Direkt zum Hauptbereich

Emmerichs ganz große Pleite: Filmkritik zu "Moonfall"

Im Jahr 2011 kam es während einer NASA-Mission zu einem seltsamen Vorfall, bei welchem ein Astronaut zu Tode kam. Brian Harper (Patrick Wilson), der bei der Mission anwesend war, schwört, dass er einen Nanopartikelstrom erblickt hat, welcher den Unfall verursacht hat. Natürlich stößt er mit seiner Aussage auf taube Ohren und verliert seinen Job. Mehrere Jahre später macht der Hobby-Wissenschaftler K.C. Houseman (John Bradley) jedoch eine unglaubliche Entdeckung, die Harpers Geschichte in eine glaubwürdige Richtung lenkt: Der Mond hat seine Umlaufbahn verlassen und scheint nun direkt auf die Erde zuzusteuern. Schnell bricht Panik aus, als die Welt ihrem Untergang entgegensieht - doch Harper und Houseman haben einen Plan, der diesen doch noch verhindern könnte... 

Einen Film von Roland Emmerich anzugreifen, ist leicht. Doch Fans wissen seit Dekaden, was sie von dem Schwaben, der auf der Leinwand gerne mal unseren Planeten in Schutt und Asche legt, bekommen und sie sind ansatzweise immer dazu bereit, diverse Schwächen im Drehbuch in Kauf zu nehmen, wenn es dafür ganz kräftig rummst. In Emmerichs neuestem Streifen "Moonfall" müssen sie dafür auch wieder einiges aushalten, denn was dieser hier in Sachen Charakterzeichnung, Plot und Dramaturgie abliefert, ist ziemlicher Käse. Sicherlich kann man auch den besseren oder richtig starken Werken Emmerichs vorwerfen, dass sie nicht allzu intelligent erzählt sind, doch immerhin gab es dabei immer wieder einige charmante Figuren, clevere Einfälle und vor allem eine brachiale, packende Inszenierung. All das fehlt in "Moonfall" nun jedoch vollständig, da sich Emmerich nur noch ausschließlich auf dem Nötigsten ausruht und selbst dieses ihm aus den Händen zu gleiten droht.
Dabei packt er seinen zweistündigen Katastrophen-Thriller mit allem voll, was das Genre hergibt (oder normalerweise nicht hergibt) und hetzt dabei in atemlosem Tempo zwischen Familiendramen, Survival-Thrillern, Science-Fiction und Komödie hin und her. Dass "Moonfall" sich dabei nicht rund anfühlt, ist kein Wunder... dass er darüber hinaus aber kein Quäntchen Charme hat, ist irgendwie schade. Wie auf einer Checkliste hakt er die altbekannten Familiengeschichten seiner sterbenslangweiligen Figuren in den ersten zwanzig Minuten ab und verliert schon früh den Überblick über das große Ensemble. Dialoge waren nie Emmerichs Stärke, doch das, was sich die Charaktere hier zubrüllen, erfüllt nicht einmal den Standard und verursacht regelmäßig Zahnschmerzen - das ist höchstens das Michael-Bay-Niveau der letzten "Transformers"-Filme, und dabei auch noch ohne nötige Selbstironie. Man kann dem "10.000 B.C."-Regisseur letztendlich zwar nicht vorhalten, dass er bezüglich der Wendungen, die der Film in der letzten halben Stunde nimmt, nicht originell wäre. Trotzdem ist das, was er dabei abliefert, nicht nur albern, sondern Schwachsinn der allerhöchsten Güte.
Gut, man könnte all dies abnicken, wenn sich Emmerich darüber hinaus auf seine veritablen Stärken verlassen würde - Katastrophenszenarien mit voller Wucht zu entwickeln. Dass er das kann, hat er mehrfach über die tosenden Computereffekte hinaus bewiesen, wenn die Endzeit-Szenen in seinen besten Filmen wie "Independence Day", "The Day After Tomorrow" und "2012" nicht nur optisch rocken, sondern auch eine enorme Bedrohlichkeit erfahren. Für solcherlei atmosphärischen Schnickschnack hatte Emmerich hier aber entweder keine Zeit oder kein Interesse mehr, weswegen er jegliches Potenzial für einen richtig feinen Weltuntergang sang- und klanglos verstreichen lässt. Immer wieder sieht man, dass seine Bilder dazu in der Lage wären, richtig Angst zu machen: Wenn der Mond plötzlich am Horizont auftaucht und die Gravitation einer ganzen Bergkette außer Kraft setzt, hat das trotz der teilweise arg künstlichen Computereffekte ordentlich Kinetik. Die Dramaturgie dieser erstaunlich kurzen Szenen ist aber ein furchtbares Desaster: Die von all diesen Katastrophen komplett unbeeindruckten Charaktere fügen sich nicht ins Bild ein, Emmerich hat das Gespür für eine Verbindung zwischen menschlichen Schicksalen und knallendem Effektgewitter vollkommen verloren. Noch nie waren seine Weltuntergangs-Szenarien so emotionslos und ohne jede Leidenschaft abgehakt wie hier - und das will angesichts der zumindest auf dem Papier turbulenten Szenen, in denen eine Gravitations-Flutwelle sowohl vorwärts als auch nach oben steigt, schon etwas heißen.

Fazit: Mit "Moonfall" ist der sinkende Stern des Katastrophen-Genies auf dem Boden angekommen. Ein leidenschaftsloses Effektgewitter ohne jeglichen Sinn, ohne Dramatik, ohne Herz. Dafür aber mit vollkommen blassen Charakteren und hirnrissigen Wendungen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen.

Note: 4-



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Meine Erstsichtungen vom 08.07.24 bis zum 14.07.24

Girl You Know It's True: Musiker-Biopic von Simon Verhoeven, mit Tijan Njie, Elan Ben Ali, Matthias Schweighöfer, Bella Dayne, Mitsou Young und Graham Rogers Dem Film über das umstrittene Musik-Duo Milli Vanilli gelingt das Kunststück, einerseits ungemein unterhaltsam zu sein und andererseits einen der größten Skandale der Musikgeschichte zu erzählen, ohne ihn großartig auszuschlachten. Stattdessen gibt der Film den beiden verrufenen Künstlern ihre Würde zurück, indem er die Hintergründe des Aufstiegs und Falls der beiden Ikonen genau dezidiert und dabei nicht wütend mit dem Finger auf einen bestimmten Schuldigen zeigt - das ist dann auch für Kenner noch hochinteressant, bisweilen spannend und mit einigen emotionalen Tiefschlägen ausgestattet. Trotz einiger Längen hält Simon Verhoevens Regie den Film durchweg am Leben, die Musikszenen sind energetisch inszeniert. Zudem wissen nicht nur Tijan Njie und Elan Ben Ali in den Hauptrollen durchweg zu überzeugen, sondern auch Matthias Schw...

Cold Comes the Night

Die alleinerziehende Mutter Chloe (Alice Eve) leitet ein heruntergekommenes Motel, wo immer wieder zwielichtige Gäste eintrudeln und sogar die örtlichen Prostituierten ein Zimmer nehmen, um sich mit ihren Kunden zu vergnügen. Für Chloes Tochter Sophia (Ursula Parker) ist dies kein geeigneter Wohnort, findet das Jugendamt, und droht deswegen sogar damit, sie Chloe wegzunehmen. Als eines Abends ein mysteriöser Reisender (Bryan Cranston) um ein Zimmer für eine Nacht bittet und sich bereits am Empfang merkwürdig verhält, wird Chloe bereits hellhörig. In der Nacht fallen plötzlich Schüsse und zwei Bewohner der Appartements werden tot aufgefunden. Doch ist dies erst der Beginn einer wahren Tortur, durch welche Chloe in den nächsten Stunden noch wird gehen müssen... Es gibt durchaus einige Filme, bei denen ich mich nachträglich mehr als gewundert habe, warum diese nicht das Licht der Leinwand erblickt haben, sondern direkt für den Heimkinomarkt ausgewertet wurden - noch vor Zeiten von großen ...