Nach einigen Jahren im Gefängnis wurde Court Genry (Ryan Gosling) von der CIA rekrutiert - über achtzehn Jahre machte er unter ihrem Kommando Jagd auf gefährliche Verbrecher, um diese zur Strecke zu bringen. Nachdem Genry jedoch eine Mission sabotierte, da sich ein Kind im Schussfeld befand und er zudem einige Geheimnisse seiner Arbeitgeber aufdeckt, wenden diese sich gegen ihn. Genry muss fliehen und scheint allein auf weiter Flur, während er versucht herauszufinden, was die CIA verheimlichen will. Um ihn mundtot zu machen, setzt sein Vorgesetzter Denny Carmichael (Rege-Jean Page) den als eiskalten Psychopathen bekannten Auftragskiller Lloyd Hansen (Chris Evans) auf ihn an... und der geht über Leichen, um an sein Ziel heranzukommen.
Weit mehr als 200 Millionen Dollar nahm Netflix in die Hand, um die Romanverfilmung "The Gray Man" mit ordentlicher Star-Power zu inszenieren - damit ist der Film das bis dato teuerste Original des Streaming-Giganten. Und zusätzlich zu diesem Meilenstein pumpt das Werk auch darüber hinaus mit einigen Superlativen... zumindest auf dem Papier. Auf dem Regiestuhl nahmen nämlich keine geringeren als Joe und Anthony Russo Platz, die somit ihre erste große Filmarbeit nach dem Mega-Marvel-Doppel "Avengers: Infinity War" und "Avengers: Endgame" abliefern, die damals das Kino in zuvor noch nie gesehenem Ausmaß erbeben ließen. Angesichts all dieser Superlativen ist es nun doch erstaunlich, dass "The Gray Man", trotz aller Vorschuss-Lorbeeren, doch ein weitestgehend generischer Actionfilm geworden ist, den man so oder so ähnlich schon oft genug gesehen hat. Sicherlich ist die hohe Produktionsqualität sichtbar, doch in Sachen Plot und leider auch bezüglich der recht typischen Inszenierung sticht der Film unter vielen Genre-Vertretern nur bedingt heraus.
Gerade die Inszenierung der Actionszenen gelingt hier nämlich äußerst mittelmäßig und funktioniert nach den üblichen Hollywood-Schemata. Dementsprechend werden die großen Setpieces, vor allem aber auch die gefährlichen Mann-gegen-Mann-Duelle hier so schnell geschnitten und mit einer wirren Wackelkamera-Optik gefilmt, dass man alsbald den Überblick verliert. Man muss sich tatsächlich fragen, warum Netflix so viel Geld in im Kern eigentlich beeindruckende Actionszenen pumpt, um diese starken Bilder dann anschließend in einem wirren Schnitt zu versenken. Besonders enttäuschend ist dies, da die beiden Regisseure in insgesamt vier Marvel-Filmen auf absolut grandiose Weise bereits bewiesen haben, dass sie zahlreiche Charaktere in großen Actionszenen unter Kontrolle bringen können, ohne dass dabei Übersicht, Kinetik und Cleverness flöten gehen. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert indes die Handlung, über die man besser nicht zu viel nachdenkt. Die Geschichte eines Auftragskillers, der sich gegen seine Vorgesetzten wenden muss, da diese ihn plötzlich tot sehen wollen, ist ein alter Hut und findet hier zu keinem neuen Gewand. Immerhin wird sie aber einigermaßen flott erzählt und kann durch ein solides Pacing ohne unnötige Abzweigungen auftrumpfen.
Die Charaktere erfüllen indes ihren zweckmäßigen Rahmen, wobei die Schauspieler*innen deutlich mehr aus dem rausholen, was vorab da war. Das gilt vor allem für Chris "Captain America" Evans, dessen Lloyd Hansen außer dem durchgeknallten Wahnsinn im Grunde keinerlei Charakterzeichnung erfährt. Durch Evans' schier manische Spielfreude, wobei er in einigen Einzelszenen regelrecht angsteinflößend wirken kann, sieht man diesem Übeltäter jedoch mehr als gern zu - schade nur, dass Evans nicht in einem vielschichtigeren Bösewicht freidrehen durfte. Und "Drive"-Star Ryan Gosling erdet den Film einigermaßen mit seinem üblichen Charme, darf trockene Sprüche äußern und sogar seine herzliche Seite zeigen. Das passiert zum Glück nicht in Form einer unglaubwürdigen Lovestory (und für eine solche wäre der von Ana de Armas gespielte weibliche Sidekick ebenfalls viel zu unterentwickelt), sondern durch einen ziemlich interessanten Nebenplot. Dabei geht es um ein kleines, krankes Mädchen und ihren loyalen Großvater... und dass diese beiden dann gar die interessanten Figuren in einem Actionfilm darstellen, obwohl sie anfangs so wirken, als hätten sie sich in einen falschen Streifen verirrt, ist wohl die größte Überraschung eines ansonsten reichlich überraschungsarmen Werks.
Fazit: Die Inszenierung wirkt vollkommen zerschnitten, der Plot ist ein alter Hut. Trotzdem erreicht "The Gray Man", auch dank seiner spielfreudigen Stars, schnell einen gewissen Unterhaltungswert mit einigen optischen Hinguckern. Bei solch einem Mega-Budget und diesen Talenten vor und hinter der Kamera hätte aber auch mehr drin sein können als bloß ein weiterer Action-Thriller unter vielen.
Note: 3
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