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Bay verwandelt Los Angeles in einen Kriegsschauplatz: Filmkritik zu "Ambulance" (2022)

Da die Krankenversicherung nicht für die Krebsbehandlung seiner Frau Amy (Moses Ingram) aufkommen möchte, wendet sich der Soldat Will Sharp (Yahya Abdul-Mateen II) an seinen kriminellen Bruder Danny (Jake Gyllenhaal). Der zieht Will in einen riskanten Banküberfall hinein, an dessen Ende für die Crew rund 32 Millionen Dollar erbeutetes Bargeld winken sollen. Doch die Aktion geht gehörig schief und unter dem Druck der anrückenden Polizistenschar verschanzen sich Will und Danny in einem nahenden Krankenwagen. Sie nehmen die Sanitäterin Cam Thompson (Eiza Gonzalez) und den durch eine Schussverletzung schwer verwundeten Polizisten Zach (Jackson White) als Geiseln und versuchen sich in dem Wagen einen Weg durch die Stadt zu bahnen. Dabei haben sie die Rechnung jedoch ohne die Spezialteams gemacht, die mit Waffengewalt und Köpfchen Jagd auf die Verbrecher machen...

Was tut der für seine tosenden Action-Gewitter bekannte Michael Bay denn mal, wenn ihm plötzlich die Verfilmung des Remakes eines dänischen Filmes, welches eigentlich als Kammerspiel in einem Krankenwagen inszeniert wurde, in den Schoß fällt? Die Antwort ist ganz simpel: Er tut das, was er immer tut und auch irgendwie am besten kann und inszeniert seinen "Ambulance" mit der gleichen Energie wie all seine vorherigen Werke. Zwar spielt auch das Remake zu großen Teilen in der Enge des Krankenwagens und spielt dabei die wenigen Charaktere gegeneinander aus, doch ergötzt Bay sich natürlich nur allzugerne an den nicht enden wollenden Materialschlachten, wobei er Los Angeles unter tosenden Verfolgungsjagden und knallendem Gewehrfeuer in einen wahren Kriegsschauplatz verwandelt, der sicherlich nicht zufällig an seine "Transformers"-Eskapaden erinnert. Man darf dabei durchaus erstaunt sein, wie gut es Bay gelingt, diesen Film trotz seiner (vielleicht nicht notwendigen) Überlänge so wahnsinnig am Laufen zu halten. Nach einer kurzen Exposition der Figuren knallen schon die ersten Kugeln und anschließend nimmt Bay das Tempo nicht nur nicht mehr runter, sondern drückt das Gaspedal immer weiter durch.
In dem andauernden Kugelhagel ist nicht viel Zeit für Charakterzeichnung - dementsprechend sind die Hauptfiguren auf durchsichtigste Art und Weise gekennzeichnet und wie das ganze Ding ausgeht, das kann man sich im Grunde schon vor der Sichtung des Films genau ausmalen. Etwas mehr als in anderen Bay-Streifen ist im direkten Vergleich aber dennoch drin - so gibt es zumindest ein paar überraschende Verwicklungen und auch noch ein paar sympathische Nebenfiguren. Nicht verzichten konnte der "Armageddon"-Regisseur aber auf seinen typischen Humor, der in diesem ansonsten bierernsten Treiben ziemlich deplatziert wirkt. Die Kalauer sind stumpf und seine Vorliebe für bunte Autos, welcher er auch hier wieder fröhnt, wirkt arg pubertär. Die Dialoge sind streckenweise wahnsinnig billig geschrieben und treiben sogar einen Weltklasse-Schauspieler wie Jake Gyllenhaal zur sichtbaren Verzweiflung: In seiner extremen Überzeichnung, ständig krakeelend und brüllend, wirkt Gyllenhaal nicht nur verloren, er nervt mit seiner Psycho-Attidüde sogar immer wieder. Das schauspielerisch größte Gewicht stemmt hingegen "Baby Driver"-Star Eiza Gonzalez, die immerhin sogar eine gewisse Entwicklung durchmachen darf und als einzige, wichtige Frauenfigur den ballernden Männer ordentlich Kontra geben darf... und auch muss.
In Sachen Actionszenen bekommt man das, was man von Michael Bay gewohnt ist. Da der Handlungsspielraum diesmal allerdings begrenzter ist, hätte man zumindest davon ausgehen können, dass seine Krawumm-Momente zumindest ein bisschen entsättigter ausfallen. Dem ist jedoch nicht der Fall, was zu einer einzigen, langen und sehr spektakulären Materialschlacht führt. Bay filmt diese eigentlich ziemlich abwechslungslose Verfolgungsjagd aber trotzdem so ab, als würden sich gerade sprechende Roboter balgen oder Meteoriten auf die Stadt hinunterregnen, was immer wieder so wirkt, als wolle er die Action größer inszenieren als sie ist und sein sollte: Seine Drohnenkameras rasen immer wieder aus unerfindlichen Gründen an Häuserfassaden entlang, fliegen über die Straßen oder gehen in der Hitze des Gefechts so nah an die Schauspieler heran, dass man manchmal nur noch ihre Nasen sehen kann. Wer dieser überzogenen Videoclip-Ästhetik nichts abgewinnen kann, dürfte mit "Ambulance" wenig Freude haben, doch entstehen in dieser Materialschlacht immer wieder wahnsinnig knackige Action-Momente, die sich durchaus sehen lassen kann... wie gewohnt eben.

Fazit: Ein krachendes Action-Vehikel nach alter Bay-Manier. Sobald das Gaspedal einmal durchgedrückt ist, gibt es für zwei Stunden kein Halten mehr. Nach stark geschriebenen Figuren muss man dabei nicht fragen, die Inszenierung gerät aber durchaus wuchtig und hält das Tempo fraglos oben.

Note: 3



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