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Das ist neu, das kennen wir schon: Filmkritik zu "Lamb (2021)"

Maria (Noomi Rapace) und ihr Ehemann Ingvar (Hilmi Snaer Guonason) führen ein bescheidenes und abgeschiedenes Leben auf einer kleinen Farm. Dort versuchen sie nicht nur, völlig auf sich gestellt, mit einem dramatischen Einschnitt zurechtzukommen, sondern haben auch alle Hände voll damit zu tun, ihr Heim zu gestalten. Besonders viel Arbeit nimmt dabei die Züchtung mehrerer Schafe in Anspruch, die fast rund um die Uhr gefüttert und umsorgt werden müssen. Als sich Maria eines Tages dazu entschließt, in das Leben der Schafe einzudringen, bringt sie dabei nicht nur den mit Unverständnis reagierenden Ingvar gegen sich auf, sondern setzt auch eine Kette von Ereignissen in Gang, welche die kleine Familie zerrütten oder sie doch noch retten könnte...

Wenn das Studio A24 mal wieder einen Horrorfilm auf das Genre-Publikum loslässt, dann weiß man, dass man hier nicht mit dem üblichen Einerlei zu tun bekommt. Bekannt für spaltende und oftmals sperrige Filme wie "Midsommar" wollen die Filmemacher, die dafür angeheuert werden, noch über dem Horror hinaus etwas erzählen, wo sich der Mainstream oftmals im Immergleichen suhlt. Diesen Vorwurf muss sich der Mainstream-Horror ja seit Jahren (teilweise auch zurecht) gefallen lassen - dass da stets die gleichen Jumpscares und Plots abgeliefert werden, die man so schon zigmal gesehen hat. Doch nun muss man auch einem auf deutlich mehr Intelligenz und Originalität gepolten Werk wie "Lamb" einen solchen Vorwurf machen und das nicht, weil dieses plötzlich dem Mainstream verfallen würde - ganz im Gegenteil. Allerdings haben wir uns an die inszenatorische Machart der A24-Filme irgendwie auch wieder gewohnt: Horrorfilme, die sich eher als sperrige Kunst verstehen und dabei das Gehirn ebenso angreifen wie die Gefühle.
Doch auch das ist, wenn man Filme wie "The Witch" schon mehrfach gesehen hat, zumindest zu Teilen ausgelutscht. Man schwelgt in düsteren Bildern der unbarmherzigen und ebenso schönen Natur, eine drückende, teils unangenehme Atmosphäre herrscht und in der ersten halben Stunde passiert, bis auf einige überdeutliche Andeutungen, im Grunde wenig bis gar nichts. Das soll nun gar nicht so streng klingen, denn die atmosphärischen Bilder von Regisseur Valdimar Johannsson, der hier sein erstes Langfilm-Werk abliefert, haben durchaus etwas für sich. Und auch die bedrohliche Grundstimmung in Kombination mit einem kaum durch Worte charakterisierten Familiendrama ermöglichen eine Stimmung, die man so in einem Horrorfilm nicht alle Tage erlebt. Und doch ist das Prinzip mittlerweile durchschaubar, denn Filme wie dieser spannen ihre Zuschauer*innen durchaus auf die Folter, lösen die Versprechen, die sie dabei geben, aber kaum ein.
Natürlich ist der Plot oder zumindest dessen Umsetzung originell und man sollte tunlichst möglichst wenig darüber wissen, was in diesem Film vor sich geht, um von einigen Wendungen ordentlich abgeholt zu werden. Letztendlich ist eine zentrale und ziemlich obskure Enthüllung nach rund einer halben Stunde aber auch das einzige Merkmal, auf dem "Lamb" sehr auswalzend herumreitet und das ist dann, bei aller inszenatorischen und schauspielerischen Power (Noomi Rapace gibt hier wirklich eine zurückhaltende Glanzleistung ab), doch etwas zu wenig. Vor allem, da sich die zuvor so langsam aufgebauten Bedrohungsszenarien mit dem finalen Clou als ein ziemliches Vakuum entpuppen und man sich somit durchaus ein wenig verschaukelt vorkommen darf. Die zentrale Message über einen schweren Verlust sowie die über den Menschen, der in die Natur eingreift, sind zwar ansehlich verpackt, werden einem aber auf Dauer so konstant auf den Tisch geknallt, dass es irgendwann schlichtweg nervt. Und da "Lamb" über seine skurille und ziemlich erschütternde Ausgangslage, sobald sie denn enthüllt ist, auch nicht mehr viel zu erzählen hat, kommt das dann doch schon eher platt daher.

Fazit: Eine schauerliche Atmosphäre, eine saubere Inszenierung und einige ziemlich skurille und unheimliche Ideen reichen leider nicht. "Lamb" walzt seine faszinierend-gruselige Grundidee bis zum Äußersten aus und hat darüber hinaus leider nicht viel zu bieten als das, was man uns hier vehement vor den Latz knallt. Ein Vakuum von einem Horror-Drama - aber eines, welches wirklich wunderschön gefilmt und mutig inszeniert ist.

Note: 3-



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