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Superheld im Ruhestand: Filmkritik zu "Samaritan"

Der dreizehnjährige Sam Cleary (Javon Walton) ist aus Geldnot kurz davor, in wirkliche Bedrängnis abzurutschen. Um seiner Mutter Isabelle (Dascha Polanco) bei der Begleichung der Mietschulden zu helfen, lässt er sich darauf ein, mit der Gang des finsteren Kriminellen Cyrus (Pilou Asbaek) Straftaten zu begehen. Schnell gerät Sam dabei selbst in Gefahr und ins Fadenkreuz von Cyrus' Häschern - dabei eilt ihm allerdings sein Nachbar Joe Smith (Sylvester Stallone) zur Hilfe. Da dieser die Männer mit scheinbarer Mühelosigkeit ausschaltet, ist Sam daraufhin fest davon überzeugt, dass Smith ein Superheld ist... und nicht nur irgendeiner! Tatsächlich glaubt Sam, dass sein Nachbar der seit vielen Jahren verschollene "Samaritan" ist, der einst über die Stadt wachte.

Nach Ron Howards Katastrophen-Drama "Dreizehn Leben" ist der Superhelden-Actioner "Samaritan" bereits der zweite große Blockbuster, der nicht seinen geplanten Kinostart erhält, sondern stattdessen direkt an den Streamingdienst Amazon Video abgeschoben wird. Dabei macht der Film an und für sich gar keine schlechte Figur und taugt sogar als ziemlich solide Abwechslung zu all den gigantomanischen Helden-Exzessen rund um Marvel und DC aus den vergangenen Monaten. Dabei wird weniger auf Wert auf nicht enden wollende Action-Setpieces gelegt, sondern die langsam aufkeimende Beziehung zwischen dem aufgeweckten Sam und dem Eigenbrödler Joe gelegt. Und diese kommt durchaus charmant daher, was vor allem Stallones Verdienst ist: Der verkörpert mit dem knurrigen Joe Smith sicherlich keine neue Kultrolle, kann mit seinem rustikalen Charme aber immer wieder einige Lacher ernten und hatte offensichtlich durchaus Spaß an der Rolle - auch wenn man ihm deutlich anmerkt, dass sein fortgeschrittenes Alter seine Bewegungen verlangsamt hat.
Im direkten Vergleich agiert der junge Javon Walton, unter anderem bekannt aus der HBO-Serie "Euphoria", zwar deutlich lebendiger, aber weniger glaubwürdig. Aufgrund seiner pubertären Starrköpfigkeit birgt dieser Charakter schon auf dem Papier ein gewisses Nervpotenzial und die etwas aufgesetzt wirkende Performance von Walton, der somit nicht mit deutlich talentierteren Kinderdarstellern seines Alters konkurrieren kann, liefert diese vor allem auch dann ab, wenn er nicht mit Stallone in gemeinsamen Szenen agiert. Deutlich schlimmer hat es dann aber den Bösewicht erwischt, der von Pilou Asbaek verkörpert wird und dabei den gewohnt eindimensionalen und ziemlich langweilien Obermacker präsentiert. Der "Game of Thrones"-Star hatte zwar augenscheinlich erneut viel Spaß daran, hier mal so richtig den fiesen Gangster raushängen zu lassen, kann seiner ohnehin lauwarm geschriebenen Figur aber auch keinerlei interessante Facetten abringen, die über böse Blicke und gefährliches Hammerschwingen hinausgehen.
Und trotz all dieser dramaturgischen Schwächen, bei denen vor allem die Figuren ziemlich eindimensional geschrieben sind, hat "Samaritan" immer wieder interessante Themen zu bieten. Viele von ihnen, wie die Lehre von Recht und Unrecht oder die Zeichnung einer Stadt als gefährliches Pulverfass, werden zwar nur angerissen, liefern aber ein ziemlich düsteres und interessantes Bild, welches über das eines rein oberflächlichen Comic-Blockbusters hinausgeht. Umso verwirrender ist, dass man sich angesichts einer solch finster anmutenden Ausgangslage dafür entschieden hat, den Film für ein möglichst großes Publikum freizugeben. Sogar der an und für sich spannende und optisch ansprechende Showdown hat deutlich darunter zu leiden, dass einzelne Scharmützel zugunsten einer niedrigeren Altersfreigabe ziemlich undynamisch geschnitten wurden. Darüber hinaus gibt es aber wenig, was an "Samaritan" wirklich ärgerlich ist... aber auch kaum etwas, was man so nicht schon mal besser gesehen hat. Es ist ein durchaus charmanter und knurriger, aber auch schnell wieder vergessener Blockbuster, der in den Kinos wahrscheinlich auch nicht viel Zuspruch gefunden hätte.

Fazit: Sylvester Stallone trägt diesen Comic-Blockbuster mit seiner zynischen Performance und seinem rustikalen Charme durchaus. Dramaturgische Schwächen, blasse Charaktere und eine Geschichte, die man durchaus etwas tiefer hätte erzählen sollen, erzeugen jedoch das Bild eines äußerst durchschnittlichen Films, bei dem mehr drin gewesen wäre.

Note: 3-



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