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Ein Vampir-Antiheld ohne Biss: Filmkritik zu "Morbius"

Seit vielen Jahren sucht der angesehene und mit einem Nobelpreis ausgezeichnete Dr. Michael Morbius (Jared Leto) nach einem Heilmittel für die seltene Blutkrankheit, an welcher sowohl er als auch sein guter Freund Loxias Crown (Matt Smith) seit ihrer Kindheit leiden. Der Durchbruch einer Forschung lässt Morbius dazu verleiten, das Mittel an sich selbst auszuprobieren, doch geht dieser Versuch böse nach hinten los: Der Wissenschaftler wird zwar von seiner Krankheit geheilt, verwandelt sich jedoch in ein blutsaugendes Monstrum, welches seine Gelüste nach dem roten Lebenssaft nicht mehr unter Kontrolle hat. Schockiert von der Wandlung versucht Morbius, diesen Akt geheimzuhalten, doch erfährt sein Freund Crown recht früh von dem Heilmittel und scheint die dunkle Seite dieser Heilung gerne aufzunehmen... auch unter Opfern.

Weiterhin versucht auch Sony sein eigenes Superhelden- oder eher Antihelden-Universum rund um bekannte Figuren, die in direktem Kontakt zum megaerfolgreichen Spider-Man stehen, aufzubauen. Teils mit dem großen Marvel Cinematic Universe in Details verbunden, aber weitestgehend unabhängig (aufgrund diverser Rechte-Konflikte ist die Lage immer noch ziemlich neblig) versucht man dabei, einen ähnlichen Erfolg aufzustellen wie Disney mit seinen Filmen und Serien rund um die Avengers. Mit den beiden "Venom"-Filmen ging das finanziell an den Kinokassen zwar auf, doch so richtig zufrieden war eigentlich niemand mit diesem Startschuss. Und nur wenige Monate nach dem zweiten, ziemlich desaströsen "Venom"-Streifen setzt Sony auch gleich den nächsten Eckpfeiler für seine große Bösewichte-Reihe und liefert "Morbius" direkt hinterher. Damit beweist man aber nur noch einmal, dass man ohne die Rückendeckung von Disney und die Hilfe eines bereits erbauten Film-Universums, ziemlich aufgeschmissen ist, so etwas wie eine Kohärenz aufzubauen. "Morbius" dürfte dabei jetzt schon als böser Tiefpunkt in einer gefühlt gerade erst gestarteten Reihe gelten.
Spürbar ist, dass sich die Verantwortlichen ohnehin mit dem absoluten Minimum zufrieden geben - hoffend, dass die lechzenden Fans, die ohnehin alles aufsaugen, was nur ansatzweise mit Comicverfilmungen zu tun hat, sowieso schon in die Lichtspielhäuser rennen werden. Und da das Geld also ohnehin reinkommt, liefert man eine generische, vorhersehbare und dilletantisch erzählte Geschichte ab, die nicht nur mit einem katastrophalen Pacing, sondern auch mit furchtbar eindimensionalen Figuren aufwartet. Alles an "Morbius" fühlt sich wie eine Checkliste für einen mittelmäßigen Superhelden-Film an - Actionszenen werden uninspiriert immer dann eingewoben, wenn eine Ruhepause zu lang erscheint; eine Frauenfigur, die nur dafür da ist, um aus Schwierigkeiten gerettet zu werden, ist dabei; ein vollkommen blasser Bösewicht als reine, nur noch einmal finstere Kopie des "Helden" muss als Feindbild herhalten; und dann gibt es natürlich auch noch ein paar Verweise auf das größere Ganze der Reihe. In den zwei End-Credits-Scenes, die zu einer modernen Comicverfilmung mit dem Platz in einem größeren Universe mittlerweile zwingend dazugehören, pfeift man dann auch so arg auf jegliche innere Kontinuität, dass man diese auch als Mittelfinger für die Fans verstehen könnte. Der Zwang, hier auf Teufel komm raus irgendeine emotionale Reaktion zu entlocken, ist wahrhaft bezeichnend.
Erstaunlicherweise kann man Jared Leto dabei am wenigsten einen Vorwurf machen, denn der hält sich, ganz im Gegensatz zu seinen wahnsinnig nervigen Überdrehungen in "Suicide Squad" und "House of Gucci", diesmal doch recht angenehm zurück und geht als Protagonist soweit gar in Ordnung. Von den restlichen Figuren muss man aber kaum reden - Matt Smith ist als vollkommen lächerlicher Bösewicht eine simple Karikatur und sobald "Fast & Furious"-Raser Tyrese Gibson plötzlich als ebenso grimmiger wie verzichtbarer FBI-Agent, auf einem Zahnstocher herumkauend, ernstgenommen werden will, fängt man als Zuschauer*in bereits an, sich zu bepullern. Doch auf darstellerische Kost legt man es hier sowieso nicht an, weswegen man den Darsteller*innen, die mit halbgaren Figurenprofilen ausgestattet werden, nicht viel ankreiden sollte. Auch visuell liefert man übrigens nur ein Sparpaket ab, welches bezüglich der Computereffekte äußerst mittelmäßig daherkommt und zudem noch mit einem sehr kurzen Showdown aufwartet, bei dem man aufgrund der Düsternis und der schnellen Schnitte so gut wie gar nichts mehr erkennen kann. Letztendlich bleibt nur die Hoffnung, dass sich dieses filmische Universum zukünftig nicht stärker mit dem verwebt, was Marvel und Disney gemeinsam noch durchpauken... denn Tom Holland, Benedict Cumberbatch und Co. in solcherlei filmischen Machwerken wiedersehen zu müssen, das würde mir schon ziemlich wehtun.

Fazit: "Morbius" ist eine filmische Pleite, die sich auf dem Allernötigsten ausruht - banal geschrieben, visuell wenig aufregend, mit platten Figuren und einer klischeehaften Handlung ausgestattet. Ein Film, der nur von seinem Universums-Unterbau leben will und selbst dabei kläglich scheitert.

Note: 5+



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