Direkt zum Hauptbereich

Dürftiger Action-Kracher: Filmkritik zum Netflix-Original "Lou" (2022)

Lou Adell (Alison Janney) ist eine einsame Einsiedlerin, die alleine mit ihrem Hund nahe einer verschlafenen Kleinstadt lebt. Mit ihrem Leben hat sie grundsätzlich abgeschlossen und plant somit auch bereits ihren selbst herbeigeführten Tod... bis plötzlich ihre Mieterin Hannah Dawson (Jurnee Smollett) panisch an ihre Tür klopft. Diese erzählt, dass ihre kleine Tochter Vee (Ridley Bateman) entführt worden ist... und Vee's Vater Philip (Logan Marshall-Green), den Hannah bereits vor zwei Jahren verlassen hat, der Kidnapper ist. Lou lässt sich erweichen und möchte Hannah bei der Rettung ihrer Tochter helfen. Allerdings sorgt ein drohender Sturm, der in genau dieser Nacht über das Eiland ziehen soll, für eine Verkomplizierung der Rettungsaktion.

Allison Janney hätte man nun nicht unbedingt als nächsten großen Actionstar auf dem Zettel gehabt - die vor einigen Jahrend (endlich!) mit dem Oscar ausgezeichnete Schauspielerin machte sich bislang vor allem mit starken Komödien und prestigeträchtigen Dramen einen Namen, wobei sie oft, aber nicht immer prägnante Nebenrollen bekleidete. Aber gut, die Wandlung zum knallharten Actionstar hat man Liam Neeson damals ja auch nicht zwingend zugetraut und da die Quote von starken Actionheldinnen höheren Alters ohnehin wahnsinnig gering ausfällt... warum also nicht? Und erwartungsgemäß macht Janney in ihrem eigenen Actionkracher auch eine sehr gute Figur - das Portrait einer tieftraurigen, aber auch ziemlich grimmigen Frau, die gerne mal einen trockenen Spruch auf den Lippen hat, gelingt dem "Breaking News in Yuba County"-Star ganz ausgezeichnet. Ob das aber auch rein physisch für eine zweite Karriere auf dem Action-Pflaster reicht, wird man abwarten müssen, denn da bietet "Lou" nun nicht so viel alsdass man da gleich erkennen könnte, was Janney mit ihren zweiundsechzig Jahren noch auf dem Kerbholz hat.
Tatsächlich bietet der Film nämlich nur wenige Actionszenen, von denen dann auch keine so richtig als Höhepunkt taugt. Zu gefühlt siebzig Prozent spielt das Werk in einem verregneten Wald, was dann so auch gleich die Produktionskosten auf einen veritablen Wert gedrückt haben dürfte - es sieht jedenfalls nicht so aus, als hätte Netflix hier nun erneut etliche Millionen verschleudert, da die einzelnen Scharmützel kurz ausfallen und es viele, oftmals ziemlich dröge Ruhepausen vor den ewiggleichen Setpieces gibt. Das soll nun nicht heißen, dass "Lou" optisch nichts hermacht, denn immer wieder finden sich hübsche Bilder des nebenverhangenen Eilands. Das meiste spielt sich jedoch in den gewohnt-drögen, grau-blauen Schwaden ab, für die Netflix so berühmt ist, sodass sich der Film, trotz manch eines inszenatorischen Schmuckstückes und eines soliden Soundtracks, optisch nicht von ähnlichen Werken absetzen kann.
Der Versuch, ein wenig mehr zu bieten als die üblichen Action-Schwadronen, wird aber zumindest angegangen, indem man einigen der zentralen Figuren mehr Hintergrund und persönliche Motivation mitgibt als gewohnt. Wie man zu einer Wendung nach rund zwei Dritteln stehen wird, das ist wohl eine ganz persönliche Ansichtssache - mich hat es jedenfalls nicht gekickt und die Veränderung einer Motivation machte "Lou" in seinem recht langsamem Tempo und bei einer darüber hinaus auch recht dünn aufgezogenen Geschichte nicht zwingend spannender. Immerhin ruht man sich jedoch nicht auf einem reinen Revenge-Plot auf, sondern unternimmt zumindest den Versuch, das Ganze noch ein wenig zu unterfüttern. So richtig in Schwung kommt "Lou" trotz dieser Versuche aber nie, denn gerade im Mittelteil kommt die Handlung kaum voran und man spürt förmlich, wie die relativ dürftige Geschichte durch ein paar langatmige Waldspaziergänge noch einmal auf Spielfilmlänge gestreckt wurde. Letztendlich ist das dann zwar besser als so manches, was Netflix in den letzten Monaten im Action-Genre abgeliefert hat, aber viel mehr als eine kleine Fingerübung, um das eigene Portfolio noch einmal aufzustocken, ist leider auch nicht drin.

Fazit: "Lou" ist ein solider Action-Thriller, der aber niemals mehr als das bietet, was höchstens in einem Film wie diesem drin sein muss - Inszenierung, Actionszenen und Plot bewegen sich auf teils dürftigem, teils nettem Niveau. Allison Janney überzeugt in der Hauptrolle mit einer bärbissigen Performance, bei der man aber noch bezweifeln darf, ob da noch eine Action-Karriere auf die Oscarpreisträgerin wartet.

Note: 3- 



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Der große Crash - Margin Call

Es gehört schon einiges an Talent dazu, einen Film über eine Schar Anzugträger, die in dialoglastiger Manier das eventuelle, schockierende Ende ihrer Firma aufdecken. Wenn man es falsch angeht, könnte der Stoff arg trocken werden, mal ganz davon abgesehen, dass der Otto-Normal-Zuschauer mit den finanziellen Zusammenbrüchen und all den Zahlen nicht unbedingt umgehen kann. Eine Riege großer Stars kann da schon helfen, die Zuschauer anzulocken, so beweist es zumindest der angenehm ruhige Thriller "Margin Call"... DER GROSSE CRASH - MARGIN CALL Kurz vor der Finanzkrise 2007: In der Wertpapierhandelsabteilung einer großen New Yorker Bank werden etliche Mitarbeiter entlassen, unter ihnen ist auch Risikomanager Eric Dale (Stanley Tucci), der zuvor jedoch noch eine schockierende Entdeckung macht. Seine Arbeit hinterlässt er dem übriggebliebenen Mitarbeiter Peter Sullivan (Zachary Quinto), der die Zahlen überprüft... und dadurch entdeckt, dass der ganze Konzern auf wackligen Fü...

Eraser

Arnold Schwarzenegger, wohl neben Sylvester Stallone die Action-Ikone der 80er und 90er Jahre schlechthin, ist endlich zurück. Nachdem er sein Amt als Gouverneur von Kalifornien niedergelegt hat, dürfen wir ihn seit einiger Zeit endlich wieder in genügend rauen, spaßigen Actionfilmen wiedersehen. Auch wenn in der heutigen Zeit ganz klar Statham, Diesel und Co. die Actionhelden sind, macht es aber dennoch Spaß, den "Terminator"-Star wiederzusehen. Und natürlich auch seine vergangenen Filme, von denen ich bislang kaum einen gesehen habe und die ich nun mal nachholen möchte. Angefangen habe ich nun mit "Eraser" aus dem Jahr 1996... ERASER US-Marshall John Kruger (Arnold Schwarzenegger) arbeitet in einer geheimen Vereinigung der USA im Zeugenschutzprogramm. Darin beschützt er die Leben von Kronzeugen, welche vor Gericht Aussagen tätigen sollen und verschafft ihnen eine neue Identität, um sie vor dem Tod zu bewahren. Sein neuester Job ist eine junge Mitarbeiterin bei...