Annie Braddock (Scarlett Johansson) hat Anthropologie studiert, doch bei der Suche nach einem Job gerät sie in eine Identitätskrise, da sie überhaupt nicht mehr weiß, wer sie ist und was sie ausmacht. Im Central Park trifft sie durch einen Zufall auf eine Frau, die Annie nur noch "Mrs. X" (Laura Linney) nennt, eine wohlhabene Mutter aus der New Yorker Oberschicht. Diese bietet Annie ohne viele Nachforschungen einen Job als Nanny für ihren schwierigen Sohn Grayer (Nicholas Art) an. Um einen Tapetenwechsel zu vollziehen, nimmt Annie diesen an und erfährt somit viel über die Oberschicht und wie anders diese mit ihren Leben umgeht. Annie scheint in diese Welt nicht wirklich hineinzupassen, bringt jedoch ihre ganz eigenen Herangehensweisen ein, um schließlich das Herz des kleinen Grayer zu erobern...
"Nanny Diaries" beginnt als eine ziemlich freche Komödie, die scharfsinnig die Unterschiede zwischen der Oberschicht New Yorks und den am unteren Rand agierenden, normal arbeitenden Menschen aufzeigen möchte. Mit Annie als Erzählerin, welche ihre Erfahrungen als Nanny einer reichen Familie als eine Art Feldstudie aufführt, hat man schon früh Spaß an den spitzzüngigen Kommentaren, den einzelnen Fettnäpfchen, in welche die Protagonistin tritt, und natürlich an dem Aufeinandertreffen zweier völlig unterschiedlicher Welten. Schon früh fällt jedoch auf, dass der Film dabei mit enormen Überzeichnungen Punkte machen will und diese wollen nicht so wirklich schmecken. Einen Ausflug in die New Yorker Oberschicht hätte man sicherlich auch erzählen können, ohne jeden der dortigen Charaktere in ein pures Abziehbild zu verwandeln. Ein wenig mehr Herz und Doppelbödigkeit, wie man sie auch in den dauerhaften Off-Kommentaren Annies hören kann, wäre schön gewesen, um aus der ohnehin ziemlich dünnen Geschichte noch mehr herauszuholen.
Diese Geschichte lässt im weiteren Verlauf auch immer mehr nach, wenn sich "Nanny Diaries" fortlaufend von einer frechen Komödie hin zu einem ziemlich stumpfen Drama wandelt. Gegen Ende wird sogar ziemlich aggressiv auf die Tränendrüse gedrückt, wobei jedes Genre-Klischee mitgenommen wird, was man sich vorstellen kann. Hinzu kommt noch ein völlig banaler Romantic-Comedy-Plot, während welchem sich Annie in den gutaussehenden Typen verknallt, der natürlich in genau dem gleichen Gebäude wohnt wie die Familie "X". Spätestens ab der Halbzeit, wenn der Film versucht, all diese verschiedenen Stimmungen irgendwie unter einen Deckel zu bekommen, beginnt sich der Plot wie Kaugummi zu ziehen. Der anfängliche Biss geht unter Glückskeks-Weisheiten und banalen Dialogen unter und kann später nur noch streckenweise wieder ein wenig aufkeimen.
Da können dann auch die beiden spielfreudigen, aber hier deutlich unterforderten Hauptdarstellerinnen wenig ausrichten. Scarlett Johansson war kurz vor ihrem Beitritt ins Marvel-Universum händeringend dabei, sich einen Namen abseits diverser FeelGood-Filme zu machen und liefert daher eine energetische Performance, die sich sehen lassen können. Ihr gegenüber gefällt auch "Tatsächlich Liebe"-Star Laura Linney als schnippische, reiche Mutter, die Annie immer wieder Kontra gibt. Und auch Paul Giamatti sieht man als emotionslosem Geschäftsmann mit stoischer Miene in seinen wenigen Szenen wahnsinnig gerne zu. Leider können sie aber alle nicht verhindern, dass die Dialoge gerade in der zweiten Hälfte aus ihren Mündern ziemlich gestelzt klingen. Im deutschen Raum sah man das offensichtlich ähnlich und schien aus "The Nanny Diaries" eine Art Synchro-Test zu machen, wobei enorm talentlose Stimmen, die so klingen als hätten sie gerade mit Ach und Krach ihre Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule bestanden, gecastet wurden. Eine Sichtung im Original ist somit nicht nur zu empfehlen, sondern absolute Pflicht, da ansonsten wirklich jeder Gag und jede kleine Nuance unter den emotionslosen Sprecher*innen begraben wird.
Fazit: Nach einem vielversprechenden Beginn driftet "The Nanny Diaries" recht früh in Richtung eines kitschigen und überzeichneten Familiendramas mit unpassenden RomCom-Elementen ab und verliert seinen vorherigen Biss.
Note: 4
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