe alsdass man sich nun in einem finsteren Drama wähnen würde. Stattdessen erzählt er durch solcherlei erschütternde Momente lieber seine Figuren und auch wenn er dabei das ein ums andere Mal ein wenig über die Grenzen der Übertreibung hinausstößt und seine Geschichte dabei märchenhafte Züge annimmt, mag man ihm kaum böse sein. Mit flinkem Humor, einer sehr sicheren Inszenierung und vor allem einem herausragenden Ensemble aus bekannten und weniger bekannten Gesichtern gelingt ihm dabei nämlich ein sauberer Wohlfühl-Film, der das Herz mehr als nur am rechten Fleck hat.
Dabei sticht Helen Mirren als Titelstar gar nicht so sehr heraus, wie man dies anfangs vermuten würde. Natürlich überstrahlt ihre kühle Performance, untersetzt mit dem typischen, trockenen Humor ihrer Zunft, in den ersten Minuten erstmal alles, was sonst noch passiert, doch darüber hinaus fügt sie sich sehr sensibel und ohne großartige Starallüren in das Ensemble ein. Das führt dazu, dass der 2017 verstorbene, indische Schauspieler Om Puri in seinen Szenen wahnsinnig glänzen und sich auch die feine Romanze zwischen Hassan und Marguerite entfalten darf. Das kann rein tonal manchmal ein wenig verwirrend wirken, doch ganz so ungelenk wirken die Sprünge zwischen dramatischen Einschüben, kulinarischen Köstlichkeiten und etwas aufdringlicher Comedy dann doch wieder nicht - dafür ist Hallström's Inszenierung über die fantastische Kameraarbeit, den wunderbaren Soundtrack und das allgemein hohe Tempo einfach zu sicher. Den altbekannten Geschichten (so zum Beispiel der "Romeo und Julia"-typischen Liebelei) wird durch einen modernen Schwung und allerlei liebevolle Ideen ein gewisser Verve gegeben und die grandiosen Leistungen aller Beteiligten spielen mühelos über etwaige Klischees hinweg.
Erst im letzten Drittel verliert der Film ein wenig an Fahrt - so wirkt sich eine tonale Veränderung inklusive eines gänzlich neuen Handlungsstranges kurz vor dem Ende eher mau aus. Dieser Plot hätte im Grunde bereits für einen eigenen Film gereicht, wird hier jedoch, um eine letztendlich ziemlich vorhersehbare Lehre noch einmal zu unterstreichen, im Eiltempo eingeführt, durchlaufen und wieder abgeschlossen. Wesentlich sicherer wirkt Hallström, wenn er die verschiedenen Figuren durch seine Konflikte auch mal zu Ebenen führt, die man so nicht erwartet hätte, die aber dennoch sehr homogen wirken. Und natürlich darf bei einem Film wie diesem auch nicht das gnadenlos gute Abfilmen manch einer kulinarischen Köstlichkeit fehlen, wobei einem sowohl beim Anblick des bunten Gemüses auf dem französischen Markt, dem Zubereiten eines herkömmlichen Omeletts oder auch dem Drapieren einer Feinschmecker-Speise das Wasser im Munde zusammenläuft. In all diesen Formen hat Lasse Hallström also keineswegs einen herausragenden Film erschaffen, doch einen, der in all seinen Faktoren, und seien sie auch noch so altbekannt, mit eigenem Charme, viel Herz und treffsicherem Humor aufwarten kann. 

Fazit: Ein im wahrsten Sinne (haltet euch fest!) "köstlicher" Film, der zwar manch eine tonale Beinahe-Entgleisung vollführt, darüber hinaus aber mit charmanten Charakteren, ebenso charmanten Darsteller*innen, leisem Humor und feinsinnigem Gespür für menschliche Konflikte und Beziehungen aufwartet.

Note: 2-



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