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Michael Hanekes Terror-Mutprobe: Filmkritik zu "Funny Games"

Das Ehepaar Anna (Susanne Lothar) und Georg (Ulrich Mühe) reist gemeinsam mit ihrem Sohn Schorschi (Stefan Clapczynski) zu einem Ferienhaus an einem großen See. Dort machen sie die Bekanntschaft mit den beiden jungen Männern Peter (Frank Giering) und Paul (Arno Frisch), die Anna erst höflich und später mit immer mehr Nachdruck um Eier für das Mittagessen der Nachbarn bitten. Als Anna schließlich, nachdem sich einer der Männer sogar an den persönlichen Gegenständen des Paares bedienen möchte, darum bittet, in Ruhe gelassen zu werden, bricht die Gewalt über die dreiköpfige Familie zusammen. Peter und Paul setzen Anna, Georg und Schorschi im heimischen Wohnzimmer fest und beziehen die Familie in eine grausame Wette mit ein - sie wetten, dass die gesamte Familie am nächsten Morgen tot sein wird...

Michael Hanekes knallharter Thriller "Funny Games" wurde im Jahr 1997 von einer beispiellosen Medienpräsenz begleitet - als kaum aushaltbar, ungemein brutal und psychisch enorm belastend wurde der Film des "Das weiße Band"-Regisseurs beschrien, wobei viele Kritiker dies positiv meinten, andere dem Film aber auch eine ekelerregende Gewaltverherrlichung anlasteten. Letzteres kann man dem Werk nicht zwingend absprechen, denn obwohl die physischen Gewaltspitzen fast ausschließlich im Off geschehen (und dadurch vielleicht sogar noch viel mehr Wirkung erfahren), so hat man den Eindruck, dass Haneke sich förmlich im Leid seiner drei Opfer suhlen will. Extrem lange Einstellungen von weinenden Gesichtern, flehende Bitten und immer wieder die klare Nachricht, dass jeglicher Versuch der Familie, aus den scheinbar übermächtigen Fängen ihrer Widersacher zu entkommen, von Beginn an zum Scheitern verurteilt ist. Das ist durchaus psychisch ziemlich belastend, kommt auf Dauer aber auch nicht drumherum, in seinem ewigen Gesuhle im Leid seiner armen Opfer irgendwann eintönig zu werden.
So richtig weiß man am Ende nämlich nicht, was Haneke damit aussagen will, diese arme Familie auf solch bestialische Art und Weise immer weiter leiden zu lassen - die recht eindeutige Message gegen Ende steht da zumindest ziemlich klein und ohne wirkliche Aussage entgegen und kann die vorherige Brutalität nicht dahingehend rehabilitieren, nicht der pure Selbstzweck zu sein. Haneke dreht die Daumenschrauben durch einige gekonnte und teils auch gewagte Spannungsspitzen zwar immer weiter und ein Mitfiebern mit den Hauptfiguren ist angesichts der desaströsen Lage, in welcher sie sich nach rund einer halben Stunde befinden, ohnehin sehr einfach. Der Regisseur übertreibt es aber bisweilen auch in dem Versuch, die gemeinen Paul und Peter zu quasi übermächtigen Feinden zu machen - die heiß diskutierte und mittlerweile gar kultige Fernbedienungsszene ist in dieser Hinsicht ebenso schockierend wie nervig, da sie im Grunde alle Möglichkeiten eines positiven Ausgangs in irgendeiner Form obsolet macht. Das reduziert nicht nur die Spannung, sondern man muss sich auch fragen, was genau Haneke so spannend an dieser psychischen Foltershow findet.
An der enorm wirkungsvollen Inszenierung, die all diese Leiden unaufgeregt und deswegen so grausam erzählt, gibt es nichts auszusetzen - Tempoprobleme hat der Film aufgrund dieser langsamen Inszenierung zwar, aber angesichts einer recht simplen Handlung, die im Grunde nur darauf aus ist, das Publikum psychisch zu stressen, ist das wohl auch gewollt. Die hervorragenden Leistungen des Casts werten den (zumindest für mich) relativ stressigen und verkopften Film dann auch nochmal enorm auf - was ganz besonders Susanne Lothar und "Das Leben der Anderen"-Star Ulrich Mühe in den zentralen Rollen abliefern, ist ganz großes Kino und hätte ich in dieser energetischen Form nicht erwartet, wenn ich mir zuvor keine spoilerfreien Kritiken durchgelesen hätte, die gerade ihre Performances immer wieder in den Himmel lobten. Ihnen gegenüber stehen mit Arno Frisch und Frank Giering zwei damals junge Schauspieler, die so dermaßen ekelhaft fies agieren, dass man sie einfach nur hassen muss - eine absolute Ausnahmeperformance der beiden Mimen, die in höchstem Maße provokant ausfällt. Es fällt somit noch schwerer, einen Film wie "Funny Games", der offensichtlich vor allem das Ziel hat, sein Publikum seelisch zu zerstören, zu mögen. Und ich mochte ihn auch nicht... aber etwas mit mir gemacht hat er definitiv, auch wenn das nicht schön war.

Fazit: So ganz kann Michael Haneke nicht darüber hinwegtäuschen, dass er Gewalt in seinem Film glorifiziert und dabei auch das Publikum einer enormen Belastungsprobe aussetzt. Diese ist, aufgrund einer hochspannenden Inszenierung, nicht ohne Reiz, wirkt aber auch arg verkopft.

Note: 3-



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