Direkt zum Hauptbereich

Ford schielt Richtung Oscar: Filmkritik zu "Der einzige Zeuge"

Am Bahnhof von Philadelphia wird der achtjährige Samuel Lapp (Lukas Haas) auf der Toilette Zeuge eines grausamen Mordes. Detective Capt. John Hook (Harrison Ford) nimmt sich dem Jungen und seiner besorgten Mutter Rachel (Kelly McGillis) als leitender Ermittler an. Als Samuel einen der Täter anhand eines Bildes identifizieren kann, bemerkt Hook jedoch, dass sich der Junge in großer Gefahr befindet, denn einer der Mörder ist ein Polizeibeamter. Hook beschließt, Samuel und Rachel in ihrer Heimat in Sicherheit zu bringen, gehören beide doch zu den Amischen - einem Volk, welches ganz und gar auf Strom und Technik verzichtet. In der bäuerlichen Kleinstadt hofft Book, die beiden unterbringen zu können und schließt sich den beiden selbst an...

In seiner extrem langen Karriere, die besonders durch zentrale Blockbuster-Rollen angefeuert wurde und ihn zu einem der begehrtesten Stars Hollywoods machte, wurde Harrison Ford nur ein einziges Mal für einen Oscar nominiert. Nun ist es kein Geheimnis, dass Ford zwar etliche Kultrollen mit Bravour meisterte, aber niemals ein meisterhafter Schauspieler war. Wer "Der einzige Zeuge" nicht gesehen hat, für welchen Ford als bester Hauptdarsteller nominiert war, dürfte sich aber schwer damit tun, überhaupt zu beschreiben, was der Mann eigentlich kann. Es muss nicht zwingend Fords beste Leistung sein, da er den altbekannten Charme, den er sonst in seinen kultigen Auftritten als Han Solo oder Indiana Jones stets trägt, diesmal zuhause lassen musste... aber es ist sicher seine glaubwürdigste. Man spürt förmlich, dass auch von Fords Seite viel Arbeit in die Figur eingeflossen ist und sie wird allein durch seine Leistung zu so viel mehr als einem Genre-Abziehbild. Und das, obwohl die eigentliche Geschichte der Figur und auch des Filmes an sich ansonsten ziemlich viele Klischees bietet, die man anderswo schon (besser) gesehen hat.
Wer mit einem knallharten Krimi-Drama rechnet, dürfte nach rund einer halben Stunde ziemlich erstaunt aus der Wäsche gucken. Die Geschichte eines jungen Zeugen, der zur falschen Zeit am falschen Ort war (was ein wenig an Filme wie "Der Klient" erinnert) und der anschließend vor den gefährlichen Häschern beschützt werden muss, stellt nämlich im Grunde nur einen actiongeladenen Aufhänger dar, welcher die Figuren letztendlich an den Ort bringt, der der Hauptschauplatz sein soll. Sobald Dook nämlich in dem Dorf der Amischen ankommt, entspinnt sich dort eine teilweise sehr behäbige, aber emotional ziemlich anrührende "Fish out of Water"-Geschichte, während welcher sich der an Technik gewöhnte Polizist in die Gemeinschaft einzuleben versucht. Das ist schon ein ziemlich klarer Bruch, wo "Der einzige Zeuge" doch zuvor eindeutig als düsterer Thriller seine ersten Schritte machte. Dass der Film aber nicht in zwei kaum zueinander gehörende Teile zerbricht, ist in erster Linie der starken Performance Fords als auch der eingängigen Regie von "Die Truman Show"-Mastermind Peter Weir zu verdanken.
Trotz einiger Längen und manch einer klischeehaften Figur in den Nebenrollen bleibt "Der einzige Zeuge" konstant spannend und sogar die unvermeidliche Liebesgeschichte wird ohne zu viele schwülstige Momente, wie sie damals in Hollywood noch üblich waren, erzählt. Während des großen Showdowns verliert man zwar ab und an diese wohltuende Ruhe, da man dem Publikum wohl noch unbedingt ein knalliges Finale schenken wollte... aber das ist so auch schon in Ordnung. "Der einzige Zeuge" ist nicht zwingend der Film, den man erwartet, nachdem man den Trailer gesehen hat, aber es ist ein außerordentlicher und streckenweise ungewöhnlicher Mix aus sensiblem Drama und Thriller, den es so nicht alle Tage zu sehen gibt. Keines dieser Versatzstücke ist neu oder auch nur originell erzählt, aber in ihrer Mischung entfalten sie, trotz aller unübersehbaren Schwächen, einen eindeutigen Sog.

Fazit: Fords Leistung ist beeindruckend, Peter Weirs Regisseur treffsicher. Trotz einiger Längen weiß "Der einzige Zeuge", wenn man sich erstmal an den Genre-Mix gewöhnt hat, emotional zu packen. Einige stumpfe Klischees stören dennoch.

Note: 3+



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid