Direkt zum Hauptbereich

Ein Film, der nicht weiß, was er sein will: Filmkritik zu "Hunter Hunter"

Joseph Mersault (Devon Sawa), seine Ehefrau Anne (Camille Sullivan) und die gemeinsame, dreizehnjährige Tochter Renee (Summer H. Howell) leben tief im Wald ein Leben voller Entbehrungen. Anne hadert seit Jahren damit und liebäugelt mit einem Leben, welches Renee eine richtige Schule ermöglichen würde, doch Joseph hält von diesen Plänen wenig. Und als wären finanzielle Engpässe und Hungersnot nicht schon genug, um dieses Leben auf die Probe zu stellen, treibt sich nun scheinbar auch noch ein gefährlicher Wolf in ihrer Nähe herum, welcher die gefangenen Wildtiere frisst. Als sich Joseph auf die Jagd nach dem Tier begibt, macht er jedoch eine erstaunliche Entdeckung, die ihm weismacht, dass im Wald noch weitere Bedrohungen hausen...

Beworben wurde "Hunter Hunter" eigentlich als knallharter Horror-Thriller, wovon man über einen Großteil der Laufzeit nichts spürt. Das muss nichts Schlechtes sein, denn für ein falsches Marketing kann ein Film wie dieser im Grunde nichts, der weniger Horror- als viel mehr ein Survival-Thriller der alten Schule ist, garniert mit einer großen Portion Familiendrama. Die Konflikte innerhalb der dreiköpfigen Familie erinnern an intensive Dramen wie "Leave No Trace", an welches besonders die Beziehung zwischen Vater und Tochter erinnert, sowie an den wesentlich heitereren "Captain Fantastic". Und auf dieser Ebene macht "Hunter Hunter" prinzipiell vieles richtig. "Final Destination"-Star Devon Sawa gibt seinen Familienvater als schweigsamen und strengen Mann, der seiner Tochter aber auch viel Liebe und Wissen mit auf den Weg gibt. Wenn beide sich gemeinsam auf eine Jagd begeben, machen Sawa und die talentierte Jungschauspielerin Summer Howell die tiefe Verbundenheit der beiden Figuren zueinander durchgehend spürbar.
Den interessantesten, weil ambivalentesten Charakter verkörpert eigentlich aber Camille Sullivan - ihre Anne hadert mit dem entbehrungsreichen Leben fernab der Zivilisation und am liebsten würde sie einfach nur raus in die richtige Welt. Wirklich in die Tiefe gehen wollten die Macher hierbei aber offensichtlich nicht und reißen all diese im Grunde interessanten Eckpfeiler nur an, um sie letztendlich nicht mehr weiterzuverfolgen. Sobald sich die bedrohlichen Ereignisse im Wald nämlich zuspitzen, spielen die Beziehungen der Charaktere zueinander und auch ihre menschlichen Konflikte nur noch eine allenfalls untergeordnete Rolle. "Hunter Hunter" wechselt dabei arg sprunghaft den Tonfall, was durch die recht fahrige und nur selten wirklich packende Inszenierung von Shawn Linden zu einer wahren Geduldsprobe wird. Spätestens wenn er seine ohnehin recht simple Geschichte noch mit einem völlig entbehrlichen Nebenplot rund um zwei Naturschützer aufbauscht, herrscht ziemlich schnell Langeweile, da Linden die Auflösung seines Mysteriums möglichst lange hinauszögern will.
Diese Auflösung hat unter Kritikern und Fans dann für den größten Aufschrei in positiver Hinsicht gesorgt und es ist auch ein recht simpler Trick, den sich Linden dabei zu eigen macht. Obwohl er im Mittelteil wenig bis gar nichts zu erzählen hat, schleicht er atmosphärisch auf den sich am Horizont entfaltenden Knalleffekt zu, den jeder erwartet und der dann natürlich auch kommt und für den sich das Warten dann doch immerhin gelohnt haben soll. Was dieser Mumpitz am Ende jedoch soll, hat sich für mich in dramaturgischer Hinsicht nicht mehr erschlossen. Als hätten sich die Macher nur wenige Minuten vor Drehschluss noch dazu entschlossen, den Survival-Film in die Gore-Ecke zu schieben, wird eine tonal noch einmal völlig andersartige, blutige Szenerie hinterhergeschoben, die fast nichts mehr mit dem restlichen Film gemein hat. Die ist dann zwar ziemlich brutal, hinterlässt aber den Eindruck vollkommener Willkür - sie ist nicht nur schlecht, sondern so gut wie gar nicht vorbereitet und macht somit den Eindruck, dass die vorherige, achtzigminütige Einführung der Ereignisse im Grunde vollkommen egal war.

Fazit: Inszenatorisch arg durchwachsener, tonal unentschlossener und letztendlich dramaturgisch vollkommen unsinniger Survival-Thriller, der seine interessanten Dramaaspekte zugunsten einer behäbigen und aufgebauschten Hetzjagd aufgibt, sodass auch nach dem blutigen Abschluss niemand mehr weiß, was man hier eigentlich wie und wieso erzählen wollte.

Note: 4



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se