Direkt zum Hauptbereich

Mehr als nur okay: Filmkritik zu "Not Okay"

Um den selbstverliebten, dauerkiffenden Influencer Colin (Dylan O'Brien) zu beeindrucken, täuscht die junge Foto-Redakteurin Danni Sanders (Zoey Deutch) vor, sich für mehrere Tage auf Reisen in Paris zu befinden, weil sie dort von einem vielversprechenden Autorencamp eingeladen wurde. Exakt zu diesem Zeitpunkt findet in Paris eine koordinierte Reihe von Bombenanschlägen statt, die Danni anschließend in ihre zuvor noch so harmlose Lüge einfügen muss. In einem Anflug von Größenwahn entschließt Danni, sich direkte Zeugin und Überlebende der Anschläge auszugeben. Rasch gewinnt sie durch diese Lüge an Ruhm, wird auf exklusive Partys eingeladen und steigt beruflich auf. Doch eine Begegnung mit wahren Überlebenden von Terroranschlägen, besonders der jungen Rowan (Mia Isaac), die einen Amoklauf an ihrer Schule überlebte, zeigen Danni schließlich, wie vielen Menschen sie mit ihrer Geschichte Schmerzen zufügt... selbst wenn diese noch gar nichts von dem Betrug wissen.

In einer (für den Streamingdienst Disney Plus mittlerweile übliche) vor dem Film laufenden Tafel werden wir bei "Not Okay" nicht nur vor den üblichen stroboskopischen Effekten gewarnt, sondern auch vor einer unsympathischen Hauptfigur. Was erst ein wenig seltsam wirkt, ist aber definitiv kein leeres Versprechen, denn Danni Sanders macht es einem wahrlich nicht leicht, sie auch nur ansatzweise zu mögen. Ganz zu Beginn, wenn "Not Okay" eine kleine Vorschau ins letzte Drittel der Geschichte wagt und aufzeigt, wie diverse Social-Media-User auf Danni's Lüge reagieren, hat man noch mehr als Mitleid mit ihr. Welcher Mensch könnte denn schon Vergleiche mit Adolf Hitler sowie direkte Todesdrohungen an sie selbst und ihre ungeborenen Kinder verdient haben? Niemand, so viel steht fest und auch die fiktive Danni Sanders nicht. Doch im weiteren Verlauf rollt der Film diese emotionalen Reaktionen quasi von hinten auf und zeigt dabei auf, dass die Wut des Volkes mehr als nur verständlich ist... und man dabei einige ganz empfindliche Nerven trifft.
"Not Okay" ist nicht nur eine weitere, simple Satire, die es sich zur Aufgabe gemacht, oberflächliche Influencer*innen und deren strunzdumme Hechtereien nach dem nächsten Erfolg aufzudecken. Solche Szenen gibt es hier natürlich auch (und diese sind wirklich nur schwer zu ertragen - auch weil sie so nah an der Realität dran sind), aber das ist nur der glitzernde Schein der Oberfläche. Stattdessen geht es um eine anfänglich noch völlig harmlose Lüge, die sich auch aufgrund des eisernen Willens seiner Protagonistin, die offenbar ohne jegliche Empathie geboren wurde, verselbstständigt. Dabei ist "Not Okay" zu Teilen herrlich frech, hat aber auch das Herz am rechten Fleck... und das bei einer Protagonistin, die so dermaßen unsympathisch ist, dass man ihr kaum zuschauen mag. Dabei schlägt man die Zuschauer*innen quasi mit eigenen Waffen und geht direkt dahin, wo es wehtut, denn nicht nur klärt der Film über die grauenvollen Lügen auf, die Danni ausspricht - er nimmt sich ebenfalls, und das ohne zu hoch erhobenen Zeigefinger, die Cancel-Culture-Bubbles vor, die stets gerne jeden den Suizid anbieten, der ihnen nicht mehr passt.
"Not Okay" ist dabei angenehm ambivalent und driftet nur selten in Sphären vor, die etwas arg veralbert daherkommen. Zu letzterem gehört dabei der Auftritt von "Maze Runner"-Star Dylan O'Brien, welcher als ständig zugedröhnter Influencer-Idiot zwar herrlich gegen den Strich besetzt wurde, darüber hinaus aber wirklich nur noch wie eine Karikatur ohne jeglichen Boden daherkommt. Was Zoey Deutch in der Hauptrolle tut, ist jedoch kaum hoch genug zu bewerten - sie agiert so wunderbar hassenswert, dass man förmlich an ihren Lippen hängt. Ganz gleich, ob sie es nun bedauert, bei den Terroranschlägen vom 11. September nicht dabei gewesen zu sein (!) oder nur wenige Wochen nach ihrem erfundenen Trauma schon grinsend für Zahnbleaching-Spannen post und dabei "Scheiß auf Terroristen!" in ihre Handykamera grölt - Deutch gibt absolut Vollgas und erschafft dabei eine unangenehme Performance, die noch lange nachwirkt. Als emotionaler Grundboden fungiert hingegen die bärenstarke Mia Isaac, die nicht nur für den kraftvollsten Konflikt verantwortlich zeigt, sondern in ihren eigenen Szenen auch eine schlichtweg brillante Kraft offenlegt.

Fazit: Nicht jede Pointe sitzt, doch in den besten Momenten (und davon hat dieser Film viele) ist "Not Okay" aufwühlend, provokant, lehrreich und regt zum Nachdenken an. Dabei macht es einem der Film nicht leicht und lädt zum Hinterfragen an - auch dank einer schlichtweg brillanten, dabei auch wahnsinnig schwer zu ertragenden Performance von Zoey Deutch als Möchtegern-Influencerin.

Note: 2- 



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Meine Erstsichtungen vom 08.07.24 bis zum 14.07.24

Girl You Know It's True: Musiker-Biopic von Simon Verhoeven, mit Tijan Njie, Elan Ben Ali, Matthias Schweighöfer, Bella Dayne, Mitsou Young und Graham Rogers Dem Film über das umstrittene Musik-Duo Milli Vanilli gelingt das Kunststück, einerseits ungemein unterhaltsam zu sein und andererseits einen der größten Skandale der Musikgeschichte zu erzählen, ohne ihn großartig auszuschlachten. Stattdessen gibt der Film den beiden verrufenen Künstlern ihre Würde zurück, indem er die Hintergründe des Aufstiegs und Falls der beiden Ikonen genau dezidiert und dabei nicht wütend mit dem Finger auf einen bestimmten Schuldigen zeigt - das ist dann auch für Kenner noch hochinteressant, bisweilen spannend und mit einigen emotionalen Tiefschlägen ausgestattet. Trotz einiger Längen hält Simon Verhoevens Regie den Film durchweg am Leben, die Musikszenen sind energetisch inszeniert. Zudem wissen nicht nur Tijan Njie und Elan Ben Ali in den Hauptrollen durchweg zu überzeugen, sondern auch Matthias Schw...

Cold Comes the Night

Die alleinerziehende Mutter Chloe (Alice Eve) leitet ein heruntergekommenes Motel, wo immer wieder zwielichtige Gäste eintrudeln und sogar die örtlichen Prostituierten ein Zimmer nehmen, um sich mit ihren Kunden zu vergnügen. Für Chloes Tochter Sophia (Ursula Parker) ist dies kein geeigneter Wohnort, findet das Jugendamt, und droht deswegen sogar damit, sie Chloe wegzunehmen. Als eines Abends ein mysteriöser Reisender (Bryan Cranston) um ein Zimmer für eine Nacht bittet und sich bereits am Empfang merkwürdig verhält, wird Chloe bereits hellhörig. In der Nacht fallen plötzlich Schüsse und zwei Bewohner der Appartements werden tot aufgefunden. Doch ist dies erst der Beginn einer wahren Tortur, durch welche Chloe in den nächsten Stunden noch wird gehen müssen... Es gibt durchaus einige Filme, bei denen ich mich nachträglich mehr als gewundert habe, warum diese nicht das Licht der Leinwand erblickt haben, sondern direkt für den Heimkinomarkt ausgewertet wurden - noch vor Zeiten von großen ...