Direkt zum Hauptbereich

Zu altbacken, aber relativ treffsicher: Filmkritik zu "Eingeschlossene Gesellschaft"

An einem Freitagnachmittag kurz nach Schulschluss betritt plötzlich Manfred Prohaska (Thorsten Merten), Vater des Schülers Fabian (Nick Julius Schuck) das Lehrerzimmer des Rudi-Dutschke-Gymnasiums. Er verlangt von den sechs anwesenden Lehrkräften, letztendlich auch mit gezogener Pistole, über die neue Abstimmung bezüglich der Punkteverteilung für das Abitur, da seinem Sohn exakt ein Punkt fehlt, um für dieses zugelassen zu werden. Es ist ganz besonders Lateinlehrer Klaus Engelhardt (Justus von Dohnanyi), der sich weigert, dem Schüler einen weiteren Punkt zuzugestehen. Unter dem enormen Druck sehen sich die Lehrkräfte jedoch dazu gezwungen, über den Schüler zu diskutieren... was alsbald zu einer Diskussion über die ganz eigenen Ansichten und dunklen Seiten der Anwesenden wird.

Auf den neuen Film von Sönke Wortmann darf man sich eigentlich immer freuen, versteht der deutsche Regisseur es doch wie kaum ein zweiter, gewiefte Kammerspiele zu inszenieren, die darüber hinaus auch einen sehr kurzweiligen Unterhaltungsfaktor mit sich bringen - über "Der Vorname" habe ich mich beispielsweise köstlich amüsieren können. Erneut bringt Wortmann nun sechs Charaktere in einem Raum zusammen, um deren charakterliche Missetaten und Geheimnisse nach und nach offenzulegen und dabei auch gleich noch ein paar Worte bezüglich des Bildungssystems zu verlieren. Was letzteren Punkt angeht, agiert der Regisseur aber nicht ganz so galant - die hier dargebotenen Tiefschläge und Seitenhiebe wirken eher altbacken. Aktuelle Schwierigkeiten werden dabei so gut wie gar nicht thematisiert und die Figuren wirken auch eher wie altbekannte, überzeichnete Klischees, sodass man sie simpel gegeneinander ins Feld führen kann. Eine schneidige und zum Nachdenken anregende Provokation sollte man daher nicht erwarten, dafür bekommt man jedoch eine durchaus unterhaltsame und temporeiche Diskussionsrunde über menschliches (Fehl)verhalten.
Es wird nicht verwundern, dass (beinahe) alle Anwesenden irgendwo Dreck am Stecken haben. Dabei ist es gar nicht so aufregend, was nun wer eigentlich angestellt hat, sondern eher, wie die anderen Figuren auf diese Missetaten reagieren. In scharfen Dialogen gehen sich die Lehrkräfte gegenseitig an den Kragen und verhalten sich dabei durchgehend wie clevere Wendehälse, die stets die Person decken, die gerade am stärksten ist. Das ist (trotz oder gerade wegen des eingeengten Spielraums) dynamisch inszeniert und hält für jede Figur ein paar sehr feine Szenen bereit. Nach Glaubwürdigkeit abklopfen sollte man diese Grundsituation aber natürlich nicht - dem eigenen Sohn mit Waffengewalt zum Abitur zu verhelfen, dürfte für dessen Zukunft am Ende wohl eher schädlicher als hilfreich sein. Auch die Lehrkräfte handeln desöfteren ziemlich hirnrissig, was jedoch daran liegt, dass sie alle am absoluten Über-Klischee skizziert sind und deswegen nicht wirklich aktuell wirken. Der "coole" Sportlehrer bietet daher einen Kontrast zur jungen, selbstbewussten Referendarin oder zur schlecht gelaunten Schreckschraube, die alles, was die Jugend auch nur ansatzweise gut findet, sofort abschmettert.
Obwohl die Figuren (bis auf eine Ausnahme) durchweg unsympathisch oder gar hassenswert agieren und man einige ungalante Überzeichnungen auch hätte abmildern können, tut das der Spielfreude des Casts keinerlei Abbruch. Anke Engelke als übelstes Klischee einer unzeitgemäßen Lehrerin mag zwar ein schwach geschriebener Charakter sein, doch das Multitalent weiß hier rein darstellerisch mit einer herrlich-fiesen Performance dennoch zu überzeugen. Der heimliche Star ist jedoch "Männerherzen"-Star Justus von Dohnanyi, der als verbissener Oberlehrer einfach nur grandios ist. Florian David Fitz darf selbstverständlich den hemdsärmeligen, aber nur oberflächlich betrachtet sympathischen und junggebliebenen Sportlehrer verkörpern, der sich mit der Zeit als ziemlich miese Seele herausstellt. Ein wenig undankbar ist auch die Rolle von Nilam Farooq, die als moralischer Kompass der Runde agiert und somit eine Art Fixpunkt darstellt, insgesamt deswegen aber deutlich weniger schillernd agieren darf, da sie die volle, korrekte Linie fährt. Insgesamt spielt sich der Cast innerhalb der sehr feinen, pointierten Dialoge aber so verlässlich die Bälle zu, dass immer wieder gelacht werden darf und sicherlich keine Langeweile aufkommt.

Fazit: Das Drehbuch hätte sicherlich knackiger, aktueller und provokativer geschrieben werden können, um einen Effekt jenseits der kurzweiligen, aber reichlich unglaubwürdigen Komödie zu erzielen. Der Cast agiert jedoch, trotz all der Klischee-Figuren, so dermaßen spielfreudig, dass über hundert Minuten lang gute Unterhaltung garantiert ist.

Note: 3



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Der große Crash - Margin Call

Es gehört schon einiges an Talent dazu, einen Film über eine Schar Anzugträger, die in dialoglastiger Manier das eventuelle, schockierende Ende ihrer Firma aufdecken. Wenn man es falsch angeht, könnte der Stoff arg trocken werden, mal ganz davon abgesehen, dass der Otto-Normal-Zuschauer mit den finanziellen Zusammenbrüchen und all den Zahlen nicht unbedingt umgehen kann. Eine Riege großer Stars kann da schon helfen, die Zuschauer anzulocken, so beweist es zumindest der angenehm ruhige Thriller "Margin Call"... DER GROSSE CRASH - MARGIN CALL Kurz vor der Finanzkrise 2007: In der Wertpapierhandelsabteilung einer großen New Yorker Bank werden etliche Mitarbeiter entlassen, unter ihnen ist auch Risikomanager Eric Dale (Stanley Tucci), der zuvor jedoch noch eine schockierende Entdeckung macht. Seine Arbeit hinterlässt er dem übriggebliebenen Mitarbeiter Peter Sullivan (Zachary Quinto), der die Zahlen überprüft... und dadurch entdeckt, dass der ganze Konzern auf wackligen Fü...

Eraser

Arnold Schwarzenegger, wohl neben Sylvester Stallone die Action-Ikone der 80er und 90er Jahre schlechthin, ist endlich zurück. Nachdem er sein Amt als Gouverneur von Kalifornien niedergelegt hat, dürfen wir ihn seit einiger Zeit endlich wieder in genügend rauen, spaßigen Actionfilmen wiedersehen. Auch wenn in der heutigen Zeit ganz klar Statham, Diesel und Co. die Actionhelden sind, macht es aber dennoch Spaß, den "Terminator"-Star wiederzusehen. Und natürlich auch seine vergangenen Filme, von denen ich bislang kaum einen gesehen habe und die ich nun mal nachholen möchte. Angefangen habe ich nun mit "Eraser" aus dem Jahr 1996... ERASER US-Marshall John Kruger (Arnold Schwarzenegger) arbeitet in einer geheimen Vereinigung der USA im Zeugenschutzprogramm. Darin beschützt er die Leben von Kronzeugen, welche vor Gericht Aussagen tätigen sollen und verschafft ihnen eine neue Identität, um sie vor dem Tod zu bewahren. Sein neuester Job ist eine junge Mitarbeiterin bei...