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Außen hui, innen manchmal pfui: Serienkritik zur ersten Staffel von "Carnival Row"

In einer vom Krieg gezeichneten Welt leben Fabelwesen und Menschen Seite an Seite... kommen jedoch nicht unbedingt miteinander aus. Feen und Puks gelten als Außenseiter und werden immer öfter von den Menschen drangsaliert oder gar als Diener gehalten. In diesen düsteren Zeiten kommt Inspektor Rycroft Philostrate (Orlando Bloom) in die Stadt, um einen mysteriösen Mordfall aufzuklären. Während seiner Untersuchungen macht er sich unter den Kollegen oftmals keine Freunde, da er die Fabelwesen als gleichrangig erachtet und auch mit ihnen kooperiert... so zum Beispiel die Fee Vignette Stonemoss (Cara Delevigne), die als Überlebende eines Schiffsunglücks zu dem reichen Ezra Spurnrose (Andrew Gower) stößt. Als sie versucht, aus dessen Fängen zu entkommen, begegnet sie auch Rycroft und ihre gemeinsame Vergangenheit keimt schmerzhaft wieder auf. Unterdessen kommt es zu weiteren Morden, hinter denen Rycroft bald einen monströsen Serientäter vermutet.

Im Jahr 2019 war der Hype um diese Serie groß - mit Starkalibern eines Orlando Bloom und einer Cara Delevigne in den Hauptrollen konnte man zumindest ahnen, dass der Streamingdienst Prime Video hier ein heißes Eisen im Feuer hatte. Doch die Gespräche rund um die düstere Fantasy-Serie flauten alsbald wieder ab und der ganz große Jubelsturm wollte sich nicht einstellen... letztendlich reichte es dann doch nur zu einer erst vier Jahre später veröffentlichten zweiten Staffel, die dann auch sogleich das Ende der Serie markierte. Fans gefiel die Show trotzdem, aber irgendetwas schien zu fehlen. Und nun, da ich zumindest die erste Season endlich gesehen habe, kann ich auch ungefähr sagen, was das denn nun war. An der Optik gibt es jedenfalls nicht auszusetzen, denn die Macher haben sich nicht lumpen lassen und offensichtlich eine ganze Menge von Amazons Geld in die Hand genommen, um eine glaubwürdige Fantasy-Welt zu erschaffen, die ebenso dreckig wie visuell berauschend aussieht. Gute, aber niemals in den Vordergrund drängende Spezialeffekte, knackige Actionszenen und ein starkes Setdesign gehen Hand in Hand mit der wertigen Inszenierung, die "Carnival Row" zumindest optisch zu einem Sehvergnügen machen, welches in dieser Qualität im Serienbereich zwar nicht mehr neu ist, sich aber dennoch wirklich sehen lassen kann.
Bezüglich der Handlung verbitten sich dann jedoch die Parallelen zu den ganz großen Meisterwerken der jüngeren Seriengeschichte - die politischen Ränkespiele in "Carnival Row" erreichen in ihren oftmals sehr halbherzig geschriebenen Dialogen nicht annähernd die Klasse eines "Game of Thrones" zum Beispiel. Obwohl die Serie auch außerhalb der beiden von Stars gespielten Hauptfiguren noch viele interessante Nebencharaktere in petto hat und zudem eine (überdeutliche) Gesellschaftskritik einspielt, in der es diesmal Fabelwesen sind, die den dauerhaften Alltagsrassismus bis hin zur gnadenlosen Ausbeuterei und Gewalt zu süren bekommen... so richtig Fahrt auf nimmt das ganze Spiel nie. Gerade der im Fokus stehende Mordfall verläuft, trotz eines bestialischen Gegenspielers, arg nach Schema Fa und kann unter der erdrückenden Last zahlloser anderer Plots niemals so richtig atmen. Wesentlich spannender ist da schon die gemeinsame Geschichte der beiden Hauptfiguren, die zumindest auf einer emotionalen Ebene in die richtige Richtung zielt und den zwei Top-Stars genügend Gelegenheit gibt, in einem neuen Fantasy-Setting außerhalb von "Fluch der Karibik" und "Valerian" zu glänzen.
Aber auch hier gilt: Das ist alles gut, aber wirklich nicht wegweisend. Immer wieder dümpelt die Story von "Carnival Row" ziemlich müde vor sich hin und hat sogar bei einer geringen Episodenanzahl von nur acht Folgen, die trotzdem noch mit allerlei Plots vollgestopft sind, mit erheblichen Längen zu kämpfen. Man verlässt sich nicht nur zu arg auf die viel zu durchsichtigen und gehemmt erzählten Ränkespiele in der Politik und in der Gesellschaft, sondern auch auf typische Fantasy-Schemata, die immerhin etwas dreckiger erzählt werden als sonst in diesem Genre. Das hilft aber wenig, um tatsächlich in Schwung zu kommen, denn obwohl die Welt an der Oberfläche faszinierend ist, erwacht darin nur wenig eigenes Leben. Die Finalfolge möchte dann mit den typischen, überraschenden Erklärungen aufräumen, doch waren die Geschichten zuvor entweder nicht spannend genug, um am Ende noch so richtig mitzufiebern... oder zu durchsichtig, sodass man etwaige Wendungen schon zuvor hat kommen sehen. Wie gesagt, das ist alles nicht schlecht inszeniert und hat immer wieder auch seine Momente, doch in die Güteklasse eines "Game of Thrones" oder auch eines "Stranger Things" stößt das nicht vor, denn dafür fehlt es der Serie doch an Charme, an Mut und vor allem an den richtig guten, eindringlichen Ideen, die im Gedächtnis bleiben.

Fazit: Trotz Starpower und einer makellosen, sichtlich teuren Inszenierung ist die Geschichte zu behäbig erzählt und zu schematisch aufgebaut, um langfristig zu fesseln. Es gibt durchaus spannende Charaktere und auch einige interessante Storylines, die jedoch zu oft an der Oberfläche der altbekannten Fantasy-Klischees steckenbleiben und deswegen auch nur oberflächlich unterhalten.

Note: 3- 



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