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Teenies im Hitchcock-Style: Kritik zum Netflix-Original "Do Revenge"

Lange war Drea Torres (Camila Mendes) die unangefochtene Königin der High School... bis ein eigentlich ausschließlich für ihren Freund Max (Austin Abrams) bestimmtes Nackt-Tape von ihr plötzlich an die ganze Schule versendet wird. Drea wird anschließend ausgegrenzt und schwört auf Rache - da sie sich sicher ist, dass Max für den Leak des Videos verantwortlich ist, arbeitet sie einen Plan aus, um seine wahren Gesinnungen öffentlich zu machen. Eher zufällig schließt sie sich dafür mit der Außenseiterin Eleanor (Maya Hawke) zusammen, denn auch diese hat noch eine Rechnung mit ihrem ehemaligen Schwarm Carissa (Ava Capri) offen. Gemeinsam wollen sie beide Missetäter für ihre Schandtaten ordentlich auflaufen lassen und sorgen für ein gewaltiges Durchschütteln der gesamten Schule...

Nein, ein stinknormaler Teenie-Streifen ist "Do Revenge" sicherlich nicht - das merkt man schon daran, dass die Macher*innen sich offensichtlich von dem Hitchcock-Thriller "Der Fremde im Zug" inspirieren ließen und dessen ganz grobes Grundgerüst nun auf eine Highschool-Comedy übertragen. Von daher wird hier zwar nicht gemordet, aber dafür ziemlich fies intrigiert. Leider geht man dabei aber nicht über die üblichen Grenzen hinaus, die Netflix gerne steckt, um bloß niemandem auf die Füße zu treten: Dementsprechend muss beinahe jede Figur, und wirkt sie auch noch so abscheulich, am Ende noch eine wohltuende Wandlung erhalten und trotz einer überraschenden und ziemlich gemeinen Wendung nach zwei Dritteln schwelgt "Do Revenge" so arg in einem süßlichen Brei, dass es schon ein wenig traurig ist. Am Ende soll sich bloß niemand schlecht fühlen, alle sollen sich wieder an den Händen halten und glücklich sein... und das wirkt angesichts der ziemlich heftigen Abgründe, in die sich die Figuren hier verirren, nicht nur vollkommen unglaubwürdig, sondern auch ein wenig verlogen.
Um die Zuschauer*innen dementsprechend mit einer ausgeklügelten und fiesen Rache-Geschichte zu unterhalten, die aber niemals so weit gehen darf alsdass man hier einen "düsteren" Film sehen dürfte, müssen die Figuren oftmals als Spielbälle der Handlung herhalten. Ohnehin sind die wenigsten von ihnen glaubhaft charakterisiert, aber immerhin spielt Netflix bei vielen von ihnen einigermaßen spaßig mit den altbekannten Klischees. Gerade die Hauptfiguren werden sich aber im Grunde stets so zusammengebaut, wie es die Handlung gerade braucht - und wenn diese gegen Ende dann einen Purzelbaum nach dem anderen schlägt, müssen diese Charaktere gar alle paar Minuten ihre Gesinnung ändern, damit der Film nicht völlig auseinanderfällt. Dass man es mit den satirischen Elementen, die sich ohnehin arg mit den ernstgemeinten Momenten a la "Liebe dich selbst"-Ratschlägen oder Selbstfindungs-Trips beißen, bisweilen übertreibt, fällt ebenfalls auf. So muss der einzig wahre Bösewicht gegen Ende gar noch einen Monolog halten, indem er all seine Pläne offenbart, die einen klischeehaften James-Bond-Antagonisten stolz gemacht hätten... natürlich auch im Sinne der Handlung, die in langen und langwierigen Dialogen ihre Plotpoints abhaken muss. 
Bei einer Laufzeit von über zwei Stunden fehlt es "Do Revenge" immer wieder deutlich an Schwung - die ausgeklügelten Rache-Aktionen werden immer wieder unangenehm in den Hintergrund gedrängt und bei ihrer Ausführung dann auch eher seicht als wirklich fies inszeniert. Immerhin können die jungen Darstellerinnen mit viel Spielfreude auftrumpfen... wobei "jung" eben auch wieder Definitionssache ist, da Netflix zum wiederholten Male deutlich ältere Schauspielerinnen gecastet hat, die hier viel jüngere Figuren spielen sollen. Gerade im Falle von Camila Mendes und Maya Hawke, die sieben bzw. zehn Jahre älter sind als ihre Charaktere, fällt das trotz sehr solidem Spiel einfach extrem auf. Und wenn in den Nebenrollen dann doch mal einigermaßen passende Damen und Herren gecastet werden, dann wirkt der Altersunterschied zu den Hauptdarstellerinnen noch einmal enormer. Dieses Problem kann man weder Hawke noch Mendes anlasten, denn die geben sich hier redlich Mühe. Und auch die Gastauftritte von großen Namen wie Sarah Michelle Gellar (sicherlich ein Wink auf die 90er-Teenie-Filme, in denen sie damals zu sehen war) und "Game of Thrones"-Star Sophie Turner machen durchaus Freude. Aber so richtig rund wirkt die ganze Nummer nie und ist, trotz sehr vielversprechender Ansätze, mal wieder deutlich näher dran an einem der vielen Schnellschüsse, die Netflix als Original-Filme in sein Portfolio aufnimmt.

Fazit: "Do Revenge" ist in seinem Zwang, es ja allen recht zu machen, niemals so fies, intrigant und abgründig, wie er hätte sein können. Die bonbonbunten Bilder laden zwar dazu ein, mit einigen altbackenen Klischees zu brechen, doch im Kern ist der Film noch immer viel zu süßlich und lieblich, um seinem Rache-Plot irgendeine größere Tiefe zu verleihen.

Note: 4+



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