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Viele Schlüssel, viele Türen: Serienkritik zu ersten Staffel von "Locke & Key"

Nach dem plötzlichen Tod des Familienvaters Rendell (Bill Heck) zieht die Familie Locke, bestehend aus der Mutter Nina (Darby Stanchfield) und den drei Kindern Tyler (Connor Jessup), Kinsey (Emilia Jones) und Bode (Jackson Robert Scott), in ein großes Haus, welches schon seit Jahrhunderten im Besitz der Familie Locke ist. Der neue Lebensanstrich kommt besonders bei den älteren Tyler und Kinsey nicht gut an, während Bode von Anfang an begeistert ist von der mysteriösen Atmosphäre im neuen Heim... und sich auch gleich daran macht, dessen Geheimnisse zu lüften. Dabei stößt er auf einen mystischen Schlüssel, hört flüsternde Stimmen in den Wänden und findet gar eine geheimnisvolle Tür. Offenbar scheint das Haus deutlich mehr zu verbergen, als es zuvor zu erwarten war... und es droht auch eine Gefahr aus dem neuen Heim, die nach der Familie Locke trachtet.

Als eines der mittelgroßen Fantasy-Flaggschiffe konnte "Locke & Key" über drei Staffeln eine recht treue Fangemeinde um sich scharen. Im direkten Vergleich mit wesentlich komplexeren und auch inspirierter inszenierten Big-Budget-Stoffen wie "Game of Thrones" oder auch dem hauseigenen "Stranger Things" zieht diese Show jedoch eindeutig den Kürzeren, was besonders daran liegt, dass man sich wohl nicht so recht entscheiden konnte, an welches Zielpublikum man sich eigentlich wenden möchte. Tatsächlich scheint man sich aufgrund der eher simpel und klischeehaft gezeichneten Fantasy-Geschichte eher an ein jüngeres Publikum zu richten - inklusive neunmalklugem, ziemlich nervigem Kind, welches zu Beginn natürlich niemals ernstgenommen wird. Auf diesem Niveau dümpeln auch die oberflächlich gezeichneten Teenie-Konflikte vor sich hin, mit denen sich die Serie in ihrer ersten Hälfte ziemlich oft beschäftigt und die eher ein Bild einer harmloseren Show zeichnen, die komplexere Themen ziemlich versimpelt. Und dann läuft plötzlich ein mordender Dämon durchs Bild, Menschen werden beim Geschlechtsverkehr zu Tode gewürgt, es wird geflucht, gemobbt und ziemlich viel gekillt... und das immer wieder auf recht drastische Art und Weise. Düstere Szenen, die sich deutlich an Erwachsene richten, beißen sich dabei mit einer sehr einfach erzählten Geschichte und dünn geschriebenen Charakteren.
Als wollte man den Sinn aufs Spektakel richten (und da wird einem rein optisch schon einiges geboten), aber nicht mehr Aufwand für wirklich gutes Storytelling berappen, setzt man sich dabei zwischen alle Stühle: Erwachsene werden von den dünnen Teenie-Plots ziemlich gelangweilt, während Jüngere die arg horrorartigen Szenarien abschrecken könnten. Ziemlich cheesy sind dabei auch die Dialoge, die man gewählt hat, um die Charaktere, mit denen wir so viel Zeit verbringen, ein wenig zu vertiefen: Oftmals arg kitschig und sehr gestelzt und von den zumeist jungen Darsteller*innen relativ hölzern vorgetragen. Insbesondere die Nebenfiguren werden dabei von Menschen dargestellt, denen durchaus noch ein wenig Spielerfahrung gut getan hätte, wobei das Drehbuch, welches sie stets in genau ein Klischee drängt, aber auch keinen großen Gefallen tut. Nun könnte man argumentieren, dass man bei einer Young-Adult-Fantasy-Serie solcherlei Klischees normalerweise gleich mitkauft, wenn man sich für eine Sichtung entscheidet und bis zu einem gewissen Punkt geht solcherlei natürlich auch in Ordnung. Allerdings hat die Show innerhalb ihrer Fantasy-Elemente auch zu wenig Charme und Originalität zu bieten, obwohl die Ausgangslage über verschiedene Schlüssel, welche ihren Trägern unterschiedliche Fähigkeiten verleihen, eigentlich ein Paradebeispiel dafür wäre, dass man aus einem Sandkasten voller Möglichkeiten auch richtig viel machen kann.
Hat man sich an all diese mal mehr, mal weniger störenden Einzelteile gewöhnt und die Erwartungen ein wenig heruntergeschraubt, legt "Locke & Key" in dieser ersten Staffel aber noch mal gewaltig zu. Kurz nach der Halbzeit hat die Show einige ziemlich spannende Episoden zu bieten, die auch nicht mit überraschenden Wendungen und inszenatorischer Finesse geizen. Die finale Folge ist zwar ein wenig schwach auf der Brust, macht mit einigen interessanten Cliffhangern aber durchaus Lust auf die Fortführung der Geschichte. Und bis dahin konnte man sich immerhin dafür begeistern, dass das Tempo von Folge zu Folge weiter anstieg und die Macher mit einem letztlich recht gelungenen Pacing und genau dem richtigen Mix aus gegebenen Antworten und neuen Mysterien gut bei der Stange halten. Im Grunde ist nun überall noch deutlich Luft nach oben - vor allem was die Figuren, aber auch die noch arg klischeehaften Fantasy-Elemente angeht, die sich rein atmosphärisch doch schon sehr arg beim Netflix-Flaggschiff "Stranger Things" orientieren. Es ist aber auch sehr gut möglich, dass man diese Luft in den folgenden zwei Seasons noch atmet, wenn die etwas schwerwiegende Vorarbeit nun getan ist und man von Anfang an konsequent Vollgas geben kann. Ich bin gespannt, ob die Serie diese Steilvorlage nutzen kann und somit mehr bietet als nur Mittelmaß.

Fazit: Ein recht kruder Mix aus sehr düsterer Horror-Fantasy und simpler Teenie-Geschichte, der im Verlauf der zehn Folgen aber immer mehr an Fahrt aufnimmt. Die Figuren bleiben weitestgehend konturlos, während die Mystery-Inhalte, trotz vieler Klischees und ungenutztem Potenzial, recht packend geraten.

Note: 3-



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