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Baz Luhrmann knallt durch: Filmkritik zu "William Shakespeares Romeo + Julia"

An der lateinamerikanischen Küstenmetropole Verona Beach bekriegen sich die verfeindeten Banden der Familien Montague und Capulet erbarmungslos - an einer Tankstelle kommt es gar zu einem Schusswechsel. Ausgerechnet Romeo (Leonardo DiCaprio), Sohn der Familie Montague, verliebt sich auf einem Maskenball in die wunderschöne Julia (Claire Danes), eine Tochter der Familie Capulet. Die Liebe beruht rasch auf Gegenseitigkeit, doch wissen beide, dass ihre jeweiligen Familien diese Beziehung niemals dulden würden. Ohne das Wissen ihrer Familien wollen die beiden sich in einer Nacht- und Nebelaktion vermählen und hoffen so, die langjährige Fehde endlich beilegen zu können. Doch dann eskaliert der Konflikt und Romeo wird als Schuldiger gebrandmarkt, was auch seine Beziehung zu Julia gefährdet...

Baz Luhrmann hat seine ganz eigene, oftmals reichlich schräge Art und Weise, Filme zu machen. Seine Fans und viele Kritiker lieben ihn dafür - so wurde sein Biopic "Elvis" in diesem Jahr für sagenhafte acht Oscars nominiert. Doch ich konnte mit Luhrmanns Werken nie viel anfangen und mochte ganz besonders seinen überspitzten Musical-Ausflug "Moulin Rouge" nicht, der unter Kritikern jedoch als sein bestes Werk gilt. Ähnlich kreativ und verrückt soll Luhrmann auch bei seinem 1996 erschienen Werk "Romeo und Julia" vorgegangen sein... und ich hatte in der Vergangenheit bereits zwei Anläufe genommen, mir sein als Kult angesehenes Romantik-Epos zu Gemüte zu führen. Über die einführende Tankstellenszene bin ich damals nie hinausgekommen: Nach fünf Minuten der wilden Schnitte, der knallbunten Farben, der Comicsounds und des Gebrülls habe ich damals entnervt abgeschaltet. Nun habe ich den Film jedoch durchgezogen und wünsche mir beinahe schon wieder, ich hätte es einfach sein gelassen. Denn obwohl die Idee, die bekannte Geschichte von Romeo und Julia in den 90er Jahren anzusiedeln und dabei dennoch die grandiosen, alten Texte Shakespeares einfließen zu lassen, maßlos kreativ ist, hat mich der Film in seiner wahren Inszenierungswut überfordert und wahnsinnig gestresst.
Und das liegt besonders an Luhrmanns Inszenierungsstil, mit dem ich mich auch diesmal nicht anfreunden könnte. Sicher, seine Bildgewalt ist auch hier das Maß aller Dinge: Unter den Synonym "opulent" macht es der "Australia"-Regisseur bekanntermaßen nicht und dementsprechend steckt auch seine hippe Shakespeare-Version voller wundervoller Aufnahmen. Das alles wird jedoch so wild, oftmals so banal und bis zur Grenze des Trashs vollzogen, dass ich mich in meinem seltsamen Fiebertraum wähnte. So reizvoll es auch sein mag, die Texte Shakespeares in diesem modernen, kunterbunten Treiben zu hören - als einzige, wirklich originelle Idee zieht dieser Trick nicht lange. Und irgendwann mäandert der Film dann zwischen einem kitschigen, überinszenierten Liebesdrama und einer clownesken Zirkusveranstaltung herum, ohne dabei irgendeinen Mittelweg zu finden, der die großen Gefühle und die wilde Comedy-Nummer verbindet. Da schwören sich Romeo und Julia ihre Liebe, während zeitgleich Harold Perrineau als Chris-Tucker-Verschnitt aus "Das fünfte Element", kreischend und giggelnd herumtänzelt, während John Leguizamo seine Pistolen schwingt, die mit Sounds unterlegt wurden, die aus dem letzten Roadrunner-Cartoon stammen müssen.
Das klingt seltsam und das ist es auch - Luhrmann kennt keinerlei Zurückhaltung und eigentlich müsste dieser Film seine eigene, ganz klare Parodie sein. Dafür ist er aber nicht witzig genug, sondern erschöpft sich in Albernheiten. Zudem scheint Luhrmann die zentrale Liebesgeschichte durchaus ernstzumeinen und gibt dieser viel Zeit. Die Chemie zwischen Danes und DiCaprio in den Hauptrollen stimmt und dass beide sich am Set spinnefeind waren, merkt man ihrem Spiel nicht an - in krassem Kontrast zu den überinszenierten Megasets mit bunten Kostümen und allerlei Herumgekreische stiehlt sich diese Romanze davon und scheint aus einem gänzlich anderen Filmen zu stammen. Auch das ist in dieser Form nicht ohne Reiz, kann aber weder bewegen noch packen. Die Geschichte an sich ist natürlich zeitlos und viel zu gut und berührend, um sich auch in einem solch irritierenden Setting noch irgendeine Blöße zu geben. Zudem ist die A-Riege Hollywoods hier in bester Form angetreten und überzeugt, wenn auch durch teils sehr drastische Darstellungen, bis in die Nebenrollen hinein. Doch eine runde Sache ergibt das nie: Es wird viel geschrien und viel geflüstert. Ein Maß dazwischen gibt es nicht. Und das war mir dann irgendwann doch zu stressig.

Fazit: Irgendwo scheint die klassische, bewegende Shakespeare-Romanze noch durch - doch angesichts der knallig-bunten Bilder, der wilden Schnitte, der Cartoon-Elemente und der Inszenierung, die einem miesen Trip gleicht, ist es schwer, überhaupt noch etwas zu fühlen als richtigen Stress.

Note: 4



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