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Mütter mit Makeln: Filmkritik zu "Parallele Mütter"

Kurz vor ihrem vierzigsten Geburtstag erwartet die Fotografin Janis (Penelope Cruz) ihr erstes Kind - ausgerechnet von ihrer Affäre Arturo (Israel Elejalde), welcher mit der plötzlichen Nachricht auch aufgrund seiner im Sterben liegenden Ehefrau völlig überfordert ist. Janis entschließt sich dazu, das Kind auch als alleinerziehende Mutter zu bekommen und lernt auf der Entbindungsstation die siebzehnjährige Ana (Milena Smit) kennen. Beide unterstützen sich gegenseitig und halten auch nach der Geburt ihrer Kinder unregelmäßig Kontakt. Schon bald befällt Janis jedoch ein seltsamer Verdacht, da sie in ihrer Tochter keinerlei Ähnlichkeit zu sich oder zu Arturo sieht. Ein Mutterschaftstest soll die Frage klären, doch das Ergebnis könnte Janis den Boden unter den Füßen wegziehen...

Zwar steht die Geschichte zweier Mütter mit völlig unterschiedlichen Lebenserfahrungen, Werten und Zielen im Mittelpunkt des zweifach oscarnominierten Dramas, doch Regisseur Pedro Almodovar greift noch viele andere Themen auf. Wo man einen anderen Film vielleicht dahingehend kritisiert hätte, dass er sich zu viel voneinander unabhängige Lasten auflädt, gelingt es Almodovar jedoch, gleich mehrere Geschichten parallel zu erzählen, ohne dass sein Werk zerfasern oder auseinanderfallen würde. Stattdessen wirkt "Parallele Mütter" durchweg wie direkt aus dem echten Leben herübergeholt und die meisten der sehr menschlichen und bekannten Konflikte, welche die Protagonisten ausfechten müssen, werden dementsprechend unaufgeregt, fast schon langsam erzählt. Oftmals erspart sich Almodovar auch unnötige Erklärungen, sondern lässt den Charakter eines Menschen schlicht und einfach für sich sprechen, der auch nicht immer völlig entblättert werden können. Darunter fällt zum Beispiel Janis' Abneigung gegen ihr Au-Pair-Mädchen, die niemals weiter erklärt wird, was auch nicht sein muss.
Janis wird als ambivalenter Charakter gezeichnet, was es dem Publikum nicht immer leicht machen wird, sie zu mögen. Sie macht Fehler, teilweise sogar desaströse und schockierende Fehler, doch verliert Almodovar niemals die Achtung für die Frau. Er kann und will ihr verzeihen, ihre Taten aber auch niemals beschönigen - zwischen den Zeilen ruht dabei eine Message, die für unsere Gesellschaft wahnsinnig wichtig ist und die gerade deswegen ohne erhobenen Zeigefinger, sondern eher leise unter dem eigentlichen Plot erzählt und so sicher nicht von allen wahrgenommen wird. Auch die restlichen Figuren sind nicht makellos und dem Regisseur ist es dabei spitzfindig gelungen, etliche interessante Charaktere zu versammeln, die wie aus dem Leben geschnitten wirken. Keine Überspitzungen, keine überinszenierten Dramen - das hat nicht immer Schwung, aber muss es auch nicht haben. Und wird es einem doch mal langweilig (wieso auch immer), ist Almodovars wunderbare Inszenierung mit seinen bunten Farben und der brillanten Kameraarbeit dafür da, um das Gesehene aufzuhübschen. Nur mit dem Score hat er es hin und wieder zu gut gemeint, wenn gar das Erhalten eines wichtigen Dokuments noch mit dramatischen Streichern untermalt wird, die so auch aus einem Hitchcock-Thriller stammen könnten und dementsprechend unpassend wirken.
Das Casting ist dann der letzte große Coup in einem ohnehin schon sehr packenden Drama. Die Leistung von Penelope Cruz lässt sich kaum hoch genug bewerten, denn wie sie ihrer ambivalenten Figur immer wieder den Hauch der Menschlichkeit, das Herz, aber auch den Hass mitgibt, ohne dabei aus den glaubwürdigen Mustern auszubrechen, ist schlichtweg atemberaubend. Mindestens ebenso stark wirft sich Milena Smit als Konterpart in den Ring - sie hat letztendlich nur ein wenig darunter zu leiden, dass der spätere Umschwung in eine Art Beziehungsdrama ihrer Figur nicht wirklich gut tut. Kurzzeitig sieht es gar so aus, als würde "Parallele Mütter" von einer historisch angehauchten, realistischen Geschichte in eine Art Kino-Soap abdriften. Zum Glück handelt es sich dabei aber auch nur um einen kurzen Ausreißer, bevor ein zentraler Konflikt wieder für ordentlichen Aufschwung und einige dramatische Momente sorgt. Und wenn der Film dann nicht nur mit einem perfekten letzten Bild, sondern auch mit einem passenden Zitat endet, welcher noch einmal das Herz des Werkes unterstreicht, ist man schon ziemlich zufrieden. Trotz einiger Hänger und seiner Sperrigkeit ein Drama, welches nachdenklich macht und noch länger nachwirken kann, wenn man sich denn darauf einlässt.

Fazit: Penelope Cruz und Milena Smit brillieren in diesem realistischen Mix aus Familiendrama und historischer Aufarbeitung. Unaufgeregt, packend und trotz einiger soapiger Abzweigungen sehr nahbar und wunderschön gefilmt.

Note: 2-



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