Man kann niemals alle Filme sehen, dennoch versuche ich es. Besonders seit Anfang 2016, seitdem ich meine UCI Unlimited Card besitze, versuche ich, alle aktuellen Filme auch möglichst auf der großen Leinwand zu sehen - manchmal klappt es jedoch zeitlich nicht, oder, was häufiger passiert, weil der jeweilige Film in meinem UCI-Kino einfach nicht läuft. Letzteres war beim 2018 in Deutschland gelaufenenen "Feinde" der Fall, der trotz Starbesetzung und hervorragender Kritiken keinen Platz in meinem Stammkino fand. Nun habe ich ihn durch die 99-Cent-Aktion von Amazon Prime nachholen können und herausgefunden, was für einen starken Film sich mein Kino damals durch die Lappen hat gehen lassen...
FEINDE - HOSTILES
1892, New Mexico: Captain Joseph J. Blocker (Christian Bale) macht schier seit jeher Jagd auf Indianer und verurteilt die "Rothäute" für ihre abscheuliche Gewalt - dass die Amerikaner dabei mit eben so viel Blutdurst in die Schlacht ziehen und niemand mehr weiß, wer den Konflikt vom Zaun brach, interessiert ihn dabei nicht. Natürlich geht es ihm dabei auch gegen den Strich, als von seinem Vorgesetzten Colonel Abraham Biggs (Stephen Lang) den Auftrag erhält, den seit Jahren im Gefängnis schmorenden und nun vom Krebs zerfressenen Cheyenne-Häüptling Chief Yellow Hawk (Wes Studi) und seine Familie nach Montana, in dessen heiliges Territorium, zu geleiten, damit er dort in Frieden sterben kann. Auf der Reise müssen sich die beiden Gegenspieler schließlich auch zusammentun, um gegen einen gemeinsamen Feind anzugehen...
"Feinde" von "Auge um Auge"-Regisseur Scott Cooper zeigt als hervorragendes Beispiel, wie wichtig es für einen Film ist, den Zuschauer gleich in den ersten fünf Minuten einzuspannen und ihn direkt zu packen. Der Film beginnt mit einer Szene, die förmlich unter die Haut geht und zeigt die später noch wichtig werdenden Gegenspieler, wie sie eine Familie förmlich auseinanderreißen. Mit elektrisierender Brutalität, heftigem Schnitt und einer gnadenlosen Inszenierung, die ein Familienglück innerhalb von Sekunden aus den Angeln reißt, gelingt Cooper damit der Start eines Filmes, der wohl an keinem Zuschauer nahtlos vorbeirauschen wird - man kann ein solches Genrewerk kaum intensiver inszenieren. Und tatsächlich hält Cooper dieses Niveau auch im Nachhinein, wenn er eine Geschichte mit mehreren Protagonisten und Konflikten erzählen muss und findet einen packenden Rausch aus ruhigen Charaktermomenten und ungehetzter, dabei aber grausam realistischer Action.
Nicht immer gelingt dabei eine glaubwürdige Charakterisierung, manch einer der namhaften Darsteller wird (teilweise dann auch bis zum Ableben seiner Figur) eher sang- und klanglos mitgeschleift und zumindest ein Todesfall in der zweiten Hälfte ist doch eher ein ziemlich einfallsloser Plottwist, den man sich auch hätte sparen können. Nimmt man zudem auch ein paar winzige Längen in Kauf, die man der ruhigen Inszenierung zuschreiben kann, die eben in einen solchen Film auch wirklich hingehört, kann man einen starken Beitrag zum Western-Genre erleben, welches sich nicht den Konventionen beugt.
Manch einer mag die Geschichte als zu vorhersehbar empfinden und im Kern ist sie genau das - dennoch ist die Erzählung von zwei Feinden, die sich im Angesicht einer noch größeren Gefahr gezwungenermaßen zusammenschließen müssen und dabei auch etwas über die Leiden und Leben des jeweils anderen erfahren, quasi einen Zugang zum Gegenspieler erhalten, welche ihn emotional greifbar macht, auch ebenso zeitlos und deswegen hier weiterhin spannend. Da man die beiden männlichen Hauptfiguren, hier dargestellt von dem für "The Fighter" mit dem Oscar ausgezeichneten Christian Bale und "Avatar"-Star Wes Studi, dabei auch menschlich und glaubwürdig zeichnet und zudem auch zwei Darsteller am Start hat, die absolut auf der Höhe ihres Könnens agieren, ist dieses Duell dann auch durchaus das Spannendste in einem die Zwei-Stunden-Grenze sprengenden Film, der aber auch darüber hinaus kaum Hänger besitzt.
Etwas schwächer ist da schon der Plot, mit dem der Film ursprünglich so elektrisierend begonnen hat, denn die Erzählung um eine junge Mutter, die ihre Familie verlor, wirkt hier doch eher etwas lau und doppelt den zentralen Konflikt im Grunde - nur auf wesentlich vereinfachte und auch etwas überzogene Art. Das liegt zum einen an manch einem etwas erzwungen wirkenden Moment, aber auch an der Darstellung von "Jack Reacher"-Star Rosamund Pike, die sich hier sichtlich Mühe gibt, dabei aber eben auch etwas überzeichnet und nicht durchgehend glaubwürdig wirkt. Wen dieser Plot also ermüdet, der darf aber auch einfach in den traumhaften Bildern der verlassenen und einsamen Prärie schwelgen oder sich an vielen bekannten Gaststars wie dem leider bereits verstorbenen Scott Wilson oder dem neuen Hollywood-Star Timothee Chalamet erfreuen.
Fazit: Intensiver Western, dessen im Kern vorhersehbare Geschichte durch einen bärenstarken und herausragend gespielten Kernkonflikt zweier Hauptfiguren glänzt. Die Nebencharaktere sind im direkten Vergleich schwächer geschrieben, dennoch funktioniert "Feinde" aufgrund seiner harten Inszenierung und seiner ruhigen, ebenso prägnanten Erzählweise.
Note: 2-
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