Vor siebzehn Jahren brachte Diane Sherman (Sarah Paulson) eine kaum lebensfähige Tochter zur Welt. Heute ist Chloe (Kiera Allen) auf zahlreiche Medikamente angewiesen, sitzt im Rollstuhl, leidet unter Asthma, Ausschlägen, Herzrhytmusstörungen und Diabetes. Trotzdem hält sie an ihrem Wunsch fest, bald ein College besuchen zu können. Eines Tages keimt in Chloe jedoch ein seltsamer Verdacht auf: Mit einem ihrer Medikamente, welches sie tagtäglich einnimmt, scheint etwas nicht zu stimmen. Als sie nähere Recherchen anstellen will, trifft sie auf merkwürdige Hürden - kapselt ihre Mutter sie vielleicht mit voller Absicht von der Außenwelt ab, weil sie etwas zu verbergen hat?
Wirklich spielen kann "Run" mit diesem Rätsel nicht - ob Mutter Diane nun wirklich etwas zu verbergen hat oder Chloe sich dieses Mysterium aufgrund ihres Gesundheitszustandes doch nur zurechtspinnt, ist eine Frage, die sich der Film nicht stellt. Denn schon der bekloppte, deutsche Untertitel als auch die gesamte Werbekampagne sowie die Besetzung der auf fiese Antagonistinnen-Rollen prädestinierten Sarah Paulson lassen eigentlich nur eine Richtung zu. So besitzt der Film dann auch ein paar recht ekltatente Startschwierigkeiten, bei denen die behutsam eingestreuten Spannungsspitzen nicht so richtig zünden wollen - das Publikum weiß in diesem Fall schon wesentlich mehr als die gebeutelte Protagonistin und kann daher nicht so richtig mitfiebern. Später findet "Searching"-Regisseur Aneesh Chaganty seine alte Form aber wieder: Sobald die Ausgangslage wesentlich klarer ist, erreicht er einige Szenen von beachtlicher Intensität.
Ab diesem Moment erinnert "Run" mehrfach an den grandiosen "Misery" aus dem Jahr 1990: Hüben wie drüben befindet sich eine Person, die körperlich extrem eingeschränkt ist, auf engstem Raum mit einer Frau wieder, die ihr (so zumindest der überdeutliche Anschein) absolut nichts Gutes will. Diese nicht sonderlich originelle, aber packende Grundidee nutzt Chaganty für zwei exzellente, zentrale Szenen, die in Sachen Spannungsaufbau absolut brillant sind und den Adrenalinpegel bravourös in die Höhe treiben. Bei einer knackigen Laufzeit von nur 89 Minuten kommt dabei dann auch keine Langeweile auf und es tut dem Film gut, dass er sich voll und ganz auf seine Protagonistin und ihren hartnäckigen Kampf innerhalb der vier Wände konzentriert: Nachwuchsstar Kiera Allen blüht in der Rolle der Chloe dann auch so intensiv auf, dass man den Blick kaum von ihr abwenden möchte.
Die Besetzung von "Glass"-Star Sarah Paulson hingegen stellt sich als zweischneidiges Schwert heraus: Sie agiert nicht nur arg hysterisch, sondern bekommt vom Drehbuch auch wenig Ambivalenz zur Verfügung gestellt. Wo man einer Kathy Bates in "Misery" den Wahnsinn voll abkaufte, da sie als verrückter Fan mehr als nur glaubwürdig wirkte, so vollzieht sich die Wandlung Paulson's zur überdurchgeknallten Furie ziemlich wirr... der emotionale Hintergrund der beiden Figuren wirkt sich hier schlecht auf die innere Logik des Films aus, der eher nur ein knallharter Thriller sein will, dabei aber zu viel Ballast mit sich schleppt. Das sorgt dann für einige herbe Glaubwürdigkeitsprobleme, wobei auch der zentrale Plot mit einigen starken Lücken zu kämpfen hat - das hier Gesehene lässt sich jedenfalls niemals für bare Münze nehmen und muss sich dramaturgisch schon mehr als strecken, um nicht vollends die Linie der Glaubwürdigkeit zu verlassen. Die starke Performance von Kiera Allen, das hohe Tempo und der grandiose Spannungsaufbau tun ihr Übriges, um durchweg zu unterhalten... unter der Oberfläche zeigt sich aber, dass "Run" nicht so gut durchdacht und konzipiert ist, wie es vielleicht wünschenswert gewesen wäre.
Fazit: "Run" ist aufgrund seiner ebenso simplen wie effektiven Ausgangssituation streckenweise maßlos spannend. Die intensive Performance von Kiera Allen kann aber nicht über den teils arg unlogischen Plot und einige dramaturgische Überzeichnungen hinwegtäuschen.
Note: 3
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