Vor vielen Jahren verübte Ida Walker (Melissa Leo) mehrere brutale Straftaten, darunter auch einen großen Bankraub, welcher das Leben ihres Ehemannes forderte. Im Gefängnis ist sie alt und schließlich auch krank geworden und wird aufgrund ihres schwindenden Gesundheitszustandes wohl auch hinter Gittern sterben. In ihrer misslichen Lage wendet sich Ida an ihren Sohn Wyatt (Josh Hartnett), der die Sache für sie regeln soll, indem er mehrere Überfälle verübt. Mit dem erbeuteten Geld sollen Anwälte und Entscheidungsträger bei Idas kommender Bewährungsanhörung erpresst werden, um diese noch vor ihrem Tod aus dem Gefängnis entlassen zu können. Nach einem der Überfälle klopft jedoch plötzlich das FBI an Wyatts Tür und heftet sich sowohl an seine Fersen als auch an die seines Bruders Dallas (Frank Grillo), der ebenfalls in die Taten involviert ist...
Josh Hartnett war sehr lange weg vom Fenster - der einstige Jugendstar, der große Erfolge mit Filmen wie "40 Tage und 40 Nächte" oder dem kultigen Horrorstreifen "The Faculty" feierte, erhielt in den letzten Jahren praktisch keine prestigeträchtigen Rollen mehr und hielt sich mit Parts im Serienmarkt und kleineren, wenig beachteten Werken über Wasser. Diese Zeiten scheinen nun jedoch vorbei, denn Hartnett ist immer öfter in kleinen und großen Rollen zu sehen... und das auch in Filmen, die eine gewisse Aufmerksamkeit erfahren. Kultregisseur Guy Ritchie verpflichtete den "Pearl Harbor"-Star gleich für seine neuesten Filme... und man kann nur hoffen, dass da noch mehr kommt. Denn auch in "Ida Red" ist zu sehen, dass sich der mittlerweile vierundvierzigjährige Schauspieler weiterhin für größere Dinge empfiehlt: In einem ansprechenden Cast ragt er noch einmal deutlich heraus und kann die ambivalente Figur wesentlich griffiger ausfüllen als es das unfokussierte Drehbuch vorgibt. Hartnett beherrscht den Film noch etwas mehr als der grotesk-bedrohlich agierende Frank Grillo und hat ohnehin wesentlich mehr zu tun als Oscarpreisträgerin Melissa Leo, die ihre wenigen Szenen wahrscheinlich bequem in drei bis vier Tagen abdrehen konnte.
So groß die Freude jedoch ist, Josh Hartnett wieder in seinem Element zu sehen - er braucht schlichtweg bessere Filme als diesen, um sich wieder richtig nach vorne spielen zu können. Regisseur John Swab scheint sich nämlich offensichtlich nicht wirklich entscheiden zu können, was für eine Geschichte er denn nun erzählen will: "Ida Red" ist zu großen Teilen eine (klischeebehaftete) Milieustudie, aber auch ein Familiendrama und ein Gangster-Thriller. Dabei werden viele Figuren in den Ring geworfen, die sich im Verlauf gegenseitig wichtige Bildschirmzeit klauen: So hätte man die ohnehin arg vor sich hindümpelnde und wenig spannende Geschichte um Wyatts Nichte Darla, die sich in einen diffusen Kerl verknallt, locker komplett streichen können, ohne irgendeinen Substanzverlust zu befürchten. Auch darüber hinaus hat der Film Schwierigkeiten, jemals wirklich in Schwung zu kommen, da er auf sehr vielen Hochzeiten tanzt: Bestechung hier, Rache dort, da kommt das FBI, man braucht noch einen Überfall und an anderer Stelle knallt einer der Straftäter durch. Das sind alles an und für sich spannende Elemente, die aber niemals wirklich atmen können, weswegen "Ida Red" wie ein großes Durcheinander aus Figuren wirkt, ohne dass dabei eine stimmige Dramaturgie entsteht, die all diese Eindrücke miteinander verwebt.
Und auch moralisch muss man dem Film einen Spiegel vorhalten: Wirklich hinterfragen tut er seine Figuren und deren Taten nämlich nicht, auch wenn er sie zu keinem Augenblick glorifiziert (was natürlich wesentlich schlimmer gewesen wäre). Es wirkt dennoch ein wenig so, als könnte man sich mit Kopfschüssen gegenüber unschuldigen Menschen letztendlich das Familienglück erkaufen und würde damit gar noch durchkommen. Das macht die Protagonisten dieses Films ziemlich unsympathisch und eine Bindung kann man zu ihnen ohnehin kaum aufbauen. Wo Filme wie "The Town" noch davon erzählen, dass eine Flucht aus diesem Abgrund erwünscht ist, scheint "Ida Red" einfach nur diesen Abgrund ablichten zu wollen... und das mag dann nicht wirklich dienlich zu sein, um mit diesen wild um sich ballernden Fieslingen mitzuleiden. Auch die Inszenierung rutscht Regisseur Swab mehrfach aus der Hand, sind die wenigen Actionszenen doch nicht sonderlich energetisch gefilmt. Das bleihaltige Finale hat da schon eher etwas Pflichtschuldiges, um das Publikum nach einer langen Zeit des uninpsirierten Storytellings noch ein wenig Action zu bieten. Das hätte nicht sein müssen, wenn man sich generell für eine konzentriertere und dramaturgisch dichtere Geschichte hätte entscheiden können... das ist hier aber nicht der Fall.
Fazit: Der Cast macht seine Sache ziemlich gut, wobei vor allem Hauptdarsteller Hartnett heraussticht. Der unfokussierte Plot kommt in seinem Beharren auf allerlei Baustellen und Charaktere aber niemals in Schwung und flacht in einer moralisch zweifelhaften Milieustudie ziemlich ab.
Note: 4+
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