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Ein 10-Millionen-Dollar-Krieg: Filmkritik zu "Bushwick"

Eigentlich wollte die junge Studentin Lucy (Brittany Snow) gemeinsam mit ihrem Freund Jose (Arturo Castro) nur ihre Großmutter im New Yorker Stadtteil Bushwick besuchen. Doch kaum sind sie aus der U-Bahn gestiegen, scheint die Welt um sie herum in Flammen aufzugehen: Bewaffnete Söldner ziehen durch die Straßen und schießen auf unschuldige Zivilisten, Fahrzeuge explodieren, überall Tod und Verwüstung. In schierer Panik versteckt sich Lucy in einem Haus und trifft dort auf den ehemaligen Söldner Stupe (Dave Bautista), der ihr versichert, dass es sich bei dem Angriff um eine Invasion handelt. Lucy hängt sich an die Fersen des ruppigen Stupe, glaubt sie an seiner Seite doch an eine höhere Überlebenschance. Gemeinsam versuchen sie sich zu einer Evakuierungszone durchzuschlagen, wobei sie jedoch die von blutigen Gefechten beherrschten Hauptstraßen betreten müssen...

Dieser kaum beachtete Film, der letztendlich recht unrühmlich auf den Streamingdienst Netflix abgeschoben wurde, hat sich sehr, sehr viel vorgenommen: Er will von einem grausamen Bürgerkrieg in den Straßen von New York erzählen, dabei ruppige Gewalt bieten... und zudem eine Inszenierung aufmachen, die uns glauben lassen soll, dass es von Produktionsseite aus nicht einen einzigen Schnitt gibt. Das klingt natürlich erstmal fantastisch, doch sollten wir die Kirche dringend im Dorf lassen: "Bushwick" wurde mit einem verhältnismäßig schmalen Budget von 10 Millionen Dollar gedreht, was gerade bei einem Thema wie diesem erhebliche Einschränkungen mit sich bringt. Das betrifft zum einen die Computereffekte, die dabei die miesesten Feuertricks und Explosionen beinhalten, die man für so wenig Geld einkaufen kann. Und es betrifft die Massenszenen, auf die ein Film wie dieser zwingend angewiesen ist, die aber in der Produktion auch wahnsinnig aufwendig und dementsprechend teuer sind. Der Film müht sich, gerade das Aushängeschild der Story (den plötzlich ausbrechenden Krieg) immer wieder nur im Vorbeilaufen zu zeigen - dabei entstehen gerade gegen Ende intensive Momente, doch sieht man dem Werk das wenige Geld praktisch durchweg an.
So richtig eintauchen kann man in diese Geschichte dann also nicht, denn oftmals wirkt das Gezeigte einfach zu billig. Gerade die angepeilte One-Cut-Produktion, wobei unsichtbare Schnitte angewendet werden sollen, um zu verschleiern, dass eben doch nicht alles in einem Take gedreht wurde, hinterlässt hier inszenatorische Lücken. Diese unsichtbaren Schnitte sind nämlich alle paar Minuten so offensichtlich eingefädelt, indem immer wieder ganz nah an eine Wand oder eine Treppenstufe gezoomt wird, dass es einen förmlich aus dem Geschehen hinausreißt. Auch die Schauspieler*innen bewegen sich wenig überzeugend durch die Hitze des Gefechts: So gehen sie im Inneren eines Gebäudes quasi spazierend an großen Fenstern vorbei, obwohl sie von der Anwesenheit von Soldaten mit Maschinengewehren auf den gegenüberliegenden Dächern wissen. Auch im weiteren Verlauf des Films überraschen die Figuren, die sonst immer so sehr auf Nummer sichergehen, mit einigen vollkommen stupiden Entscheidungen, um den Plot am Laufen zu halten.
Dieser kommt natürlich ziemlich dünn daher, was "Bushwick", auch aufgrund seiner schmalen Produktionswerte, immer wieder an den Rande des Trash drängt. Gerade die Erklärung, wer diese Invasion denn nun durchführt und was das Ziel dieser ist, darf man als, nun ja, höchst unwahrscheinlich bezeichnen. Wobei man konstatieren muss, dass wir ja mittlerweile auch in einer Welt leben, in welcher ein US-Präsident zur Stürmung des Kapitols aufgerufen hat (welches dann ja auch gestürmt wurde!) und russische Armeen in die friedliche Ukraine einmarschieren - was nun unwahrscheinlich oder gar hirnrissig erscheinen mag, ist es nach heutigen Maßstäben vielleicht gar nicht mehr so sehr. Und wenn man diese dramaturgischen Stolpersteine entweder schluckt oder ignoriert, dann kann der Film einen in gewissen, ziemlich elektrisierenden Szenen durchaus packen. Dabei ist auch löblich zu erwähnen, dass sich die Handlung auch kurze Atempausen zutraut (wobei auch diese angesichts des Budgets wohl unumgänglich waren), um die Karten neu zu mischen oder die beiden Hauptfiguren ein wenig zu zeichnen. Brittany Snow und "Spectre"-Star Dave Bautista schlagen sich dabei, auch wenn das Drehbuch gerade ersterer eine mehr als unglaubwürdige Mega-Entwicklung von der verwöhnten Studentin hin zur aggressiven Extreme-Söldnerin auf den Leib schreibt, mehr als solide.

Fazit: Gerade das geringe Budget lässt "Bushwick" in seinen offensichtlichen Produktionsgrenzen immer wieder an den Rand des Trashs wanken. Das ist plottechnisch und auch inszenatorisch immer wieder ziemlich schwammig... hat aber auch ein paar Szenen zu bieten, die sich als nicht weniger als intensiv bezeichnen lassen.

Note: 4



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