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Provokationen aus dem Nonnenkloster: Filmkritik zu Paul Verhoevens "Benedetta (2021)"

Schon in jungen Jahren kam Benedetta Carlini (Virginie Efira) als Novizin in ein Kloster der Stadt Pescia. Dort wurde ihre Liebe zu Jesus und Gott gelehrt, welche Benedetta so ehrfürchtig annahm, dass sie gar von realistisch anmutenden Visionen heimgesucht wurde. Ihre Liebe zu Gott scheint jedoch auf eine Probe gestellt zu werden, als die von ihrem Vater missbrauchte Bartolomea (Daphne Patakia) Zuflucht im Kloster sucht und Benedetta schon bald deutliche Avancen macht. Was diese erst als Frevel ablehnt, wird jedoch mit fortschreitender Zeit, die beide miteinander verbringen, immer deutlicher: Nicht nur entwickelt Benedetta Gefühle für ihre Schwester, sondern sieht auch sich selbst als freie Frau, die mit ihrer Lust umgehen sollte, wie es ihr beliebt. Dieses Verhalten zieht jedoch bald den Argwohn der Mutter Oberin Felicita (Charlotte Rampling) auf sich...

Auch in seinen (womöglich) letzten Karrierejahren möchte Paul Verhoeven seinen Ruf als gnadenloser Provokateur nicht ablegen und bleibt dadurch seiner Linie treu. Selbst in den Werken, die man noch deutlicher dem Mainstream zuordnen konnte, wie "RoboCop" oder "Basic Instinct", wollte Verhoeven Grenzen sprengen, provozieren, einen Aufschrei verursachen. Nun ist ein Angriff auf die katholische Kirche zu heutigen Tagen relativ leicht, wenn man sich all die schrecklichen Skandale ansieht, doch wie Verhoeven diesen in seinem Werk "Benedetta" verpackt, ist zumindest... nun ja, originell. Definitiv dürften sich einige hochgläubige Christen schon mehr als nur verschaukelt vorkommen, wenn Verhoeven hier so richtig aufräumt und dabei deutliche Wagnisse eingeht. Simpel gesagt: Der Regisseur agiert hier so provokant und auch so deutlich wie vielleicht noch nie, was manch einem böse aufstoßen könnte, dabei aber genau dahin trifft, wo es soll. Tatsächlich greift er nämlich niemals die Religion an sich an, drückt dem freien Glauben gar tatkräftig die Daumen... doch die Kirche als solches bekommt dafür auf drastische Art und Weise ihr Fett weg.
Dabei überschreitet er jedoch mehr als einmal die Grenzen - "Benedetta" ist immer dann am besten, wenn er zwar mit erhobenem Zeigefinger, aber auch cleverem Köpfchen auf die altbekannten Missstände aufmerksam macht. Da geht es weniger um richtigen Glauben als viel mehr um Geld und eine Frau sollte sich in ihrem Körper ohnehin nicht wohlfühlen, da dieser ihr größter Feind sei - deswegen werden auch möglichst kratzige Hemden getragen. Wenn Verhoeven die spektakulären Visionen, die Benedetta hier und da urplötzlich erlebt, jedoch in einer kruden Mischung aus Quentin Tarantinos Werken, den Monty-Phyton-Filmen und einem anti-katholischen Hochglanz-Werbespot auffährt, ist es dann doch wieder zu viel. Das, was Verhoeven uns hier auch abseits der Geschichte von zwei jungen, selbstbestimmten Frauen lehren will, hätte auch ohne dieses effekthascherische, teilweise verstörende und zudem ziemlich veralberte Drumherum funktioniert. In Momenten wie diesen, in denen "Benedetta" trotz aller Sensibilität und Offenheit droht, den Boden unter den Füßen einzubüßen, ist er plötzlich keine knallharte Satire mehr, sondern wird zu seiner eigenen Parodie.
Und es ist diese ziemlich seltsame Mixtur aus absolutem Größenwahn, der aber in einer sehr intimen, kleinen Geschichte stattfindet, die nicht so richtig schmecken darf. Verhoeven hat ein Auge für das Sinnliche, er will dabei aber sicherlich nicht geschmackvolle Erotik servieren. Er nimmt seine weiblichen Hauptfiguren sehr ernst, lässt ihre Konflikte aber hin und wieder auch ziemlich ungeniert fallen und verfängt sich in Klischees. An den Leistungen von Virginie Efira und Daphne Patakia lässt sich rein gar nichts aussetzen - beide agieren ungemein mutig, mit dem Schalk im Nacken und mit einer achtsamen Ausstrahlung, die einen noch länger verfolgt. Und das auch "Die Herzogin"-Star Charlotte Rampling ihre Rolle als gar nicht so einseitige Mutter Oberin ganz fantastisch macht, hat vorab wohl ohnehin niemand ernsthaft bezweifelt. Und obwohl man immer wieder von den Leistungen der Darstellerinnen und Verhoevens ungezügelter Inszenierung beeindruckt ist, so scheint dies am Ende doch eine reichlich unrunde Sache. Eine etwas unentschlossene, aber nichts desto trotz nachdrückliche Mixtur aus sinnlichem, erotischem Drama, feministischer Historie und grotesker Kirchen-Satire. Das hat man so auch noch nicht gesehen - man fragt sich nur, ob man das auch brauchte.

Fazit: Darstellerisch hervorragend, inszenatorisch brachial, gefühlvoll, aktuell, provokant... und dennoch wollte Verhoeven hier zu viel. Die Grenzen einer Satire hin zur überekstatischen Parodie sprengt er manchmal schmerzhaft, weswegen seine im Kern tollen Botschaften oftmals viel zu effekthascherisch ausfallen und dabei die intime Geschichte überlagern.

Note: 3



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