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Wild und kultig: Filmkritik zu "Matilda (1996)"

Matilda Wurmwald (Mara Wilson) ist ein hochbegabtes, junges Mädchen, welches schon in jüngsten Jahren lesen und schreiben konnte. Allerdings ist sie auch in einer Familie aufgewachsen, die sich keinen Deut um sie schert und ihre Talente weder wirklich wahrnimmt noch sich für sie interessiert. Sogar eine Einschulung wollen Vater Harry (Danny DeVito) und Mutter Zinnia (Rhea Perlman) ihr verweigern, bis ersterer in seiner Autowerkstatt die resolute Schuldirektorin Agatha Knüppelkuh (Pam Ferris) kennenlernt. In der Hoffnung, dass Matilda unter ihr eine "richtige" Erziehung genießen wird, schickt Harry seine Tochter in ihre Schule. Dort legt sich das kluge Kind nicht nur mit der fiesen Rektorin an, sondern findet in der herzensguten Lehrerin Florentine Honig (Embeth Davidtz) auch eine erwachsene Person, die sich der Besonderheit Matildas anzunehmen vermag.

In dem 1996 erschienenen Film "Matilda" spielte Kinderstar Mara Wilson ihre wohl bis heute bekannteste Rolle - anschließend begann ihr Stern aufgrund mehrerer abgelehnter Rollen, der einsetzenden Pubertät und Wilsons Wunsch, sich mehr auf ihr Privatleben zu konzentrieren, in Hollywood wieder zu sinken. Bis heute ist "Matilda" eine Art kleiner Kultfilm, was sicherlich auch mit der beliebten Buchvorlage von Roald Dahl zu tun hat. Und dass dieser nicht nur harmlose, geradlinige Kindergeschichten schreibt, ist spätestens seit seinem Werk "Charlie und die Schokoladenfabrik" bestens bekannt. Demnach geht es auch hier bisweilen äußerst schräg zu und besonders die Szenen, in denen die fiese Rektorin die Kinder aufs Übelste drangsaliert, können auch regelrecht furchterregend sein. Trotz aller extremer Überzeichnungen hat der Film aber auch das Herz am rechten Fleck. Und auch wenn die Message letztendlich ziemlich simpel ist, gelingt es "Matilda" bis zu einem gewissen Punkt, diese sehr schön zu transportieren.
Besonders in der ersten Hälfte ist dieser Film nämlich eine schiere Ausgeburt von überbordender Kreativität. Viele schrille Nebenfiguren, die ganz nach Dahl's Stil wahnsinnig schräg gezeichnet sind und dabei ganz offensichtlich sehr gut oder sehr böse sind, geben sich die Klinke in die Hand. Von kindgerechten Streichen über sensibel dargebrachten Themen wie der Angst vor Nicht-Akzeptanz oder dem Aufbringen des nötigen Selbstbewusstseins und dem Zusammenhalt von Ausgestoßenen gibt es hier eine ganze Menge zu sehen. Das gilt auch für die visuelle Seite des Films, denn Regisseur Danny DeVito hat seinen Film knallbunt inszeniert und setzt in diversen Actionszenen gar noch einen drauf. Da wird wild gepoltert, Kinder werden über Zäune geworfen und allerlei fiese Streiche werden gespielt. Das hat durchaus einen frechen Charme, der aufgrund der zwei zentralen Figuren (Matilda selbst und die liebe Lehrerin Mrs. Honig) immer wieder passend geerdet werden. Das Highlight ist aber natürlich die vollkommen abgedrehte Performance von "Harry Potter"-Star Pam Ferris als fiese Mrs. Knüppelkuh, die sich so sicherlich in die höchste Agenda der bösesten Schurken in Kindergeschichten gespielt hat.
Leider verliert "Matilda" nach der Halbzeit an Schwung und das sogar ordentlich. Hatte ich zuvor wahnsinnig viel Spaß mit diesem teils kruden, aber auch wahnsinnig charmanten Mix aus Kinderfilm, Drama und bunter Komödie, so verliert sich das Werk später leider in einer Aneinanderreihung aus chaotischen Actionszenen. Diese gab es zwar auch vorher schon, doch fehlt später eine Komponente, welche diesen ganzen Irrsinn wieder auf den Boden bringt. Eine fantasievolle Komponente um die kleine Matilda wird dabei bis zum Äußersten ausgereizt und in turbulenten, aber auch viel zu langen und lauten Szenen totgespielt, wobei die kleinen und feinen Seiten der Figuren fast vollends verloren gehen. Bezeichnend ist dabei eine Szene, in welcher sich zwei Figuren durch ein Haus schleichen, in welchem sie eigentlich nicht sein dürften. Minutenlang läuft dieses Spektakel und dreht sich dabei, trotz aller inszenatorischer Ideen, im Kreis, ohne dass dies der Geschichte zuträglich wäre. Solcherlei "Style over Substance"-Momente finden sich in der zweiten Hälfte leider fast durchgehend und in schneller Abfolge, sodass der enorme Spaß, den ich zuvor noch mit dem Film hatte, dadurch leider sehr getrübt wurde.

Fazit: Charmanter Kinderfilm mit herrlich abstrusen Momenten und Figuren, der simple und herzliche Messages verbreitet und äußerst kreativ inszeniert wurde. In der zweiten Hälfte wandelt sich der Film aber in ein ziemlich einseitiges Chaos, was die zuvor so sorgsam aufgebauten Charakterzeichnungen torpediert.

Note: 3+



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